Ma Folie
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(„Ma Folie“ directed by Andrina Mracnikar, 2015)

Ma Folie
„Ma Folie“ läuft ab 21. Juli im Kino

Zunächst ist Hanna (Alice Dwyer) sehr glücklich, als Yann (Sabin Tambrea) wieder vor ihr steht. Schließlich hatten sie eine schöne Zeit gemeinsam in Paris verbracht, nachdem sie sich dort in einer Bar über den Weg gelaufen waren. Dass er ihr nach Wien folgt, sogar bereit ist, sein altes Leben hinter sich zu lassen, das ist schon irgendwie süß. Weniger süß ist hingegen sein ständiges Misstrauen, vor allem Hannas Ex-Freund Goran (Oliver Rosskopf) gegenüber. Immer größer wird der Druck, immer schwieriger der Umgang, bis Hanna keine Möglichkeit mehr sieht, als sich von Yann zu trennen. Doch damit fangen die Probleme erst richtig an.

Ma Folie ist ein Film mit vielen Gesichtern. Einer, der die unterschiedlichsten Gefühle in einem auslöst. Rührung zum Beispiel. Wenn Hanna die anfänglichen wunderbar poetischen Videobotschaften anschaut, die von Yanns Versuchen handeln, nach Paris die Trennung zu verkraften. Aber auch Verstörung, wenn die Videobotschaften nach der zweiten Trennung in eine finstere, sadistische Richtung gehen. Verwunderung darüber, wie eine harmlose Liebe derart zerstörerische Kräfte freisetzen kann. Und auch Angst. Denn wenn einen Andrina Mracnikar bei ihrem Debütfilm eines lehrt, dann dass wir niemals wirklich sicher sein können. Nicht in einer Beziehung. Nicht in einer Freundschaft. Nicht in der eigenen Wohnung. Nicht einmal in sich selbst.

Es ist bemerkenswert, sogar erschreckend, mit welcher Leichtigkeit die gebürtige Österreicherin hier nach und nach alles zerstört, was Hanna Halt geben könnte. Ihr Freund entwickelt zunehmend psychotische, sogar bedrohliche Störungen. Bei ihrer Arbeit als Kindertherapeutin gibt es Probleme, weil eine Kollegin nicht am selben Strang zieht. Und wieso verhalten sich Hannas Ex und ihre langjährige Freundin Marie (Gerti Drassl) so komisch? Verheimlichen sie ihr etwas? Haben die gar etwas miteinander?

Denn auch das macht Ma Folie zu etwas Besonderem: Sie nimmt dem Zuschauer die Sicherheit darüber weg, was da eigentlich gerade auf der Leinwand passiert. Das haben andere natürlich schon vor Mracnikar getan, Horror bzw. Thriller, die genüsslich im Grenzbereich zwischen Wahn und Wirklichkeit spielen, die muss man nicht erst lange suchen. Hier findet das jedoch auf zwei Ebenen statt: Yann, der in seiner Besessenheit von Hanna alles verdreht, was sie sagt und tut. Hanna, die irgendwann selbst in jedem Satz und Blick etwas anderes sehen will.

Aber stimmt das? Oder ist Hanna selbst paranoid? Hat sich Yann eventuell die ganze Zeit über doch normal verhalten, wurde aber einfach falsch verstanden? Mracnikar beantwortet diese Fragen nicht. Im Gegenteil: Sie präsentiert immer mehr Situationen, die sich nicht wirklich erklären lassen, lässt uns darüber nachdenken, wie wir die Welt wahrnehmen. Und wie schwierig es ist, Welt und Wahrnehmung voneinander zu trennen. Das ist hier zwar zuweilen ein bisschen zu sehr Gedankenspielerei, mehr Kopfkino als Gefühlskino. Sehenswert ist die Dekonstruktion von Fassaden und Sicherheiten aber: In Ma Folie gibt es keinen Rettungsschirm, der uns vor dem Abgrund bewahrt, vor dem Wahnsinn, der zwischen und in uns steckt. Schön ist das nicht. Dann schon eher verstörend. Ein bisschen verspürt man nach dem Film auch den Drang, selbst alle Schlösser austauschen und nie wieder die Wohnung verlassen zu wollen. Für diesen Film über eine wuchernd-erstickende Liebe lohnt es sich aber, auch aufgrund der feinen Darstellerleistungen, die einen subtil, aber mit Nachdruck in die Dunkelheit der menschlichen Seele hineinziehen und dort hilflos zurücklassen.



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Eine enttäuschte Liebe, die sich in Hass umwandelt? Oder eine paranoide Sichtweise, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat? „Ma Folie“ lässt diese Grenzen offen, präsentiert uns mal poetische, dann wieder verstörende Szenen und regt dazu an, die (Selbst-)Wahrnehmung auf den Prüfstein zu stellen.
7
von 10