Familie auf Rezept
© Weltkino Filmverleih

Familie auf Rezept

(„Ange et Gabrielle“ directed by Anne Giafferi, 2015)

Familie auf Rezept
„Familie auf Rezept“ ist seit 15. Juli auf DVD und Blu-ray erhältlich

Plötzlich schwanger! Die alleinerziehende Gabrielle (Isabelle Carré) ist sichtlich überrascht, als ihre junge Tochter Claire (Alice de Lencquesaing) ihr die Schwangerschaft beichtet. Simon (Thomas Solivéres), der Vater des Ungeborenen, ist schon längst nicht mehr im Bilde und auch die Nachricht lässt ihn scheinbar kalt, Verantwortung will er schon gar keine übernehmen. Daraufhin macht sich die werdende Oma auf die Suche nach dessen Vater, der seinem Sohnemann Vernunft einreden soll. Ange (Patrick Bruel) wiederum ist erfolgreicher Architekt, genießt sein Single-Dasein in vollen Zügen und ist sich wie sein Sohn selbst der Nächste. Den kennt er nämlich gar nicht und hat an einer plötzlichen Vaterrolle ebenso wenig Interesse wie sein sturer Sprössling, bis ihm die hartnäckige Gabrielle die Leviten liest. Von Wolke 7 auf Erdgeschoss geebnet, muss er gleich mehrere Hürden überspringen, um der Vater-Sohn-Beziehung eine Chance geben zu können. Dabei entdeckt er nicht nur neue Seiten an sich, sondern verliebt sich auch in die temperamentvolle Gabrielle und stellt damit das Familiengespann auf die nächste Probe.

„Verlieben Sie sich. Werden Sie Vater und Opa zugleich. Alles in 90 Minuten!“ Klingt nach einer reißerischen Singlebörsen-Headline oder dem Aufhänger einer dramatischen Soap Opera. Falsch, und trotzdem nicht ganz unwahr, schmeißt sich das neue Werk der französischen Regisseurin Anne Giafferi (La vie à l’envers) in eben diese Kategorie und muss daher mit deren negativ behafteten Stigmata hausieren gehen. Zeichnen sich diese nicht selten durch billige Klischees, austauschbare Charaktere und recyclte Storylines aus, deren Sinn in der Maximierung des potentiellen Dramas liegt, um den lüsternen Zuschauer zum Fraß vorgeworfen zu werden. Die Nachfrage ist hoch und obwohl den verwendeten Tragödien keine Grenzen gesetzt sind, ist es meist die Qualität solcher Umsetzungen, die auf der Strecke bleibt.

Es wird gar nicht lange um den heißen Brei herum geredet, da steht die energische Gabrielle schon auf Anges Türschwelle und macht Krawall. Wartet man zu Beginn noch auf die Ankunft der Polizei, die der Dame Einhalt gebietet, entwickelt sie sich später zur fürsorglichen Mutter die sie eigentlich ist, während für ihn eine Welt ohne Verantwortung zusammenbricht. Die beiden liefern sich immer wieder verbale Wortgefechte, biedern sich förmlich an und versprühen mehr Gift als Endorphine. Dann schlägt die Atmosphäre binnen weniger Minuten ganz andere Töne an und aus dem feuerspeienden Duo, wird ein turtelndes Pärchen – so scheint es zumindest. Abendessen im Restaurant und sogar die gemeinsame Zukunft wird schnell zum Thema. Als wäre die überraschende Schwangerschaft und die verkorkste Vater-Sohn-Beziehung nicht schon Filmstoff genug, gesellen sich nun die Liebeleien der beiden Eltern zum laufenden Drehbuch hinzu.

Der Mix aus den verschiedenen Dramaturgien wirkt oftmals überfordert und unausgegoren. Wird jeder Part zwar immer wieder thematisiert, fehlen die Details und Fassetten. Wie bei den zu Beginn genannten Soaps wird auch hier alles mundgerecht zubereitet und dem Zuschauer vor die Nase gesetzt. Die Handlung erstreckt sich über die neun Monate Schwangerschaft und darüber hinaus, wodurch es viele Phrasen einzelner Interaktionen gibt, diese aber im Gesamtbild verloren gehen. Der filmische Höhepunkt wird nie wirklich erreicht und abgesehen davon plätschert der trübe Rest mehr zwangsweise als harmonisch durch die 90 Minuten Spielfilmlänge. Dem fehlenden Fokus ist es dann auch geschuldet, dass die Charaktere nur oberflächlich angekratzt werden und deren Merkmale von geringer Bedeutung zeugen. Schauspieler verkommen zu Marionetten eines trostlosen Theaters, für dessen Qualität sie, trotz durchweg guter Leistungen der beiden Hauptrollen, keine Verantwortung tragen.

Familie auf Rezept versucht vieles, konzentriert sich aber nicht auf das Wesentliche, das Essenzielle, welches Liebeskomödien ausmacht. Die Charaktere und deren Geschichte, wodurch diese beliebig und zeitweise zu überhastet wirken. Der Film nimmt bis zum Schluss hin Anlauf, findet aber nie den Absprung, um für ein zufriedenstellendes Ende zu sorgen. Weniger Drama, eine kürzere Zeitspanne und mehr Luft zum Atmen hätten aus der faden Komödie eine nette Romanze mit familiärer Note gemacht. So kann er sich von den Klischees und vorhersehbaren Szenarien nicht absetzen und ertrinkt im qualitätsarmen Morast vieler Genrepartner.



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Wer das perfekte Chaos sucht, der ist hier genau richtig. Liebe und Familie, hier geht gleich beides den Bach runter und wieder rauf. Die französische Komödie ist kein totaler Reinfall, erinnert aber mehr an eine ausgelutschte Daily Soap als einen romantischen Klassiker.
4
von 10