Renaissance
© Ascot Elite

(„Renaissance“ directed by Christian Volckman, 2006)

RenaissanceNachdem wir uns letzte Woche den universell hochgelobten Anime Colorful genauer angeschaut haben, erinnern wir uns im 105. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials an einen Film zurück, der sehr viel zwiespältiger aufgenommen wurde. Und das nicht ohne Grund, bei kaum einem Werk lagen Licht und Schatten ähnlich eng beieinander wie bei Renaissance. Wortwörtlich.

Wir schreiben das Jahr 2054, die Geschicke von Paris werden längst von einem mächtigen Großkonzern namens Avalon geleitet. Doch trotz der allgegenwärtigen Technik und Kameraüberwachung, mysteriöse Verbrechen sind auch in Zukunft der französischen Metropole nicht fremd. Verbrechen wie die Entführung der schönen Wissenschaftlerin Ilona Tasuiev, die für genau diesen Konzern gearbeitet hat. Es liegt nun an Cop Karas, die verschwundene Frau ausfindig zu machen, was sich als ziemlich schwierig herausstellt. Umso mehr, da jeder, der etwas zu dem Fall beitragen könnte, unter ebenso mysteriösen Umständen stirbt.

Um einen Vorwurf gleich aus dem Weg zu räumen, der Renaissance von Anfang an begleitet hat: Ja, er ist Style over Substance. Mehr noch, man wird recht lange suchen müssen, um ein Beispiel zu finden, bei dem der Kontrast zwischen der Optik und dem Inhalt ähnlich riesig ist wie bei der europäischen Koproduktion aus dem Jahr 2006 – was hier Kompliment und Kritik in einem ist.

Zwei Besonderheiten sind es, die den Film von seiner zahlreichen Animationskonkurrenz unterscheidet. Da wäre zum einen das aufwendige Motion-Capturing-Verfahren, mit dessen Hilfe die Animationen einen ungeheuren Realitätsgrad erreichen. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil ansonsten alles dafür getan wird, eben nicht real zu wirken. Sämtliche Bilder sind hier in Schwarz-Weiß gehalten. In richtigem Schwarz-Weiß: Grautöne gibt es keine, ständig prallen helle und dunkle Flächen aufeinander, ohne sich je zu vereinigen. Damit ist auch der Vergleich zum ähnlich comichaft-stilisierten Sin City hinfällig, das immerhin noch Schatten zuließ.

Auch sonst sind der französische Regisseur Christian Volckman und sein Künstlerteam bemüht, dem Zuschauer optisch einiges zu bieten. Da wären zum einen die seltsamen Gebäude, in denen die Menschen der Zukunft hausen und in denen ungemein viel Glas verarbeitet wurde. Zum anderen ist der Blick auf diese Gebäude und damit das Geschehen oft etwas eigenwillig, etwa wenn wir die Figuren nur von unten sehen, sie also quasi über uns hinweglaufen. Auf große Details wird dabei verzichtet, was einerseits dem sehr stilisierten Look zugutekommt, zusammen mit dem starken Schattenspiel zumindest bei den Figuren aber problematisch ist: Leicht auseinanderzuhalten sind sie nicht, manchmal muss man schon genauer hinschauen, um zu erkennen, wer hier eigentlich was macht.

Wobei sich der Lohn für den vermehrten Aufwand eher in Grenzen hält, dafür ist der Inhalt letztendlich zu bescheiden. Die Welt an sich ist dabei noch überaus stimmig, gerade die überall anzutreffenden Hologramme und Werbungen, welche die Menschen hier auch wörtlich verfolgen, sind überaus effektive Mittel, um das düster-dystopische Science-Fiction-Szenario zu verstärken. Nur dass innerhalb dieses Szenarios keiner wirklich etwas Interessantes macht. Ein Cop, eine verschwundene Frau, eine Femme fatale – das sind schon sehr klassische Noir-Elemente, die hier mit einer Zukunftsvision verknüpft werden. Als Kombination ist das spannend, auf die reine Handlung reduziert jedoch nicht. Auch wenn zum Ende hin die Geschichte etwas anders verläuft als vielleicht gedacht und vorher auch so mancher ins schwarzweiße Gras beißen musste, gibt es während der Ermittlungsarbeiten so viel Leerlauf, dass man sich schon bald drauf nicht mehr erinnern wird, worum es eigentlich ging. Es ist schon schade, wie der Beitrag des Fantasy Filmfests 2006 sich so sehr mit nichtssagenden Klischees begnügt und dem beeindruckenden Äußeren nichts entgegenzusetzen hat, dadurch am Ende nicht mehr als gehobener Durchschnitt ist. Dennoch: Wer Animationsfilme eben auch der Optik wegen schaut, der sollte das Renaissance zumindest einmal gesehen haben – etwas Vergleichbares wird man in diesem Bereich kaum finden.



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„Renaissance“ ist ein visuell überwältigender Animationsfilm, dessen stilisierte, sehr kontrastreiche Schwarz-Weiß-Optik auch zehn Jahre später ihresgleichen sucht. Der Inhalt kann da nicht ansatzweise mithalten: Das Science-Fiction-Szenario ist zwar schön düster-dystopisch, die Krimihandlung um eine verschwundene Wissenschaftlerin aber recht langweilig.
6
von 10