Silent Heart
© movienet

Silent Heart – Mein Leben gehört mir

(„Stille hjerte“ directed by Bille August, 2014)

Silent Heart
„Silent Heart – Mein Leben gehört mir“ läuft ab 24. März im Kino

Viel Zeit bleibt Esther (Ghita Nørby) nicht mehr: Schon jetzt macht ihr Körper nicht immer das, was er soll, in wenigen Monaten wird sie kaum noch in der Lage sein zu greifen und zu laufen, selbst sprechen und atmen wird ihr durch ihre ALS-Erkrankung schwerfallen. Und so will sie lieber freiwillig aus dem Leben treten, so lange sie es noch kann. Vorher sollen sie aber alle noch einmal zusammenkommen: ihr Mann Poul (Morten Grunwald), die beste Freundin Lisbeth (Vigga Bro), die Töchter Heidi (Paprika Steen) und Sanne (Danica Curcic) sowie deren Männer (Jens Albinus, Pilou Asbæk) und Enkel Jonathan (Oskar Sælan Halskov). Gemeinsam wollen sie noch ein letztes schönes Wochenende erleben. Doch je näher der Stichtag kommt, umso größer werden die Zweifel, ob sie das mit dem Selbstmord tatsächlich so durchziehen wollen.

Zwei Menschen, eine Diagnose, aber völlig unterschiedliche Folgen: Auch wenn Esther und die Titelfigur des letzte Woche gestarteten Herbert mit ALS an derselben Krankheit leiden, sind die Geschichten kaum miteinander vergleichbar. Während der deutsche Film in erschreckenden Bildern zeigt, was es eigentlich bedeutet, wenn das eigene Nervensystem zunehmend degeneriert, soll genau das in Silent Heart verhindert werden. Stattdessen steht ähnlich wie in Hin und weg ein letztes Treffen vor dem Selbstmord im Mittelpunkt, der Umgang mit Krankheit und Tod sowie auch letzte Aussprachen.

Das macht Silent Heart weniger kraftvoll und weniger eigenständig, eigentlich ist der Film ein recht konventionelles Drama über Streitigkeiten und unausgesprochene Konflikte innerhalb der Familie, angereichert um die Schwierigkeit, sich voneinander zu verabschieden. Seine Momente hat die dänische Produktion aber zweifelsfrei: Leise und unaufgeregt stellt sie sich schwierigen Fragen rund zum Selbstmord. Ab wann ist ein solcher gerechtfertigt? Kann er es überhaupt sein? Mein Leben gehört mir lautet der deutsche Untertitel. Und es ist bemerkenswert, wie wenig das von den anderen Familienmitgliedern bestritten wird, wie wenig das Thema Verantwortung für die Hinterbliebenen zur Sprache kommt.

Wenn überhaupt, dann sind die Bedenken juristischer Natur, denn Sterbehilfe ist in Dänemark nicht erlaubt, im Gegensatz zu Hin und weg oder auch Und morgen Mittag bin ich tot steht keine Reise in eines der legalen Sterbehilfe-Länder an. Wenn Esther vorzeitig aus dem Leben scheiden will, dann muss sie es selbst tun. Das ist es dann auch, was die Situation im Vergleich zu anderen Selbstmordfilmen so besonders macht: Bald wird die alte Dame nicht mehr in der Lage sein, sich das Leben zu nehmen. Und so steht nicht die Frage nach dem „ob“ im Raum, sondern die nach dem „wann“, nach dem geeigneten Moment. Sollen wir so lange warten, wie es nur irgendwie geht und damit die letzten guten Momente mitnehmen? Oder treten wir lieber früher ab, so lange das noch in Würde und selbstbestimmt geht?

Stoff zum Nachdenken gibt einem Silent Heart also genug mit, ein Film zum Zurücklehnen und Wohlfühlen ist das neueste Werk von Bille August sicher nicht. Die ganz harte Kost packt der dänische Regisseur jedoch nicht aus, das ernste Thema wird von kleineren rührenden, manchmal auch humorvollen Momenten aufgelockert. Zum Ende hin wird die ruhige Erzählweise etwas unnötig zugunsten einer dramatischen Zuspitzung geopfert, da wäre eine Besinnung auf den Alltag schöner gewesen. Denn gerade der war zuvor sehenswert gewesen, wenn die dänische Grande Dame Ghita Norby und die beiden Filmtöchter Paprika Stehen und Danica Curcic gefühlvoll darum ringen, zumindest zum Ende hin die Familie zu sein, die sie zu Lebzeiten und unter normalen Umständen nicht hatten sein können.



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Ein Film über die Krankheit ALS ist das größtenteils ruhige „Silent Heart“ weniger, vielmehr dreht sich das dänische Drama um die Themen Selbstbestimmung und Verabschiedung. Das ist insgesamt etwas konventionell, beinhaltet aber schöne und gut gespielte Momente und Stoff zum Nachdenken.
7
von 10