Anhedonia
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Anhedonia – Narzissmus als Narkose

(„Anhedonia – Narzissmus als Narkose“ directed by Patrick Siegfried Zimmer and Robert Stadlober, 2016)

Anhedonia
„Anhedonia – Narzissmus als Narkose“ läuft ab 31. März im Kino

Im Jahr 2020 sind Hunderttausende Menschen an einer Krankheit namens „Anhedonie“ erkrankt, welche es ihnen unmöglich macht, noch Freude oder Befriedigung zu empfinden. Auch die Brüder Franz (Robert Stadlober) und Fritz Freudenthal (Wieland Schönfelder), Nachkommen einer schwerreichen Aristokratenfamilie, klagen über diese neuzeitliche Lustlosigkeit. Doch Hilfe naht in Form des renommierten Prof. Dr. Immanuel Young, der auf der abgelegenen Insel Seelenfrieden eine Therapie anbietet, um endlich wieder Spaß zu haben. Der Weg zur Heilung jedoch, der ist alles andere als spaßig.

Wer der Ansicht ist, deutsche Filme böten immer nur dasselbe, würden sich auf keine neuen Wege einlassen, der sollte sich einmal Anhedonia – Narzissmus als Narkose. Nicht, weil er so wahnsinnig gut wäre. Auch nicht, weil er so wahnsinnig schlecht wäre. Nein, er ist einfach nur wahnsinnig. Aber vielleicht auch nicht, das, wie so vieles andere auch, wird hier nie so ganz klar.

„In meinem Film geht es um die große Menschheitsfrage. Was ist denn das, das schöne Leben? Mein Film handelt von Freiheit, von Gerechtigkeit, von dem Glück, von dem Kapitalismus, vom Tod, von der Liebe. In meinem Film, da wird die entsetzliche Fratze der menschlichen Existenz aufgezeigt.“ Nein, es ist nicht Patrick Siegfried Zimmer, Regisseur und Autor von Anhedonia – Narzissmus als Narkose, der das sagt. Auch nicht Robert Stadlober, ebenfalls Regisseur sowie Hauptdarsteller. Das Zitat stammt von Schorsch Maria Bollerhuber (Matthias Scheuring). Der ist auch Regisseur. Aber einer im Film. Einer, der die Geschichte von Franz und Fritz inszeniert, die zwischendrin als nicht echt entlarvt werden.

Aber was ist schon echt in Anhedonia? Das Lachen sicher nicht, denn das stammt vom Band, wie bei einer schlechten Sitcom. Auch nicht die Begegnungen mit Marie-Estelle Antoinette Chevalier (Paula Kalenberg). Denn die ist nur ein Traum im Film im Film, passend begleitend von einem Franz, der nur in Echos spricht. Immer wieder wird hier die Ebene gewechselt, es gibt Ahnungen von einem größeren, zumindest aber anderen Leben. Mal kommentiert Blixa Bargeld als ungenannter, wohl aber abgebildeter Erzähler das Geschehen, während sein gerade gesprochener Text über ihn hinwegläuft. Dann wiederum wird in Aussicht gestellt, dass es Prof. Dr. Immanuel Young gar nicht gibt, sondern nur die Tonbandaufnahmen, die wir hören.

Das erinnert nicht nur aufgrund der häufigen Traumbilder und der surrealen Atmosphäre an „Alice im Wunderland“. So wie dort hat auch Anhedonia versteckt hinter absurden Momenten und Doppeldeutigkeiten eine Menge über die reale Welt zu erzählen. Auf Wortspielereien und groteske Kreaturen muss man hier zwar verzichten, normal ist hier dennoch wenig. Da laufen zwei Brüder in historischer Kleidung umher, siezen sich, verwenden dabei aber E-Reader und Headset. Cheflakai Rüdiger (Flo Fernandez) mit seiner verstellten Reibeisenstimme soll Franz mithilfe von Waffengewalt zum Spaß zwingen. Und wenn nichts mehr geht, der Teleporter funktioniert noch.

Dabei ist oft nicht klar, was Anhedonia eigentlich sein will, tiefsinnige Gesellschaftssatire und spaßorientierte Konsumkritik oder doch nur anarchischer Blödsinn? Lustig ist dieser sonderbare Film zumindest, selbst wenn man sich insgeheim nie ganz sicher ist, was davon nun auch tatsächlich als Witz gemeint war. Auch darüber darf man nach Herzenslust streiten, schließlich ist man als Zuschauer ebenso ahnungslos und aufgeschmissen wie die beiden Darsteller, die sich von dem chronisch cholerischen Schorsch anbrüllen lassen müssen. Eine wirkliche Auflösung gibt es nicht, man bleibt am Ende mit leeren Händen und der ganzen Welt zurück. Zwischenzeitlich kommt es trotz der nicht mal 80 Minuten zudem zu kleineren Leerläufen, da manche Szenen ein wenig zu sehr ausgekostet werden, einige Kniffe und Witze sich auch zu oft wiederholen. Aber auch wenn die ganz große Begeisterung nicht aufkommen mag, ist es schon schön, dass diese Ansammlung von ironischen Grenzüberschreitungen es in die Kinos schafft. Dort wird sie zwar sicher von nicht allzu vielen Leuten gesehen werden. Die Zuschauer, die es aber tatsächlich dorthin geschafft haben, die haben im Anschluss auf jeden Fall einiges an Gesprächsstoff für den Nachhauseweg.



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„Anhedonia – Narzissmus als Narkose“ ist ein lustig-seltsamer Film, der kontinuierlich Grenzen missachtet, absurder Traum und alberne Satire in einem ist. Das ist zwischendurch mit Längen verbunden, insgesamt aber bewundernswert anders und vielschichtig.
6
von 10