Pom Poko
© 1994 Hatake Jimusho – GNH.

(„Heisei tanuki gassen pompoko“ directed by Isao Takahata, 1994)

Pom Poko
„Pom Poko“ ist ab 19. Februar auf Blu-ray erhältlich

Seit Menschen- und Tiergedenken schon leben die Tanukis, magisch begabte Marderhunde, auf den Tama-Hügeln am Rande Tokios. Doch damit ist nun Schluss: Die ständig wachsende Bevölkerung in der Metropole erfordert neue Lebensräume, die Wälder der Hügel sollen Wohnungen weichen. Ganz kampflos wollen die Tiere den Verlust ihrer Heimat aber nicht hinnehmen. Und so beschließen sie, ihre berühmten Verwandlungsfähigkeiten zu nutzen, um die Baumaßnahmen aufzuhalten und ihrerseits die Menschen zu vertreiben.

Im umfangreichen Oeuvre von Studio Ghibli nimmt Pom Poko eine recht eigene Stellung ein. Während die meisten Filme des japanischen Animationsstudios sehr universelle Geschichten erzählen und mit Bildern arbeiten, die weltweit funktionieren, ist der tierische Überlebenskampf tief in der japanischen Mythologie verankert. Wer mit dieser bislang keine Berührungspunkte hatte, wird kaum verstehen, warum Tanukis (Waschbären ähnelnde Hunde) und Kitsunes (die japanischen Füchse) hier magische Kräfte haben. Auch so manche Anspielung und vereinzelte Witze sind kaum übertragbar.

Vor allem aber ist Pom Poko sehr untypisch für Isao Takahata. Eigentlich ist der Regisseur und Drehbuchautor für Geschichten bekannt, die sehr realistisch sind, das Leben in all seinen Facetten darstellen, siehe besonders seine beiden wohl berühmtesten Filme Die letzten Glühwürmchen und Tränen der Erinnerung. Und selbst, wenn er sich mal auf fantastischere Wege begibt, etwa bei seinem Abschlusswerk Die Legende der Prinzessin Kaguya, so spielen Menschen doch noch immer eine sehr große Rolle. Hier nicht. Zwar tauchen immer mal wieder welche auf, keiner von ihnen bleibt aber länger, sämtliche tatsächlichen Protagonisten entstammen dem Tierreich. Eigentlich würde man die Mär um die magisch begabten Tanukis auch eher bei Takahatas Studiomitbegründer Hayao Miyazaki vermuten, der sich immer wieder des ewigen Kampfes zwischen Mensch und Natur angenommen hat und für einen respektvollen Umgang mit der Umwelt warb.

Das tut Takahata hier auch, aber etwas anders. Zum einen sind die Rollen bei ihm sehr viel eindeutiger verteilt. Bestach Miyazakis Meisterwerk Prinzessin Mononoke gerade dadurch, dass es auf beiden Seiten gut und böse gab, liegen hier die Sympathien ausschließlich bei den verspielten Tanukis. Zudem ist in Pom Poko der Humor deutlich ausgeprägter und auch sehr viel derber, als es die meisten von Takahata gewohnt sind. Mit seinen sexuellen Anspielungen und der wiederkehrenden großen Bedeutung der tierischen Hoden, die hier schon mal als Waffe benutzt werden können, ist Pom Poko Takahatas hierzulande unbekanntem früheren Film Chie the Brat deutlich näher als den anderen zu Ghibli-Zeiten entstandenen. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch hier tragischer zugehen kann. Tatsächlich ist der 1994 veröffentlichte Streifen an manchen Stellen herzzerreißend und ausgesprochen düster. Bei Takahata dürfen Figuren sterben, sowohl auf der Tier- wie auch der Menschenseite.

Dieser Spagat ist dann auch eins der beiden Mankos, mit denen sich Pom Poko ein wenig herumplagt: Die Stimmung ist nie wirklich einheitlich, da wird zwischen absurd und todernst hin und her gewechselt, zwischen nachdenklich und ausgelassen. Für sich genommen ist keine der Szenen verkehrt, sie finden sich nur nicht ganz so gut zusammen. Vor allem aber sind es zu viele, mit knapp zwei Stunden ist der Film zu lang für das, was er zu erzählen hat. Wirkliche Fortschritte gibt es kaum, die innerhalb der Geschichte vergehenden Jahre fühlen sich zuweilen auch danach an.

Innerhalb des Gesamtwerks von Takahata ist Pom Poko deshalb auch eher am unteren Ende der Skala anzufinden. Das spricht jedoch in erster Linie für die hohe Qualität des Regisseurs, der selbst in seinen schwächeren Momenten einem Großteil der Konkurrenz haushoch überlegen ist. Denn lässt man einmal die hohen Erwartungen an den Altmeister außen vor, bleibt ein über weite Strecken unterhaltsamer und charmanter Film, dessen verspielte, alles andere als ideale Protagonisten einem schnell ans Herz wachsen. Zudem hat deren Auftritt kaum etwas an seiner visuellen Güte eingebüßt. Das Fehlen von größeren Spezialeffekten und die bewegungslosen Hintergründe werden manchen Zuschauern heute vielleicht etwas altmodisch erscheinen, die malerischen Szenerien und die erstklassigen Animationen haben aber nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Allein deshalb schon darf man sich darüber freuen, dass Pom Poko nun als einer der letzten Ghibli-Filme hierzulande auf Blu-ray erschienen ist und in einem Glanz erstrahlt, welcher ihm würdig ist.



(Anzeige)

Die Geschichte um magisch begabte Tiere, die sich gegen rücksichtslose Menschen zur Wehr setzen, mag aufgrund der nicht einheitlichen Stimmung und der Überlänge einer der schwächeren Werke von Isao Takahata sein. Für sich genommen ist „Pom Poko“ aber ein zeitlos schöner, witziger und charmanter Film, welcher in keiner guten Anime-Sammlung fehlen sollte.
7
von 10