Cemetery of Splendour
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Cemetery of Splendour

(„Rak ti Khon Kaen“ directed by Apichatpong Weerasethakul, 2015)

Cemetery of SplendourWas nur ist mit den Soldaten geschehen? Eigentlich sind sie kerngesund, es gibt keinen ersichtlichen Grund für ihren tiefen Schlaf. Und doch fallen sie in einen komaähnlichen Zustand, aus dem sie auch mit modernster Technik nicht erwachen. Die ehrenamtliche Mitarbeiterin Jen (Jenjira Pongpas Widner) ist eine der Frauen, die sich in einem improvisierten Krankenhaus um die Männer mit der mysteriösen Krankheit kümmert, kommt ihnen mit Hilfe des Mediums Keng (Jarinpattra Rueangram) näher. Dabei fühlt sie sich vor allem Itt (Banlop Lomnoi) verbunden, einem der dort untergebrachten Soldaten.

Es gibt Filme, die sich viel Zeit lassen und in großer Ruhe ihre Geschichte erzählen. Und dann gibt es da noch Cemetery of Splendour. Nein, müde sollte man nach Möglichkeit nicht sein, wenn man sich den neuesten Film des thailändischen Regisseurs und Drehbuchautors Apichatpong Weerasethakul anschaut. In dem Drama mag von Soldaten gesprochen werden, von wiedergeboren Göttinnen, von ewigen Kriegen. Doch im Ergebnis bedeutet das, Menschen beim Schlafen zuzusehen, immer wieder, teils minutenlang.

Langweilig? Ja, wenn man Filme der Handlung wegen schaut, denn von der gibt es hier nur wenig. Aber Cemetery of Splendour will eben kein Film sein, der von Handlung lebt, auch nicht von seinen Figuren. Es ist die Atmosphäre, die hier im Vordergrund steht, alles in sich aufsaugt. Streckenweise ist die absolut faszinierend, hypnotisch sogar, gerade auch weil die Geschichte der schlafenden Soldaten nicht ganz von dieser Welt ist. Je weiter das Ganze fortschreitet, umso stärker werden die Grenzen aufgehoben zwischen Realität und Traum, Gegenwart und Vergangenheit. Aber auch zwischen dem Bewusstsein des einen Menschen und dem des anderen.

Normalerweise bedeuten Traumwanderungen in Filmen, dass die Szenen immer surrealer werden, immer verrückter. In Cemetery of Splendour ist das jedoch nur bedingt der Fall. Hin und wieder wird es befremdlich, ja, so wie es die gesamte Prämisse ist. Aber es geht nie so weit, dass man sich absolut sicher sein kann, in welcher Welt wir gerade unterwegs sind. Die reale? Die eingebildete? Die erinnerte? Denn der Rückblick, er gehört bei dem thailändischen Drama fest dazu. Weerasethakul drehte hier nicht einfach einen Mysterystreifen, sondern setzt sich gleichzeitig mit dem Land und seiner Vergangenheit auseinander – wohlgemerkt, ohne sich zu allzu definitiven Aussagen hinreißen zu lassen. Dass er der von Militär beherrschten und immer wieder von Gewalt geprägten Monarchie kritisch gegenübersteht, ist kaum zu verkennen. Und doch ist Cemetery of Splendour zu persönlich, um ein Anti-Kriegs-Film zu sein, zu losgelöst von dem Leid, der durch Krieg verursacht wird.

Hässlich wird es hier nämlich fast nie, sieht man einmal von Jens seltsam deformierten Bein ab, das sie zwingt, an Krücken zu gehen. Ansonsten sind es eher betörende Bilder, die hier auf den Zuschauer losgelassen werden. Gerade weil man sich von dem Postkartenkitsch verabschiedet, der sonst gerne in Thailandfilmen gebraucht wird, und auch Musik nur sparsam eingesetzt wird, hat Cemetery of Splendour etwas Dokumentarisches an sich. Weckt in einem das Gefühl, tatsächlich vor Ort zu sein und abseits der Trampelpfade mit dem Land zu verschmelzen, seiner Geschichte und seinen Träumen. Und dafür lohnt es sich dann doch, die zwei Stunden wach zu bleiben.



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„Cemetery of Splendour“ ist ein befremdlicher Film, der nahezu ohne Handlung und ohne große Figuren auskommt. Die Geschichte einer Frau, die sich um komatöse Soldaten kümmert, wandert selbst immer wieder an der Grenze von Realität und Traum. Das ist sehr ruhig, für viele sicher auch langweilig, ist aber doch auch oft faszinierend, nicht zuletzt dank der betörenden Bilder.
7
von 10