Zweite Chance
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Zweite Chance

(„En chance til“ directed by Susanne Bier, 2014)

Zweite CHance DVD
„Zweite Chance“ erscheint am 17. September auf DVD und Blu-ray

Es ist ein schockierender Anblick, der sich den beiden Polizisten Andreas (Nikolaj Coster-Waldau) und Simon (Ulrich Thomsen) da bietet: Das Baby des Junkie-Pärchens (Nikolaj Lie Kaas, Lykke May Andersen) wurde im Schrank versteckt, verschmiert mit den eigenen Exkrementen. Für Andreas, der kürzlich selbst Vater geworden ist, ist die Vorstellung unerträglich, dass jemand das eigene Kind derart vernachlässigen kann. Doch ihm sind die Hände gebunden, das Gesetz erlaubt es nicht, den beiden den Sohn wegzunehmen. Als dann auch noch Andreas’ Junge nachts stirbt und seine Frau Anna (Maria Bonnevie) von Selbstmord spricht, tauscht er klammheimlich die beiden Babys aus – macht es damit aber umso schlimmer.

„Diese Leute sollten kein Kind haben“, entfährt es Andreas, als der die heruntergekommene Wohnung und das verwahrloste Baby sieht. Als Zuschauer fällt es nicht sonderlich schwer, dem zuzustimmen, zu grauenvoll ist das, was sich dem Auge bietet. Gerade durch den Kontrast zwischen dem gesellschaftlichen Bodensatz und der Vorzeigefamilie, zwischen der verdreckten Wohnung des eines Paares und dem Hochglanzhäuschen des anderen, soll deutlich werden, in welche Abgründe wir da blicken. Zweite Chance macht an der Stelle aber nicht Halt, will eben nicht nur eine deprimierende Milieustudie sein. Stattdessen wird das Elend mit einigen interessanten Fragen kombiniert. Wie geht man mit Leuten um, die sich nicht um ihre Kinder kümmern? Wann ist der Punkt erreicht, an dem man moralisch berechtigt ist, sie ihnen wegzunehmen?

Entsprechen verschwimmen hier zunehmen die Grenzen zwischen gut und böse, die eindeutigen Sympathien, welche man Andreas und Anna entgegenbringt, werden konstant neuen Prüfungen unterzogen. Die schöne Fassade des Polizistenpaares, sie verbirgt nicht minder hässliche Wahrheiten. Leider scherte man sich an dieser Stelle jedoch relativ wenig darum, was noch glaubwürdig ist. Vor allem die immer wahnsinniger werdende Anna will nicht so recht ins Bild passen, es wird nicht anschaulich genug belegt, warum Andreas mit einer so offensichtlich geistig kranken Frau zusammen ist und ein Kind gezeugt hat. Eine Folge der Geburt? Eine postnatale Depression? Eine einfache Überforderung mit der Aufgabe, sich um ein schreiendes Kleinkind zu kümmern? Das mag schon sein, nur wird nicht wirklich viel dafür getan, diesen Zustand näher zu erklären. Stattdessen kommt Anna lediglich als hysterisches Feuerwerk rüber.

Während Zweite Chance als Drama so einiges zu wünschen übrig lässt, ist der Thrillerpart deutlich stimmiger. Werden die anderen hinter das Geheimnis der vertauschten Babys kommen? In typischer Genremanier macht einen der Film zu Andreas’ Komplizen, lässt einen mitzittern, was nun auf ihn zukommt. Und das ist eine Menge, denn hier überschlagen sich bald die Ereignisse, ein fieser – wenn auch ziemlich übertriebener – Twist stellt später alles auf den Kopf. Leidlich spannend ist die dänische Genremischung also, zusammen mit den interessanten Ansätzen insgesamt auch durchaus einen Blick wert. Schade nur, dass eben beim Feinschliff so geschludert wurde und man sich oft mit zu wenig zufrieden gab.



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„Zweite Chance“ überzeugt mit einigen interessanten moralischen Fragen, später auch mit einer guten Portion Spannung. Dafür ist die Glaubwürdigkeit recht gering, man nimmt dem dänischen Thrillerdrama hier einiges nicht wirklich ab.
6
von 10