The Mirror Cracked From Side to Side
© BBC Worldwide Limited 1984/1992

Mord im Spiegel (1992)

(„The Mirror Crack’d From Side to Side“ directed by Norman Stone, 1992)

Miss Marple Collection
„The Mirror Crack’d From Side to Side“ ist als Teil der „Agatha Christie’s Miss Marple Collection“ erhältlich

Ganz St. Mary Mead ist in heller Aufruhr, denn die berühmte Schauspielerin Marina Gregg (Claire Bloom) will einen neuen Film drehen und sich dafür in dem Ort niederlassen. Sie lässt sich sogar überreden, ihren Garten für ein großes Festival zur Verfügung zu stellen. Die Freude darüber nimmt aber während der Feierlichkeiten ein jähes Ende, als eine der Gäste plötzlich stirbt, vergiftet durch einen Cocktail. Aber galt der Anschlag tatsächlich ihr? Oder war nicht doch Gregg das eigentliche Ziel? Jane Marple (Joan Hickson), die mit der Vorbesitzerin des Anwesens eng befreundet ist, nimmt sich des Falles an.

Alles hat ein Ende, auch die langjährige BBC-Reihe Miss Marple. Noch ein letztes Mal durfte Joan Hickson die berühmte Amateurdetektivin von Agatha Christie verkörpern. Warum man sich für den finalen zwölften Teil den Roman „The Mirror Crack’d From Side to Side“ aufgehoben hatte, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht scheuten die Verantwortlichen der TV-Produktion ja den Vergleich mit der hoch karätig besetzten Kinofassung Mord im Spiegel, welche zwölf Jahre zuvor erschienen war. Falls ja, dann war die Sorge unbegründet, denn der zweite Anlauf war deutlich gelungener. Während man sich dort zu sehr auf die Streitigkeiten zwischen Marina Gregg und ihrer Rivalin Lola Brewster versteifte und dabei den eigentlichen Krimiteil vernachlässigte, darf bei der 92er Variante fleißig gerätselt und spekuliert werden.

Eine Besonderheit dabei ist, dass es zwar viele Mutmaßungen gibt, wer denn Greggs Tod wünschen könnte, aber kaum echte Verdächtige. Und wie sollte das eigentlich funktionieren, mitten auf einer Party eine gezielte Person ermorden zu wollen? Die Lösung dafür ist ebenso simpel wie clever, kann eigentlich sogar ziemlich früh erraten werden, da die entscheidenden Hinweise diesmal nicht lange auf sich warten lassen. Nur dass man sie eben nicht als solche erkennt, diverser Ablenkungsmanöver Christies sei Dank. Natürlich muss der Zuschauer sich bei The Mirror Crack’d From Side to Side – der Film wurde wie zuvor auch They Do It With Mirrors nie ins Deutsche übersetzt, ist nur als untertitelte Fassung zu haben – mit diversen Ungereimtheiten und Zufällen abfinden, welche bei der britischen Autorin so oft zu finden sind.

Fans der Schriftstellerin dürfte das dann auch weniger stören, könnten jedoch mit anderen Änderungen hadern. Dass ein kompletter Mord dem Zeitdiktat zum Opfer fiel, ist schon ärgerlich genug, zumindest aber noch nachzuvollziehen. Überflüssig war es jedoch, den durch andere Filme der Reihe populär gewordene Superintendent Slack (David Horovitch) nachträglich in die Geschichte einzuschreiben. Denn der hat diesmal nichts anderes zu tun, als den eigentlich ermittelnden Detective Inspector Craddock (John Castle) zu kritisieren, was vielleicht komisch gemeint war, hier aber doch sehr ungelenk rüberkommt – und nicht so wahnsinnig viel mit dem Charakter der anderen Teile zu tun hat. Apropos filmübergreifende Widersprüche: Wie Mord im Spiegel auch dichtete The Mirror Crack’d From Side to Side Craddock zu einem Neffen Miss Marples um. Und das wird nicht nur Puristen irritieren, sondern auch die Kenner von Ein Mord wird angekündigt, wo John Castle ebenfalls besagten Inspector spielte. Nur dass der damals ein Fremder war, kein Blutsverwandter, woran sich sieben Jahre später offensichtlich aber niemand mehr erinnerte.

Trotz dieses dümmlichen Fauxpas und eines gehetzten Endes aber ist The Mirror Crack’d From Side to Side ein würdiger Abschluss der Reihe: Der Film fängt schön das Flair des ländlichen Englands in den 50ern ein, zeigt ein bisschen das dörfliche Leben im Wandel und natürlich den Kontrast zu dem Hollywood-Glitzer, der plötzlich vor der Tür steht. Selten wie hier erwachte dadurch St. Mary Mead auch durch die makellose Besetzung zum Leben, jener Ort, der Miss Marple als nie versiegende Quelle von Analogien diente, mit deren Hilfe sie die Fälle löste. Wie bei den Krimis mit der naseweißen Altjungfer üblich ist der Actionanteil gering, der Fokus liegt auf Gesprächen und Hypothesen, weniger auf handfester Ermittlung und tatsächlicher Spannung.



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Der letzte Teil der Miss-Marple-Filmreihe ist dank der guten Besetzung, des schön dargestellten Dorflebens und geschickter falscher Fährten ein würdiger Abschluss. Ein paar Unglaubwürdigkeiten muss man jedoch in Kauf nehmen, Puristen werden sich auch über ein paar unnötige Änderungen der Vorlage ärgern.
7
von 10