Circles
© Neude Mediopolis Filmproduktion GmbH

Circles

(„Krugovi“ directed by Srdan Golubovic, 2013)

Circles
„Circles“ ist ab 22. Mai auf DVD erhältlich

Als der junge serbische Soldat Marko (Vuk Kostić) während des Bosnienkriegs 1993 mit seinem Freund Nebojsa (Nebojša Glogovac) beobachtet, wie vier Soldaten den muslimischen Kioskbesitzer Haris (Leon Lučev) attackieren, kann er nicht einfach tatenlos zusehen. Doch sein mutiges Eingreifen hat Folgen – für das Opfer, für ihn selbst, für viele andere. Zwölf Jahre später hat sich Haris in Deutschland eine neue Existenz aufgebaut, Nebojsa arbeitet als Arzt. Wirklich entkommen konnte jedoch keiner diesem einen Tag, denn plötzlich werden sie und auch andere wieder mit der Vergangenheit konfrontiert.

Wie viele Menschenleben der Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 gekostet hat, wird wohl nie so genau geklärt werden können. Rund 100.000, so schätzt man, sind damals getötet worden, mehr als 2 Millionen flohen oder wurden vertrieben. Es ist jedoch nicht der Krieg als solcher, den das serbische Drama Circles da thematisiert, von der kurzen Anfangssequenz um Haris’ Misshandlung einmal abgesehen, spielt der Film ausschließlich in der Gegenwart. Die Langzeitfolgen sind es, für die sich Regisseur Srdan Golubovic hier interessiert, alte Wunden, die nicht schließen. Was ihn am meisten schmerzt, so sagt Markos Vater Ranko (Aleksander Berck) an einer Stelle, ist die Vorstellung, dass alles umsonst war. Dass anders als bei einem Stein, der ins Wasser geworfen wird und schöne konzentrische Kreise nach sich zieht, hier nichts übrig bleibt.

Und doch sind es hier eben gerade diese Kreise, die wir sehen und spüren dürfen. Was in der Mitte war, wie die Konfrontation Markos mit den Soldaten ausging, das erfahren wir lange Zeit nicht. Das macht Circles eingangs etwas verwirrend, weil der Film es vermeidet, seine Figuren groß vorstellen zu wollen. Während wir manche relativ leicht der Ausgangssituation zuordnen können, werden andere Beziehungen erst nach und nach enthüllt. Gleichzeitig ist das Drama dadurch auch ungemein spannend, denn krimigleich nähern wir uns der Wahrheit langsam an, setzen als Zuschauer die Puzzleteile Stück für Stück zusammen, freuen uns jedes Mal, wenn wieder etwas zusammenpasst.

Dabei ist die verschachtelte Erzählweise noch nicht mal zwingend notwendig, sondern vielmehr die Krönung eines ohnehin sehr bewegenden Dramas über Schuld und Sühne, über das Vergeben und Wiedergutmachung. Wie gehe ich mit den Tätern von einst um? Kann ich verzeihen? Muss ich das? Endet die Vergangenheit jemals wirklich? Durch die verschiedenen Konstellationen wird der Themenkomplex von verschiedenen Seiten beleuchtet. Und auch wenn gewisse Tendenzen bei den Antworten auf die schwierigen Fragen unverkennbar sind – gerade bei den warmherzigen Momenten rund um Ranko –, so überlässt es Circles am Ende doch dem Zuschauer, seinen eigenen Standpunkt festzulegen.

Allgemein agiert man hier doch recht zurückhaltend. Sehr viel Handlung gibt es in dem sehr ruhigen Film nicht, abgesehen von der etwas unnötig dramatischen Episode um Haris und einen anderen Landsmann, der aus seiner Heimat nach Deutschland geflohen, ist bei Circles das Wort Trumpf. Oder auch das Nicht-Wort, oftmals wird hier geschwiegen. Aber zu sprechen ist auch nicht wirklich nötig, mit Blicken und kleinen Gesten etablieren die Schauspieler schön anschaulich, wie es um sie und das Miteinander steht. Dazu gibt es eindringliche Bilder aus Natur und Stadt, oft etwas düster gehalten, die drei Schauplätze sind auch optisch leicht voneinander zu unterscheiden. Circles wird sicherlich nicht jedermanns Sache sein, dafür fordert das Unausgesprochene einfach zu viel Aufmerksamkeit, die zumeist introvertierten Charaktere bieten wenig Anlass zu befreiendem Kitsch. Wer sich aber auf derlei leise Filme einlassen kann, wird hier mit ganz grundlegenden und doch zu Herzen gehenden Situationen und Fragestellungen belohnt.



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Welche Auswirkungen haben alte Wunden auf ein Leben im Hier und Jetzt? Eindeutige Antworten gibt „Circles“ nicht darauf, nähert sich aber behutsam und von verschiedenen Standpunkten aus diesem Thema. Das ist meist sehr ruhig und ohne viel Handlung, aber eine lohnenswerte Reflexion über Schuld, Sühne und den Umgang mit der Vergangenheit.
8
von 10