Felidae
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Felidae

(„Felidae“ directed by Michael Schaack, 1994)

FelidaeFrankreich, natürlich, aber auch Tschechien, Serbien, England, Ungarn. Selbst nach Skandinavien sind wir bereits gereist. Doch ein europäisches Land fehlte bislang in unserem fortlaufenden Animationsspecial völlig: Deutschland. Höchste Zeit also, dies zu ändern. Aber seine Herkunft ist nicht der einzige Grund, weshalb Teil 45 ein sehr ungewöhnlicher Zeichentrickfilm ist.

Neues Heim, neues Glück? Davon ist Gustav überzeugt. Und so zieht der verhinderte Schriftsteller jedes Mal um, wenn ihn die Schreibblockade packt. Sein Kater Francis ist von den ständigen Ortswechseln weniger erfreut. Doch so schlimm wie dieses Mal war es wohl noch nie: Das Haus ist eine Bruchbude, stinkt nach Chemikalien und zu allem Überfluss liegt auch noch eine verstümmelte Katzenleiche im Garten. Der alte Artgenosse Blaubart, dem er dort begegnet, schockiert ihn zudem mit der Nachricht, dass dies bereits der fünfte Mord in kurzer Zeit ist. Gemeinsam versuchen die beiden, dem Täter auf die Spur zu kommen und machen dabei noch weitere grauenvolle Entdeckungen.

Katzen sind kleine, possierliche Haustierchen und damit die idealen Helden für harmlose Zeichentrickgeschichten? Nicht unbedingt. Felix the Cat erlebte zahllose bizarre Abenteuer, die selbst Erwachsenen einiges abverlangen, Garfield genießt aufgrund seines zynischen Humors auch nicht unbedingt Vorbildcharakter. Und dann wäre da natürlich noch Fritz the Cat, der 1972 sein Publikum mit Gewalt und Sex schockte. Tatsächlich hat Felidae einiges mit dem berüchtigten ersten Auftritt des Skandalkaters gemeinsam und ist ebenso wie der für ein älteres Publikum konzipiert. Dienten die ungewohnt expliziten Elemente seinerzeit jedoch der Belustigung und waren Teil einer deftigen Satire, ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Akif Pirinçci ein waschechter Krimi. Und ein guter noch dazu.

1989 schon – und damit 16 Jahre, bevor der Schafskrimi „Glennkill“ die Bestsellerlisten stürmte – bewies der deutsch-türkische Autor, dass auch Tiere gute Ermittler abgeben. Natürlich lebte „Felidae“ von seinem Gimmick, dass alle Protagonisten Katzen sind. Und ganz konsequent war Pirinçci bei seiner tierischen Abwandlung des Detektivromans auch nicht, denn um seine Geschichte voranzutreiben, gab er Francis die Gabe des Lesens, sein späterer Mitschnüffler Pascal kann sogar Computer bedienen. Fesselnd war der Roman trotz dieser eher ungelenken Elemente, gefiel durch seinen mysteriösen Plot, diverse verstörende Szenen, die schon fast dem Horrorgenre entstammten, und auch durch seinen Sprachwitz. Als einige Jahre später bekannt wurde, dass das Buch als Zeichentrick verfilmt werden sollte, durfte man daher gespannt sein, wie sich die Adaption von Michael Schaack (Werner – Beinhart, Das kleine Arschloch) schlagen würde.

Antwort: recht ordentlich. Natürlich musste der Roman etwas Federn lassen, denn die sehr von Monologen dominierte Erzählweise ließ sich nicht ohne weiteres auf die große Leinwand übertragen. Viele Gedankengänge wurden deshalb einfach weggelassen, was dem Film aber nicht immer gut getan hat. Vor allem die Ermittlung bekommt so etwas sehr Gehetztes, Francis Schlussfolgerungen sind ohne Kenntnis des Buches nicht immer nachvollziehbar. Und auch bei der düsteren Hintergrundgeschichte wird nur noch das Nötigste erzählt. Dass ein Zeichentrickfilm aufgrund des hohen Aufwandes und der damit verbunden Kosten gerne etwas kürzer gehalten wird, ist natürlich verständlich. Wer an Felidae jedoch primär der Krimielemente wegen Interesse hat, dem werden die weniger als 80 Minuten wohl kaum reichen.

Optisch ist das Ganze auf einem ordentlichen Niveau. Mit den Referenzen von Disney und Co. kann Felidae natürlich rein budgetbedingt nicht mithalten, gerade bei den Animationen gibt es Abstriche. Dafür sind die Hintergründe atmosphärisch geworden, und auch die Traumsequenzen von Francis wurden schaurig-schön umgesetzt. Die Actionsequenzen haben hierbei sogar hinzugewonnen. Witzig auch, dass die Geschichte tatsächlich aus der Perspektive einer Katze erzählt wurde. Die Dosenöffner in Francis’ Umgebung – wie Menschen in Buch und Film genannt werden – lassen größtenteils nur ihre Beine blicken, das Gesicht bleibt wie bei den Peanuts außerhalb des Geschehens.

Wer mehr über den technischen Prozess erfahren möchte, der darf im Bonus-Bereich der DVD lernen, mit welchen Mühen ein Zeichentrickfilm verbunden ist, weshalb er zumindest im Westen auch immer weiter ausstirbt. Der überschaubare Erfolg des Katzenkrimis dürfte hierzulande auch nicht unbedingt das Bedürfnis geweckt haben, düstere Zeichentrickfilme für Erwachsene zu produzieren. Die seinerzeit rund 300.000 Zuschauer waren zwar kein Flop, im Vergleich zum mehrere Millionen starken Werner aber doch eine Enttäuschung – und das obwohl mit Ulrich Tukur (Francis), Mario Adorf (Blaubart) und Klaus Maria Brandauer (Pascal) die drei Protagonisten prominente Synchonsprecher fanden. Eine Fortsetzung hat es aus diesem Grund dann auch nie gegeben, obwohl in Buchform gleich mehrere seither erschienen sind. Und das ist durchaus schade, denn trotz seiner kleineren Schwächen ist der erste Teil auch zwanzig Jahre später noch eine lohnenswerte Angelegenheit.



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Ein düsterer Zeichentrickfilm über eine Katze auf Mördersuche? Das ist nicht nur im genrearmen Deutschland etwas Besonders. Tatsächlich gefällt die optisch ordentliche Romanverfilmung durch ihren mysteriösen Plot und atmosphärische Hintergründe. Bei der Umsetzung musste jedoch manches gekürzt werden, was dem Krimiteil nicht unbedingt gut getan hat.
7
von 10