10 - Die Traumfrau

10 – Die Traumfrau

(„10“, directed by Blake Edwards, 1979)

“Be careful sir, you shouldn’t mix drugs and alcohol.

[laughs] You could have fooled me.”

10 entstand in der letzten Hochphase des legendären Regisseurs Blake Edwards, der sich zwar für Kinoklassiker wie Frühstück bei Tiffany oder Der rosarote Panther verantwortlich zeigte, aber nach seinem Hit Der Partyschreck 1968 zahlreiche Flops durchleiden musste. Missouri wurde von der Produktionsfirma verstümmelt, Darling Lili und Das Carey Komplott sowie Die Frucht des Tropenbaums machten gigantische Verluste an den Kinokassen. Nach diesen Rückschlägen brauchte es Schauspieler Peter Sellers, der Edwards aus der Misere helfen konnte – indem sie gemeinsam mehrere Filme über den schusseligen Inspektor Clouseau drehten.

Bevor Blake Edwards sich 1982 mit der bissigen Satire S.O.B. an der Hollywood-Maschinerie rächte, drehte er 10, einen Erfolg an Kinokassen und bei Kritikern, der aus dem Schauspieler, Pianisten und Komponisten Dudley Moore einen Garant für Publikumserfolge machte und der den Zuschauer mit einer jungen Dame namens Bo Derek bekannt machte, die zum Sexsymbol einer ganzen Generation werden sollte. Es ist kein Geheimnis, dass Ravels „Bolero“ erst durch die legendäre Sexszene in „10“ zu seinem heutigen Ruhm gelangt ist, wenn Moore versucht nachzuempfinden, warum seine Angebetete Derek das Stück als einzige Musik beschreibt, die den sexuellen Akt derart exakt in Töne umsetzen kann.

Dudley Moore spielt George Webber, einen erfolgreichen Komponisten, der in Beverly Hills seine Tage damit verbringt, morgens mit seinem Freund und Kollegen Hugh (Robert Webber) an neuen Songs zu arbeiten und am restlichen Tag seine freizügigen Nachbarn mit einem Fernrohr zu bespannen. Für diese Beschäftigung hat Georges Lebensgefährtin Samantha (Julie Andrews) nur wenig übrig und kritisiert ihn oft für dieses geschmacklose Hobby, ohne etwas an der Einstellung des Komponisten ändern zu können. Ein folgenschwerer Vorfall für George ist sein 42. Geburtstag, der ihn in eine tiefe Midlife-Crisis stürzt, mit der er nicht umgehen und wobei ihm auch sein Therapeut nicht behilflich sein kann. Eines Tages, als der Komponist sich auf dem Weg nach Hause befindet, begegnet ihm jedoch ein junges Mädchen, das sein Leben schlagartig verändern soll, denn die junge Dame, die in einem Hochzeitskleid an ihm vorbeifährt, ist das hübscheste Wesen, das der alternde Künstler je gesehen hat.

All seiner Sinne beraubt fährt er ihr nach, wohnt sogar heimlich ihrer Hochzeit bei und fortan bestimmt diese Frau sein ganzes Leben, denn fieberhaft versucht George herauszufinden, wer diese Dame ist, die ihn derart verzaubert hat. Während Samantha unter der geistigen Abwesenheit ihres Geliebten leidet, bringt dieser den Namen der schönen Unbekannten in Erfahrung und erfährt auch, dass sich diese nun auf ihrer Hochzeitsreise in Mexiko befindet. Kurzentschlossen ruft George bei einer Fluggesellschaft an, um einen Flug nach Mexiko zu buchen. Diese Reise wird nicht nur für den geistig verwirrten Komponisten zu einem Abenteuer…

Viele Regisseure haben sich mit dem Thema des alternden Mannes auseinandergesetzt, der in der Mitte seines Lebens auf jüngere Frauen hereinfällt und oft genug war dies Stoff für mal mehr, mal weniger gelungene Komödien, von denen Gene Wilders Die Frau in Rot vielleicht die bekannteste ist, obwohl auch dieser Film nur ein Remake des französischen Originals Ein Elefant irrt sich gewaltig darstellt. Während Gene Wilders Film eher aus oberflächlichem Slapstick besteht, schafft es Blake Edwards in seine Version der unvergänglichen Geschichte menschliche Wärme einzubringen, die den Film sehenswert macht. Obwohl Edwards teilweise auch in den für ihn typischen Slapstick verfällt, der in vielen Fällen alt und verbraucht wirkt, ist ihm hiermit ein insgesamt ruhiger, stiller Film gelungen, der eher fortwährend zum Schmunzeln, denn zum lauten Lachen anregt, was einigen klugen, scharfsinnigen Observationen zu verdanken ist, die in diesem Werk für Amüsement sorgen.

So ist ein sich entwickelnder Running Gag die Kommunikationsstörung zwischen George und seiner geliebten Samantha, die er telefonisch nie erreichen kann – ein einfaches Symbol für die großen Differenzen der beiden Personen, aber zumindest eines, das gut funktioniert und auf humorvolle Art und Weise die Beziehung der Charaktere analysiert. Ähnlich wie auch bei Woody Allen ist hier das Schlafzimmer der einzige Raum, in dem ein Ehepaar ernsthafte Kommunikation betreiben kann, wobei abendliche Konversationen eines müden Ehepaares hier in abwertenden Gesprächen satirisch auf die Spitze getrieben werden. Am Stärksten sind jedoch – wie eingangs erwähnt – nicht die komischen, sondern vielmehr die ruhigen und nachdenklichen Momente, die dank eines großartigen Dudley Moores zu berühren vermögen.

Am eindrucksvollsten beweist das vielleicht die Szene in der Hotelbar in Mexiko. Es ist Nacht, die Beleuchtung ist schummerig, von allen Seiten strahlen schwache rote und grüne Farben, als sich Moore ans Klavier setzt und seinen neuen Hit improvisiert. Die Umstehenden sind gebannt vom Talent dieses leidenschaftlichen Mannes, der seine Erfüllung in der Musik findet und nehmen nicht mehr den verwirrten Trottel in ihm wahr. In perfekter Symbiose mit der Musik von Henry Mancini spielt Blake Edwards gekonnt auf der Klaviatur der Gefühle, ohne das sein Film zu einer schwermütigen Farce wird, obwohl der Streifen fortwährend von einer lakonischen Melancholie durchzogen ist. 10 ist die unterhaltsame Odyssee eines verwirrten Mannes in der Midlife-Crisis, der zu sich selbst finden muss und in der atemberaubend schön gefilmten Bo Derek seine Traumfrau sucht.



(Anzeige)

8
von 10