Die Killer

Die Killer

(„The Killers“, directed by Robert Siodmak, 1946)

„Don’t ask a dying man to lie his soul into Hell.”

Kurz vor sechs Uhr. Ob abends oder morgens spielt keine Rolle. Auf den Straßen ist es dunkel. Straßenlaternen werfen grelles Licht auf den Asphalt. Zwei Schatten bewegen sich suchend umher. Die Tür zu einem Café fliegt auf und zum ersten Mal sieht man ihre Gesichter. Sie treiben ihre Späße mit dem Kellner. Bedrohliche Mimik, gestochene Dialoge, cool wie aus einem Tarantino-Film. Dass die beiden Gestalten nichts Gutes im Sinn haben, wird sofort deutlich. Die Angestellten werden bedroht, gefesselt und geknebelt. Man wartet schließlich. Doch der Erwartete trifft nicht ein. Ausgerechnet an diesem Tag kommt der „Schwede“ nicht. Die Männer stört das nicht. Sie werden ihn an diesem Tag noch erschießen, soviel steht fest.

In diesem Café kennt man den „Schweden“. Man versucht ihn zu warnen, bevor es zu spät ist. Doch der Schwede (Burt Lancester) will sich nicht helfen lassen. Er weiß, dass er keine Chance hat und auch, dass die Polizei ihm nicht mehr helfen kann. Seelenruhig wartet er zuhause auf sein Schicksal, dass wenig später mit acht Kugeln in seinem Leib besiegelt werden soll. Ein Mann in der Blüte seines Lebens, der seelenruhig auf seinen Tod wartet, weil er einmal einen großen Fehler begangen hat. Ein interessanter Fall – weniger für die Polizei, als vielmehr für den Versicherungsermittler Jim Reardon (Edmund O’Brien), der zunächst nur die Lebensversicherung des Schwedens in Höhe von 2.500 $ an eine Fremde auszahlen soll, bald aber Interesse an dem ungewöhnlichen Fall bekundet. Was war der Fehler des Toten? Reardon beginnt, in der Vergangenheit des Mannes zu stöbern, der einst als Boxer erfolgreich war, dann jedoch in die falschen Kreise geriet und in die Fänge einer zerstörerischen Femme fatale (Ava Gardner).

Die Beleuchtung bewegt sich außerhalb des Geschehens, strahlt im Hintergrund, um die Gesichter der handelnden Charaktere im Dunkeln zu lassen. Ein purer Film-Noir mit einem jungen Burt Lancester, der mit seinem Leben längst abgeschlossen hat. Das Interessanteste an diesem Klassiker von Robert Siodmak ist vielleicht die Überzeugung des Zuschauers, Lancester sei das unschuldige Opfer, das es zu rächen gilt. Doch Die Killer, basierend auf einer Kurzgeschichte von Ernest Hemingway, folgt nicht diesen Regeln des optimistischen Hollywood-Films und bald beginnt die Fassade des traurigen Helden zu bröckeln, bis von dem Mysterium des Schweden kaum noch etwas übrig geblieben ist. In den stärksten Szenen des Films geschieht dies vollkommen ohne Dialog, indem Siodmak die Gesichter seines Charaktere studiert, um den Zuschauer erfahren zu lassen, was die kürzlich geschehenen Ereignisse für sie bedeuten, welche verdrängten Ängste wieder aufbrechen.

Denn im Grunde ist The Killers ein Film über zerbrochene Träume und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung, der von zu vielen Menschen abhängt, als das er wirklich erfüllt werden kann und letztlich beim Versuch nicht nur das eigene Leben zerstören kann. Dieses Porträt gescheiterter Existenz wird zunächst in nicht chronologischer Reihenfolge durch Erinnerungen der Weggefährten des Schweden rekapituliert, ehe sich Erinnerungsfetzen zu einem immer dichteren Netz zusammenschließen. Mit diesem Konzept ist Die Killer konsequent, absolut stilsicher und ohne Längen. Wie in Citizen Kane wird hier die Lebensgeschichte eines zwielichtigen Mannes geschildert – in bedrohlichen schwarz-weißen Bildern, mit interessanten Charakteren, gestochen scharfen Dialogen und schmutziger Poetik. Pessimistisch, unwiderstehlich und zu jeder Zeit packend.



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