Jagdzeit

Jagdzeit – den Walfängern auf der Spur

(„Jagdzeit – den Walfängern auf der Spur“ directed by Angela Graas, 2010)

Kann eine Dokumentation über illegalen Walfang, deren Inhalt von vornherein polarisiert und Sympathiepunkte auf sich zieht, über 88 Minuten unterhalten? Derzeit boomen ja Filmdokumentationen, die sich mehr oder weniger an ein aufgeklärtes oder noch aufzuklärendes, bildungshungriges Publikum richtet. Die Frage ist dabei, wer sich solche Filme anschaut und was sie beim Zuschauer bewirken. Ambitionierte Filme wie Jagdzeit von Angela Graas werden meist ohnehin von bereits aufgeklärten Rezipienten angeschaut. Walfangbefürworter werden wohl kaum Jagdzeit anschauen. Was kann ein solcher Film noch dazu beitragen?

An Bord des Greenpeace-Schiffes Esperanza machen sich 37 „Idealisten“ auf eine lange und gefährliche Reise ans südliche Ende der Welt. Sie wollen die japanische Walfangflotte in der Antarktis aufspüren. Japan plant unter dem Deckmantel der Wissenschaft über 1.000 der friedlichen Meeressäuger im Walschutzgebiet im Südpolarmeer zu töten. Die getöteten Wale landen jedoch in japanischen Restaurants. Die Mannschaft der Esperanza will das verhindern.

Heath, der Sunnyboy aus Florida, der sonst auf einer Luxusyacht arbeitet, Mir, der charmant-chaotische Funker aus Panama, Irene, die schwedische Webeditorin, die beschlossen hat nur noch Sinnvolles zu tun, Sakyo aus Japan, der zu Hause als Landesverräter angefeindet wird und ein mürrischer Kapitän, der mit besonderem Humor die riesige Verantwortung trägt, die auf ihm lastet.

Denn Frank muss die Esperanza nicht nur sicher über das stürmische Südpolarmeer bringen, sondern es liegt auch an seinen Fähigkeiten, die Walfangflotte im endlosen Eisrand zu finden. Japan setzt alles daran, um einer Konfrontation mit der Esperanza auszuweichen. Im Wettlauf mit der Zeit kämpft die Mannschaft mit den Herausforderungen des Eismeeres, Heimweh und Versagensängsten. Besonders eine Frage wird im unerwarteten Verlauf mit der Zeit bohrender: Lohnt es sich überhaupt (noch), für seine Ideale zu kämpfen?

Im Grunde sind mit dem Plot alle grundlegenden Zutaten für einen Thriller beisammen. Drama und Spannungsbogen ergeben sich aus der Natur der sich gegenüberstehenden Interessensgruppen. Die Konfrontation und damit der Konflikt ist damit von vornherein vorprogrammiert. Und tatsächlich kann der Film fast über die Gesamtlänge fesseln. Aufgelockert durch zahlreiche amüsante Passagen und beeindruckende Naturaufnahmen, die allesamt gestochen scharf und in tollen Einstellungen aufgenommen wurden, bietet die Doku von Graas auch abseits des Konflikts noch genug Stoff zur Unterhaltung.

Es ist in inhaltlicher Hinsicht natürlich schwer eine objektive Haltung einzubehalten, obwohl Graas nur die Protagonisten zu Wort kommen lässt und nur am Anfang und Ende durch Fakten einige Sätze einstreut. Der ganz große Kampf „David gegen Goliath“ bleibt aus – soviel sei vorweggenommen. Darin wird deutlich, dass der actionreiche Showdown, wie er die letzten Jahre ja durchaus vorprogrammiert war, eben doch nicht garantiert ist.

Aber die kühnen, ja sogar heldenhaften Einsätze – Schlauchboot zwischen Harpune und Wal – kennt man ohnehin aus Internetclips und Nachrichten. Und auf diese Weise bietet Jagdzeit neue, noch unverbrauchte Bilder. Man bekommt den alltäglichen Kampf gegen die Seekrankheit genauso zu sehen wie eine Neujahrsfeier im Südpolarmeer. Meist zeigt die tolle Kamera von Alberto Venzago zur akzentuiert eingespielten klassischen Musik von Sebastian Pille, die dankenswerterweise nie zu dick aufträgt, erwartungsvolle Gesichter zwischen Bangen und Hoffen. Graas ist ein äußerst sehenswerter Dokumentarfilm über ein erschütterndes Thema gelungen. Hier wird einmal mehr deutlich, wie fatal das starre festhalten an Traditionen manchmal werden kann.

Jagdzeit erscheint am 15. Oktober auf Blu Ray und DVD



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