A Serious Man

A Serious Man

(„A Serious Man“ directed by Joel & Ethan Coen, 2009)

Die Coen-Brüder behalten ihr wahnsinniges Produktionstempo bei und bringen nach ihrem letzten Streich von 2008 mit A Serious Man bereits den nächsten Film in die Kinosäle. Ganz nach dem Motto back to the roots kehren sie wie damals in Fargo in ihren Heimatstaat Minnesota zurück, wechseln allerdings die verschneiten Tapeten mit warmen Farben. Basierend auf eigenen Kindheitserinnerungen nehmen die Coens diesmal eine kleine jüdische Gemeinde unter die Lupe. Sie entführen ihr Publikum vierzig Jahre in die Vergangenheit, das in gewohnte Manier auf alles gefasst sein muss.

Larry Gopnik (Michael Stuhlbarg) führt ein anständiges und seriöses Leben in einer typisch amerikanischen Vorstadtsiedlung. Er fährt einen Mittelklassewagen, seine vierköpfige Familie ernährt er indem er als Physikprofessor an der Uni arbeitet und als gläubiger Jude spielt natürlich auch seine Religion einen ernstzunehmenden Faktor. Als aber plötzlich seine Frau Judith (Sari Lennick) ihm erklärt sie werde sich von ihm scheiden lassen, da sie mit seinem Freund und Wittwer Sy Ableman (Fred Melamed) Zusammensein möchte, beginnt die Fassade langsam zu bröckeln.

In den ca. 100 Minuten Spielzeit demontieren die Coens Gopniks Spießerleben Stück für Stück und sperren schlussendlich die Zuschauer mit einem fast schon unverschämten Ende einfach vor die Tür. Zuvor bemühen sie sich allerdings redlich alle ihre Figuren durch den Kakao zu ziehen. Neben der Scheidung kommen noch weitere familiäre Probleme dazu. Wenn etwa sein pubertierender Sohn heimlich kifft und ein  kostspieliges Platten-Abo auf Daddys Namen bestellt, oder seine Tochter ihre Körperhygiene mehrmals die Woche städtischen Salons anvertraut da Larrys arbeitsloser Bruder (Richard Kind) ständig das Badezimmer besetzt ist Ärger vorprogrammiert.

Der Gang zum Rabbi um Rat und Seelsorge zu erhalten erscheint da nur als logisch schließlich läuft es beim Job auch nicht so wie es sein sollte und wer soll dann noch die ganzen Rechnungen begleichen? Der Kenner ist dies zwar alles schon gewöhnt, was hier aber besonders auffällt ist dass die Brüder auch nicht davor zurückschrecken die jüdische Glaubensgemeinde aufs Korn zu nehmen. Nicht nur in den USA stellt dies quasi ein Tabuthema dar doch wenn im Abspann auch noch frech „No Jews were harmed in the making of this motion pictureerscheint, müssen selbst die letzten (absolut unkorrekten) Antisemitismusvorwürfe mit einem Schmunzler fallen gelassen werden. Interessant ist sicherlich auch dass die Brüder auf große Stars verzichten und bewusst nur Darsteller jüdischen Glaubens an Board holten. Dies ist was Punkto Qualität angeht aber keineswegs ein Manko, denn die Crew macht ihre Arbeit sehr gut.

Hervorhebenswert ist aber vor allem der Hauptdarsteller Michael Stuhlbarg der seinen zurückhaltenden und „Scheiße schluckenden“ Charakter vorzüglich mimt. Der rabenschwarze Humor wird mit Sicherheit nicht jedermanns Sache sein und ehrlich gesagt hatte ich öfters das Gefühl dem Ganzen nicht ganz folgen zu können. Vielleicht liegt dies an der mangelnden Bibelkenntnis vielleicht aber auch an der konfusen Erzählstruktur der Coens, sofern man da überhaupt noch ein Muster ausfindig machen kann. Wie bereits bei Burn After Reading empfand ich das Tempo als sehr lahm und ziehe die Coen-Streifen vor bei denen man doch etwas an der Hand geführt wird. Eine Empfehlung für ein Kinoticket kann ich von daher nur bedingt aussprechen.

UPDATE:

In drei Tagen (13.08) erscheint das Disc-Release, Grund genug den Artikel mit einem kurzen Preview Update aufzufrischen. Die DVD kommt sozusagen mit standardmäßigen Extras daher, die allerdings ein paar kleinere Leckereien enthalten. So werden zum Beispiel sämtliche im Film verwendete jiddische Begriffe übersetzt und/oder erklärt, was für das Gesamtverständnis doch sehr hilfreich ist. Auch die ansonsten meist langweiligen Lobhudelei-Interviews fand ich höchst interessant. Es ist für mich immer wieder verblüffend wie Schauspieler ihre Zusammenarbeit mit den Coens mit wohlwollenden Worten erläutern. Bei solchen Perfektionisten möchte man meinen ständig unter höchstem Druck zu stehen, doch glaubt man den Befragungen, trifft das überhaupt nicht zu.

Bei den vielen, enthaltenen Featurettes wäre allerdings weniger mehr gewesen, am Ende sind diese doch sehr redundant ausgefallen und lassen die Sonderausstattung somit auf  pralle 90 Minuten anschwellen. Bei der sogenannten B-Roll, darf der Zuschauer unkommentiert die Brüder bei ihrer Arbeit beobachten. Technisch gesehen bietet die DVD, wenn hochskaliert, ein doch sehr scharfes und klares Bild, auch beim Ton kann man nicht meckern. Der Originalton und auch die deutsche Synchronisation wird im 5.1. Dolby Digital klar wiedergegeben. Wie immer gibt es bei mir auch ein Daumenhoch für das Wendecover.

Inhaltlich gesehen, brachte die Zweitsichtung im Heimkino keine großen Überraschungen. Immer noch mag ich den Film und ja, immer noch ist der Rhythmus sehr zäh und mühsam, der Humor äußert gewöhnungsbedürftig und Stuhlbarg einfach phänomenal. Lauscht man übrigens die englische Tonspur gewinnt A Serious Man nochmals deutlich an Witz, vielleicht liegt das aber auch ein klein wenig daran, dass ich mich diesmal auf mehr Details konzentrieren konnte.

Das damals von mir als mit fast schon unverschämt beschriebene Ende muss nochmals hervorgehoben werden und darf ruhig auch ohne dem Wörtchen „fast“ gehandelt werden. Ein herrliches Paradebeispiel von dem was die Coens seit Jahren praktizieren: Hollywood das nicht Hollywood sein will, zumindest nicht was die neuzeitlichen, ideenlose Remakesintflut und Comicverschandelungen angeht.



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