Explosion des Schweigens

Explosion des Schweigens

(„Blast of Silence“ directed by Allen Baron, 1961)

„Nice view we have here.“

Das Erste, was man sieht ist ein schwarzes Nichts. Irgendwo, weit entfernt, nähert sich etwas Helles, das ganz allmählich immer mehr Gestalt annimmt. In Blast of Silence wird der Antiheld Frank Bono geboren, der sich in einem Zug befindet, auf dem Weg nach Manhattan, sich immer weiter dem Licht nähernd, das ihn ins Verderben stürzen wird. Für ihn ist es der Geburtskanal, der ihn direkt in den Schlamm und Schmutz des Lebens wirft. Allen Barons Film ist einer der ersten Vertreter des neuen amerikanischen Independentsfilm, zu denen auch beispielsweise John Cassavetes Schatten gehörte, der 1959 entstand, ebenso wie Explosion des Schweigens, der in dem besagtem und folgenden Jahr gedreht wurde.

Technisch imperfekt und wacklig, mit Laien als Schauspielern sowie einem Plot als Basis, der die Bezeichnung „Handlung“ kaum verdient, ist dieser schmutzige Noir-Film gerade deshalb ein seltenes Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Allen Baron, Regisseur und Drehbuchautor dieses Werks, spielt den Auftragskiller Frank Bono, der in einem Zug aus Cleveland in Manhattan ankommt, um dort einen Auftrag auszuführen. Eigentlich ist er nicht viel anders als die klischeehaften Karikaturen eines emotionslosen Killers, die uns Hollywood in all den Jahrzehnten – vor allem im Film Noir – präsentiert hat. Das oberste Gesetz für diese Mörder ist es, so wenig wie möglich zu reden – das beherzigt Allen Baron, doch er fügt eine neue und ungewöhnliche Facette hinzu, indem er fortwährend einen Monolog seines Hauptcharakters rezitieren lässt. In der zweiten Person wohlgemerkt. Obwohl Bono sich äußerlich und seitens seines Verhaltens nicht von den Prototypen seiner Berufsgruppe unterscheidet, erfährt der Zuschauer in diesem Fall alles über seine Gedanken und seine Gefühle. Entgegen allen Erwartungen hat dieser nämlich welche, auch wenn er zusehends unter ihnen leidet und von diesen Leiden nur durch den Tod erlöst werden kann.

Er sagt nicht viel, da sich alles in seinem Kopf abspielt, wo er uns mit seinen Ängsten vertraut macht, in dem er über fast die gesamten 74 Minuten einen Monolog von sich gibt, in dem er sich verzweifelt von seinen Ängsten und seinem Hass freisprechen will. Doch natürlich funktioniert das nicht. In Manhattan soll er den Boss eines Verbrechersyndikates erledigen, doch dabei kommt ihm einiges in die Quere. Blast of Silence funktioniert daher weit weniger als stringente Handlung, sondern eher als eine Verkettung von Ereignissen, mit denen sich Bono konfrontiert sieht und wären da nicht diese Monologe, würden wir wohl überhaupt nicht wissen, wie dieser mit Eis gepanzerte Verbrecher auf sie reagiert. Der Aufenthalt in der pulsierenden Stadt wird für ihn aufgrund dieser unwillkommenen Zwischenfälle zu einem wahren Höllentrip. Zunächst einmal ist da sein alter Kollege, der ihn ganz zufällig in einer Bar trifft und ihn mit Lori (Molly McCarthy) zusammenbringt, einer jungen Frau, für die Bono bereits in früheren Zeiten viel übrig hatte. In einem Anfall von Leidenschaft kommt es sogar soweit, dass er sie fast vergewaltigt hätte, wäre sie nicht im Stande gewesen, sich rechtzeitig loszureißen.

Die Monologe wiederum dienen hierfür fast als Rechtfertigung – was sollten sie auch sonst tun, ist es doch niemand anderes als der gefallene Engel selbst, der versucht, sich dadurch zu erhöhen und sich zu einer gottgleichen Gestalt zu formen, obwohl er selber weiß, dass er davon so weit entfernt ist, wie der Teufel es vom Weihwasser sein sollte.Das Leben wäre für ihn einfacher, gäbe es da nicht noch einen schmierigen Kontaktmann, der den Plan Bonos durchschaut hat und ihn nun zu erpressen versucht. Eine unangenehme Situation für den Killer. Deshalb gibt es nur eine Möglichkeit: der Erpresser muss beseitigt werden. Damit beginnt jedoch ein langer und nervenaufreibender Prozess, seine eigene Haut zu retten – all das wird nicht einfacher, als sich Bono entschließt, den Job aufzugeben und er nun auch seine Auftraggeber fürchten muss…

Schon bald steht fest, dass (wahrscheinlich gerade durch den Zutritt zu den intimsten Gedanken) Frank Bono anders ist als die anderen Auftragsmörder, der seinen Job hasst, ihn kaum noch ertragen kann, ihn aber auch für notwendig erachtet. Nicht unbedingt aufgrund des Geldes, sondern aufgrund seines tief verwurzelten Hasses gegenüber der gesamten Gesellschaft, der ein Ventil sucht. Das gute Zureden von Frank Bono selber, das er diesen Job machen müsse, da er von Gott dafür bestimmt wurde, Menschen wie den Gangsterboss zu beseitigen, wäre gar nicht notwendig.

Sowohl er, als auch der Zuschauer weiß, dass es für diesen Job keinen Ungeeigneteren gibt als ihn, er gleichzeitig ohne diese Mordarbeit aber auch endgültig an seinem Hass zerbrechen würde. In dieser Hinsicht sind die inneren Monologe ein interessanter Kniff, der besonders prägnant auf einer Party zum Tragen kommt, auf der die Gäste nicht ahnen, mit wem sie dort ihren Alkohol zu sich nehmen: einem lebensmüden Auftragskiller, der den gesamten Hass der Welt in sich zu vereinen scheint. Warum sollten es die Gäste auch bemerken, wenn selbst der Zuschauer diesen Gedanken für ein paar Minuten verdrängt – aus dem einfachen Grund, da einem dieser Charakter so vertraut vorkommt, als hätte man mit ihm mehrere Wochen lang in einer engen Gefängniszelle gesessen.

Dabei gerät ständig in Vergessenheit, dass sich diese Geschichte zu Weihnachten ereignet, denn von einem weihnachtlichen Flair ist nichts spürbar – womit man jedoch in Berührung kommt, das sind die bedeutungslosen Symbole dieser Festzeit, die in den Straßen Amerikas die Vorbeieilenden stets daran erinnern sollen, in welcher Jahreszeit sie sich gerade befinden. Frank Bono berührt das natürlich alles nicht, dafür ist er viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. Vielleicht wird ihm letztendlich das zum Verhängnis in diesem schmutzigen, kleinen Low Budget-Streifen, den sie gerade wegen des amateurhaften Drehs und der wenig überzeugenden Darsteller gesehen haben sollten. Denn selten hat man es geschafft, unter diesen Voraussetzungen mit einer solchen Konsequenz seine Visionen zu einem bitteren, desillusionierenden Ende zu bringen.



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