Kill Bill
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Kill Bill: Vol. 1 & Vol. 2

Kill Bill Vol.1Ich mag es nicht wenn man Kill Bill als eine Film-Reihe bezeichnet. Es war ursprünglich als Überlängenstreifen geplant und die zwei Teile nennen sich auch „Volume und nicht etwa „Part“. Für mich stellt Kill Bill also einen einzigen Film dar und wenn ich darüber schreibe oder spreche, dann beziehe ich mich auch immer auf beide Volumes. Leute die mit Aussagen wie „Teil 1 fand ich viel geiler“ antanzen, haben bei mir also von schon verloren, um es mal geradeaus zu sagen.

Was Quentin Tarantino mit diesem grandiosen Epos geschaffen hat, lässt sich nicht etwa in herkömmliche Genre-Schubladen stecken, auch wenn ich es hier einfach mal unter Action reinknalle. Action trifft es meines Erachtens hier wohl am ehesten, da in den insgesamt 247 Minuten Laufzeit wenig Ruhe aufkommt. Dass Tarantino nach Filmen wie Reservoir Dogs und Pulp Fiction und dem oft kritisierten Jackie Brown längst zum Superstar avanciert ist, ist mittlerweile wohl überflüssig zu erwähnen, und trotzdem möchte ich genau hier einhaken. Tarantino ist nicht so genial, weil er haufenweise neue Techniken oder brillante Ideen erschafft, sondern weil er einfach ein „Über-Geek“ ist, der aus sämtlichen Werken das Beste extrahiert und daraus etwas Eigenständiges mixt. Im Gegensatz zu anderen geläufigen Meinungen behaupte ich, dass sein Brandzeichen nicht etwa seine berühmten und herrlichen Dialoge sind, sondern die Tatsache, dass er vor großen Meistern des Kinos den Hut zieht und ihnen mit seinen Filmen Tribut zollt.

Es gibt wohl keine anderen Filme, die so viele Zitate enthalten wie es Quentin Tarantino ständig in seinen Werken tut. Dieses Spiel wurde erst im zuletzt veröffentlichten Death Proof glänzend zur Schau gestellt. Der Zuschauer wird hier regelrecht mit Informationen und Anspielungen überschüttet, ja fast schon geplättet. Selbst nach der zehnten Sichtung bemerkt man irgendwas Neues, irgendein Filmposter oder ein zerfetztes Werbeplakat, das kein Zufall sein kann und auch nicht ist. Für mich persönlich ist Kill Bill, was diesen speziellen Mix aus Tribut und Eigenständigkeit angeht, die Perfektion schlechthin. Nie hat man das Gefühl, ein Déja vu zu erleben, und dennoch kennt man so vieles und muss ständig schmunzeln. Bei Tarantino hat man stets den Eindruck, dass die Figuren im Film keine Fiktion, sondern reale Menschen wie du und ich sind: Menschen, die dieselben Filme gesehen haben, die gleichen Bücher lesen und ähnliche Musik hören.

„Eastern meets Western“, so könnte man den vierten Film von Tarantino wohl treffend titulieren. Die Kombination aus asiatischem Stil gepaart mit Elementen aus dem Spagehtti-Western gefallen, unterhalten und begeistern. Wenn man aber vom ästhetischen Wert absieht, entdeckt man bei Tarantino auch sehr ernste und wichtige Themen wie beispielsweise die Rolle der Frau, Barmherzigkeit und Gnade, Ehre und Gerechtigkeit oder sogar die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins. Der Kern der Story ist dabei aber so simpel wie bei den Vorbildern aus vergangenen Tagen:
Die Braut (Uma Thurman), deren Namen der Regisseur bedacht bis fast zum Ende nicht verrät, befindet sich auf einen Rachefeldzug. Einst war sie ein Mitglied des Killerkommandos „Deadly Viper Assassination Squad“, wo sie unter dem Patriarchen Bill (David Carradine) Folge leisten musste. Als sie erfuhr, dass sie schwanger ist, änderte sich schnell ihre Weltanschauung. Plötzlich waren ihre mütterlichen Instinkte stärker als der Drang, Menschen gegen Bezahlung zu töten. Die Blondine taucht also unter, da sie weiß, dass Bill diesen Verrat nicht dulden wird. Sie beginnt ein neues Leben in Texas, wo sie in einem Second-Hand-Plattenladen arbeitet und im Begriff ist, ihren neuen Freund zu heiraten. Bill und der Rest seiner Schergen wären aber kein richtiges Tötungskommando, wenn sie die Braut nicht auffinden könnten. Ausgerechnet bei der Hochzeitsprobe ist es dann soweit: Vor Gottes Augen, dem Reverend Harmony (Bo Svenson) und dem Kirchen-Musikanten Rufus (Samuel L. Jackson) beginnt das, was später als das „Massaker von Two Pines“ bekannt werden wird. Als Sheriff Earl McGraw (Michael Parks) den Tatort betritt, scheint alles schon zu spät zu sein. Die Braut samt Gefolgschaft liegt blutverschmiert am Boden. Wer kann bloß so kaltherzig sein und eine schwangere Frau töten?

Stopp!

Tot ist die Braut noch lange nicht. Wie durch ein Wunder hat sie Bills Kopfschuss überlebt und wird nun für vier Jahre im Koma liegen. Kaum ist sie erwacht, vergeudet sie nicht viel Zeit, um ihrem verlorenen Kind nachzutrauern. Zu groß ist der Groll, den sie gegen Bill hegt und zu stark ihr mütterlicher Instinkt, der sie zur unberechenbaren Raubkatze werden lässt. Nachdem die Checkliste „Death List Five“ angefertigt ist, kann es also losgehen: Ihr erstes Opfer wird Vernita Green aka Copperhead (Vivicia A. Fox) sein. Es werden noch die chinesisch-japanisch-amerikanisch-stämmige O-Ren Ishii (Lucy Liu), Bills Bruder Budd (Michael Madsen), die hintertückische, einäugige Elle Driver (Daryl Hannah) und natürlich Bill selbst folgen. Letzerer hat allerdings noch einen beachtlichen Trumpf in der Hand…

Es gibt zu viele Szenen, die ausführlich erläutert werden sollten, zu viele Dialoge, die es wert wären, hier zitiert zu werden; wahnsinnige Aufnahmen wie etwa der Showdown im „Haus der blauen Blätter“ oder tolle Bilder, die eine abgelegene Kapelle in El Paso zeigen, man kann sich gar nicht sat sehen an diesen superben Farbenspiel. Zu lang ist auch die Liste der Mitwirkenden, die es verdient hätten, hier genannt zu werden. Da gibt es beispielsweise Sonny Chiba, den japanischen Samurai-Filmstar, der als Hattori Hanzo diente, oder Chiaki Kuriyama als die tödliche, kleine GoGo. Das Gesamtbild wird von einem sorgfältig ausgewählten Soundtrack von Tarantino selbst und RZA perfekt abgerundet. Genauso wie bei den Bildern gibt es auch bei der Musik einen Kontrast zwischen Ost und West. Zum einen erklingen Töne von Ennio Morricone oder Luis Bavalov, dann aber wieder Tracks von Meiko Kaji oder auch poppigere Songs und natürlich ein paar Stücke von RZA.

Wer diesen Inbegriff der Genialität tatsächlich noch nicht gesehen hat, sollte dies schleunigst nachholen. Ich behaupte sogar, dass Tarantino mit Kill Bill ein Stück Filmgeschichte geschrieben hat. Er ist der Meister des Remixes und des Revivals, er ist der Freak der einst in einem Videoverleih arbeitete und nun zum gefeierten Starregisseur aufgestiegen ist und nun in jeder Sekunde seiner Filme seinen Vorbildern Ehre erweist. Sogar im Abspann liest man Danksagungen an verstorbene Größen wie Sergio Leone, Chang Cheh, Lee Van Cleef oder Charles Bronson. Besonders hervorgehoben in den Credits ist übrigens einmal mehr Robert Rodriguez, der hier sogar den Titel „My Brother“ verliehen bekommt.
Ich hoffe, es gibt noch andere da draußen, die genauso wie ich den neuen Streich Inglourious Basterds entgegenfiebern. Ich bin überzeugt, Quentin wird wieder eine Menge Kritik einstecken müssen, aber ich bin genauso überzeugt, dass er es wieder schaffen wird, auf die eine oder andere Art zu faszinieren und zu begeistern.



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Eastern meets Western: genialer Genremix von Quentin Tarantino mit lauter Anspielungen und Hommagen an längst vergangene Tage der Kinobranche.
10
von 10