Uberto Pasolini (rechts) am Set von "Rückkehr nach Ithaka"

Uberto Pasolini [Interview]

Rückkehr nach Ithaka erzählt die Geschichte von Homers berühmter Odyssee, setzt aber an dem Punkt ein, als der vom Krieg gezeichnete König Odysseus (Ralph Fiennes) zurück in der Heimat ist. Viel hat sich in der Zwischenzeit getan. Seine Frau Penelope (Juliette Binoche) wird von einer Schar Freier bedrängt, auch der Sohn Telemachos (Charlie Plummer) ist in Gefahr. Odysseus wiederum ist ein anderer Mensch geworden, wurde körperlich wie seelisch in Mitleidenschaft getragen. Und so sehr er auch versucht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, es gelingt ihm nicht. Wir haben uns zum Kinostart am 27. November 2025 mit Regisseur Uberto Pasolini getroffen. Im Interview spricht er über die langwierige Arbeit an dem Film, die universellen Themen der klassischen Vorlage und wie Kriege Menschen dauerhaft zerstören können.

Könntest du und etwas über die Entstehungsgeschichte von Rückkehr nach Ithaka verraten? Wie kamst du auf die Idee?

Wie viele andere Europäer bin ich mit den Geschichten von Homer aufgewachsen. Meine Eltern haben mir welche vorgelesen. Wir haben sie in der Schule gelesen, erst auf Italienisch, später auf Griechisch. Und mir sind diese Geschichten sehr in Erinnerung geblieben, gerade die Odyssee. Wenn du jung bist, sind es vor allem die Fantasy-Elemente, die dich interessieren: der einäugige Riese, die Sirenen usw. Als ich älter wurde, begann ich mich stärker mit Telemachus zu identifizieren und den Kämpfen mit seiner Mutter. Als ich vor 30 Jahren begonnen habe, Filme zu produzieren, war das Erste, woran ich gedacht habe, die Odyssee. Niemand hatte sich mehr dran gewagt seit Camerini mit Die Fahrten des Odysseus mit Kirk Douglas und Silvana Mangano. Und das war 1954! Also habe ich an meiner Version gearbeitet. Mir war dabei klar, dass ich mich auf die Zeit nach der Odyssee konzentrieren wollte, die bei Homer auch deutlich länger ist. Bei mir sollte es keine Irrfahrt geben, keine Monster, nicht einmal Götter. Mich interessierten die Menschen und welche Entscheidungen sie treffen. Wird Penelope auf ihren Mann warten oder jemand anderes heiraten? Wird Odysseus zurückkehren? Welche Verantwortung tragen diese Figuren für das, was geschieht?

Und warum hat es so lange gedauert, bis aus dieser Idee ein Film wurde?

Damals wollte ich, dass einer der großen Regisseure den Film dreht. Ich habe tatsächlich auch mehrere von ihnen kontaktiert. Bernardo Bertolucci fand das Drehbuch schön, fühlte sich aber nicht danach, das zu übernehmen. Er war damals schon nicht mehr bei bester Gesundheit. Peter Weir war die Geschichte zu brutal. Oliver Stone war interessiert. Er wäre auch eine gute Wahl gewesen, weil er selbst Kriegserfahrungen hatte und der Film davon handelt, was ein solcher Krieg mit den Menschen macht. Doch dann kam Gladiator heraus und Stone verlor das Interesse. Da so lange keine Sandalenfilme mehr gedreht wurden, wollte er nicht, dass es so aussieht, als würde er kopieren. Also habe ich jahrelang andere Regisseure gesucht. Vor 15 Jahren hatte ich dann Ralph Fiennes gefragt. Er hatte gerade Coriolanus – Enemy of War, eine sehr interessante Interpretation von Shakespeares Stück. Er sagte auch zu und wir fuhren zusammen nach Ithaka, um uns die Locations anzuschauen, wo wir drehen würden. Nach einer Woche sagte er dann aber doch ab, weil er der Ansicht war, dass ich zu konkrete Vorstellungen hatte und er etwas anderes machen wollte.

Aber als Schauspieler ist er geblieben?

Ja, er wollte trotz allem den Film machen. Wir sind nach seiner Absage in Kontakt geblieben und miteinander befreundet. Vor fünf Jahren meldete er sich bei mir und sagte mir, dass er bereit wäre für den Film, ich aber Regie führen solle. Das konnte ich mir nicht vorstellen, da ich erst drei kleine Filme gedreht hatte. Ralph hatte aber Vertrauen in mich, auch weil er Nowhere Special gern mochte. Ralph war es auch, der Juliette Binoche an Bord holte. Die beiden waren seit Der englische Patient miteinander befreundet. Als klar war, dass die zwei dabei sind, konnten wir uns um die Finanzierung kümmern. Und ich habe auch das Drehbuch noch einmal überarbeitet und viele Szenen gestrichen, um die Geschichte klarer zu gestalten, habe Interviews mit Veteranen aus dem Vietnamkrieg gelesen. Am Ende haben wir es tatsächlich geschafft, den Film zu drehen.

Mit deutlicher Verspätung …

Das stimmt. Odysseus ist in 20 Jahren nach Troja gereist, hat den Krieg gewonnen, ist zurückgekehrt und hat mit all den schönen Frauen geschlafen. Ich habe 30 Jahre für meinen Film gebraucht und dabei nur mit einer Frau geschlafen, meiner Ex-Frau, die auch die Musik gemacht hat.

Und bist du zufrieden mit dem Ergebnis?

Sehr! Ich wünschte mir zwar, dass ein besserer Regisseur Regie geführt hätte. Bertolucci hätte einen besseren Film gedreht. Weir hätte einen besseren Film gedreht Im Nachhinein war es aber ein Segen, dass es so lange gebraucht hat. Hätten wir damals schon gedreht, wären Ralph und Juliette 20 Jahre jünger gewesen. Sie waren natürlich auch damals schon tolle Schauspieler. Aber sie haben auf diese Weise ihre eigenen Lebenserfahrungen einbringen können. Ein alter Odysseus ist für mich interessanter als ein junger Odysseus. Und das gilt auch für eine ältere Penelope. Wir erzählen die Geschichte von zwei Menschen, die sich 20 Jahre nicht gesehen haben und gewartet haben. Ralph und Juliette haben eine Schwere mitgebracht, die einfach fantastisch ist. Und ich bin sehr glücklich, dass ich dabei sein durfte.

Wie war es für dich ein Historiendrama zu drehen? Deine vorherigen Regiearbeiten spielten schließlich in der Gegenwart.

Tatsächlich wollte ich kein Historiendrama in dem Sinn drehen. Mir war es wichtig, dass wir nicht versuchten, die Welt von damals nachzustellen – auch weil niemand wirklich weiß, wie Griechenland in der Bronzezeit ausgesehen hat. Es gibt kaum etwas aus der Zeit, an dem wir uns hätten orientieren können. Wir wissen vor allem nicht, was sie damals getragen haben. Deswegen habe ich lange mit dem Szenenbildner und dem Kostümdesigner gesprochen. Ich wollte nicht, dass sie irgendetwas neu designen, was wir dann als alt verkauft hätten. Wir haben uns deshalb für Orte und Kleidung entschieden, die zeitlos sind. Tatsächlich ist das Kleid von Juliette die Kopie eines zeitgenössischen algerischen Kleids. Und das, was die Verehrer von Penelope tragen, ist dem nachempfunden, was eritreische Hirten heute tragen. Die Figuren sollten etwas tragen, das so schlicht und universell ist, dass man nicht sieht, aus welcher Zeit sie stammen. Ich wollte ganz grundsätzlich, dass der Film einfach gehalten ist. Bei der Kamera siehst du beispielsweise keine Spielereien. Ich wollte keine interessanten Perspektiven, die irgendwie auffallen. Das Publikum sollte nicht merken, dass da etwas inszeniert wird. Es sollte keinen Geschichtenerzähler spüren. Das war mir sehr wichtig. Und das gilt auch für die Musik. Ich habe Rachel gesagt, dass es Musik geben soll, die aber nur spärlich eingesetzt wird und nicht auffällt. Du hast heute so viele Filme, bei denen alles mit Musik unterlegt ist, sogar die Dialoge. Ich wollte hingegen, dass das Publikum vergisst, dass es sich einen Film anschaut.

Kommen wir zum Thema Krieg. Du hast vorhin Interviews mit Veteranen erwähnt.

Genau. Ich habe viele Interviews mit Veteranen aus dem Vietnamkrieg gelesen, die einige Jahre nach dem Kriegsende geführt wurden und die davon erzählten, wie schwierig es für diese Männer war, wieder zurück in den Alltag zu finden. Für die es vor allem schwierig war, wieder ein Familienleben zu führen. Denn das ist auch das Problem von Odysseus. Er hat den ganzen Horror des Kriegs erlebt und schafft es nicht, das hinter sich zu lassen. Was ich an diesen Interviews spannend fand, war, dass man nicht nur die Männer interviewt hat, sondern auch die Frauen. Tatsächlich stammen die letzten Zeilen von Penelope von einer Frau aus Ohio, die davon sprach, wie schwierig es für sie war, ihrem Ehemann dabei zu helfen, wieder ein Ehemann zu sein. Und ein Vater zu sein, ein Mitglied der Gesellschaft. Die Frauen haben davon erzählt, wie ihre Männer nachts Alpträume hatten oder versuchten, sie nach dem Aufwachen zu erwürgen, weil sie das Gefühl hatten, noch immer im Dschungel zu sein.

Würdest du deinen Film also als Antikriegsfilm bezeichnen?

Ich würde gern glauben, dass jeder Film, der vom Krieg handelt, ein Antikriegsfilm ist. Aber das stimmt natürlich nicht. Es gibt Propagandafilme und Filme, die unsere Soldaten unterstützen, wenn sie irgendwo da draußen in einem Krieg kämpfen, warum auch immer.

Filme über Helden.

Genau. Das sind Filme über Helden. Bei uns gibt es keine Helden. Rückkehr nach Ithaka ist ein Film darüber, dass Kriege Tragödien sind und was diese mit den Menschen machen, die im Krieg kämpfen. Aber eben auch, was sie mit den Menschen machen, die zu Hause bleiben und warten. Schon bevor die Soldaten zurück sind, ist der Krieg zu Hause. Der Krieg ist immer da, zumindest psychologisch und zerstört Menschen. Er zerstört Kinder, die darauf warten, dass ihr Vater zurückkommt. Er zerstört Ehen. Wie viele Frauen mussten sich fragen, ob sie auf ihren Mann warten, oder konnten danach nicht mehr mit ihm leben? Wie viele Kinder haben ihren Vater nicht mehr wiedererkannt, weil so viel geschehen war? Das ist also schon eine sehr universelle Situation, mit der Penelope leben muss. Die wenigsten Frauen werden wie sie von so vielen Verehrern belagert. Aber es reicht, wenn da ein Verehrer ist und die Frau eine Entscheidung treffen muss. Davon handelt der Film. Und eben davon, dass du den Krieg nicht mehr aus dir herausbekommst, wenn er erst einmal in dir drin ist. Homer hat nicht über Helden geschrieben, auch wenn viele Leute das glauben. Er erzählt von komplexen Menschen. Zumindest ist das meine Lesart. Da die griechische Sprache sehr vieldeutig ist, kannst du viel hineininterpretieren. Das siehst du bei Penelope. Manche feministische Lesarten sehen sie als passives Opfer eines patriarchalen Systems, bei dem Frauen zu Hause bleiben und auf die Männer warten müssen. Andere sagen, dass sie im Gegenteil diejenige ist, die durch ihre Entscheidungen die Geschichte bestimmt hat. Sie hätte nicht warten müssen. Sie hätte nicht den Wettstreit am Ende einfordern müssen. Wenn sie einfach einen Mann ausgesucht hätte, hätte sie das ganze Unglück verhindern können.

Das Unglück ist auch deshalb schockierend, weil wir Odysseus zuvor als Mann sehen, der gebrochen ist von den schrecklichen Erfahrungen, die er im Krieg gemacht hat, und der das eigentlich alles hinter sich lassen will. Und dann wird er auf einmal so gewalttätig und tötet die ganzen Männer. Tut er das wegen des Kriegs oder trotz des Kriegs?

Es ist beides. Odysseus weiß um das Gift in ihm. Als man ihm sagt, er soll den Krieg hinter sich lassen, das sei so lange her, erwidert er, dass das für ihn nicht stimmt. Das alles, was er sieht und berührt, für ihn den Krieg zurückbringt. Obwohl er dieses Bedürfnis hat, diese Gewalt zu unterdrücken, kommt sie zurück. Wobei die Verehrer natürlich ihren Anteil daran haben, als sie seinen Sohn töten wollen und auch ihn töten wollen. Er wird dadurch wieder zu dieser Tötungsmaschine, die niemand aufhalten kann. Bei Homer tötet er 108 Verehrer. Ich habe nach 20 aufgehört, das war genug. Es ging mir auch nicht darum zu zeigen, welches Leid er anrichtet. Ich wollte das Leid zeigen, das er selbst empfindet, als er mitansehen muss, wie sein Sohn wie er wird. Wie der Junge, den Penelope um jeden Preis beschützen wollte, auch durch diesen Krieg zerstört wird.

Vielen Dank für das Interview!



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