Hamnet
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Hamnet

Hamnet
„Hamnet“ // Deutschland-Start: 22. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Im späten 16. Jahrhundert trifft ein junger William Shakespeare (Paul Mescal) auf die geheimnisvolle, als Hexe verschriene Agnes (Jessie Buckley). Trotz Warnungen seiner Familie verliebt er sich Hals über Kopf und überzeugt schließlich ihren Bruder Bartholomew (Joe Alwyn), einer Verlobung zuzustimmen. Das junge Liebesglück führt zu einer gemeinsamen Tochter (Freya Hannan-Mills), gefolgt von den Zwillingen Hamnet (Jacobi Jupe) und Giulia (Olivia Lynes). Bereits vor ihrer Geburt plagten Agnes Visionen, dass eines ihrer Kinder nicht überleben wird. Während sie sich vor allem Sorgen um die schwächliche Giulia macht, ist es Hamnet, der überraschend im Alter von elf Jahren an der Beulenpest stirbt, während sein Vater in London ist. Eingenommen von Trauer verliert sich William in seiner Arbeit und widmet seinem Sohn sein Theaterstück Hamlet, Prinz von Dänemark.

Von den Sternen zurück nach Stratford

Nach einem Abstecher ins Franchise-Kino für Marvel’s Eternals kehrt die Oscarpreisträgerin Chloé Zhao (Nomadland) als Regisseurin für Hamnet zurück. Wechselseitig austauschbar mit „Hamlet“, ist Hamnet gleichzeitig der Name des im Kindesalter verstorbenen Sohns William Shakespeares, sowie die Kurzform seines berühmten Theaterstücks Hamlet, Prinz von Dänemark. Mit Hamnet adaptiert Zhao den gleichnamigen Roman von Maggie O’Farrell und damit die fiktionale Geschichte über den tragischen Vorfall, der Shakespeare zu einem seiner bedeutendsten Werke inspiriert haben soll.

To feel or not to feel

Hamnet folgt der Struktur eines klassischen Theaterstücks nach einem Fünf-Akt-Schema. Über Exposition und steigenden Handlungsverlauf ist Hamnet ein romantisches Drama. Nach der Peripetie, also dem Höhepunkt, entwickelt sich der Film über das retardierende Moment und die Katastrophe im fünften Akt zu einer Tragödie. Die Erzählweise der Handlung bleibt dementsprechend stringent. Zhao verzichtet auf disruptive Zeitsprünge und liefert über fünf Akte fiktionalen Einblick in die unkonventionelle Liebe zweier exzentrischer Personen und das daraus geborene Leben der Familie William Shakespeares. Hamnet ist die spirituelle Darstellung des Umgangs mit Verlust und Trauer, der Unterschiedlichkeit in Bewältigungsmechanismen dieser Melancholie und auch der daraus resultierenden Distanz vormals verbundener Seelen.

Diese Theatralik und Schwere etabliert der Film allerdings bereits in seiner ersten Hälfte durch Foreshadowing in Form von Visionen. Dadurch lässt sich der Handlungsverlauf bereits früh erahnen, was besonders zur Mitte des Films die emotionale Intensität einzelner tragender Szenen mindert. Passend zur Erzählstruktur verläuft auch die Handlung Hamnets stringent und somit vorhersehbar, was dem Film jedoch in keinster Weise schadet. Zhaos Ambition liegt nicht in der Komplexität der Geschichte, sondern vielmehr darin, ihrem Publikum die Tiefe der Figuren und ihre rohe, ehrliche Verzweiflung zu vermitteln. Letzteres gelingt ihr in Exzellenz, die erschaffene Gefühlswelt lädt Zuschauer nicht nur zu Melancholie ein, sondern schafft gleichzeitig einen gemeinsamen emotionalen Ausgangspunkt und einen Nährboden für Hoffnung, den Hamnet in seinen letzten beiden Akten bedient und dabei trotz allem Tragödie bleibt. Diese affektive Wirkung kulminiert schlussendlich in der poetischen Katastrophe und in einer finalen Szene, die lange nachklingt und eine der markantesten Schlusssequenzen von Filmen des 21. Jahrhunderts darstellt.

Theatralik trifft Kino

Auch in Darstellung und Inszenierung wird Hamnet der Gravitas eines Theaterstücks gerecht, ohne seine Identität als Film zu verlieren. Paul Mescal und Jessie Buckley liefern als William und Agnes Shakespeare Karrierebestleistungen ab. Trotz der Exzentrik beider Figuren, spielen beide sowohl ihre gemeinsame Chemie, als auch ihren isolierten Schmerz nuanciert und authentisch und sorgen mit ihrer Darstellung für eine starke innere Resonanz seitens des Publikums. Abseits des Schauspiels sind Set-Design und Kostüme inspiriert durch das Bühnenbild eines Theaters, ähnlich wie die theatralisch geführte Kamera von Lukasz Zal. Gepaart mit der exzellenten Regiearbeit durch Chloé Zhao ist Hamnet ein audiovisuelles Fest für alle Sinne und verlangt, unter den bestmöglichen technischen Voraussetzungen gesehen zu werden.

Credits

OT: „Hamnet“
Jahr: 2025
Land: UK, USA
Regie: Chloé Zhao
Drehbuch: Chloé Zhao, Maggie O’Farrell
Vorlage: Maggie O’Farrell
Musik: Max Richter
Kamera: Lukasz Zal
Besetzung: Paul Mescal, Jessie Buckley, Emily Watson, Joe Alwyn

Bilder

Trailer

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Hamnet
fazit
Chloé Zhao liefert mit „Hamnet” ein emotional einnehmendes und exzellent inszeniertes Drama, das trotz seiner shakespearesken Thematik und Theatralik seine eigene Identität behält. Die fiktionale Vorgeschichte über die Inspiration für „Hamlet, Prinz von Dänemark“ funktioniert auf der großen Leinwand ebenso wie im Theater und ist gleichzeitig für ein breites Publikum zugänglich gestaltet.
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