
Frankreich, 1815: Insgesamt 19 Jahre saß Jean Valjean (Jean Gabin) hinter Gittern, weil er ein Brot gestohlen hatte. Wieder auf freiem Fuß, nimmt sich Bischof Myriel (Fernand Ledoux) seiner an. Selbst als Valjean diesen zu bestehlen versucht, zeigt sich der Geistliche nachsichtig. Überwältigt von dieser Erfahrung, beschließt der rechtelose Ex-Sträfling, eine neue Identität anzunehmen und noch einmal von vorne anzufangen. Doch das ist nicht so einfach, da ihm Polizeiinspektor Javert (Bernard Blier) auf den Fersen ist, in der Annahme, dass Kriminelle sich nicht ändern können. Selbst als der Neugeborene zu einem anständigen und angesehenen Bürger geworden ist, will sein Verfolger nicht davon ablassen, ihn eines Verbrechens zu überführen …
Monumentale Adaption des Klassikers
Auch wenn Victor Hugo im Laufe seiner langen Karriere eine Reihe von Romanen, Gedichten und Stücken veröffentlicht hat, dürften die meisten den französischen Schriftsteller mit zwei Werken in Verbindung bringen. Da ist zum einen Der Glöckner von Notre-Dame (1831) über den missgestalteten Quasimodo, der sich in die schöne Esmeralda verliebt hat. Viele Male wurde der Roman adaptiert, sei es als Realfilm, als Disney-Zeichentrickklassiker oder auch als Bühnenmusical. Das andere Hauptwerk ist Die Elenden von 1862. Auch dieses wurde viele Male aufgegriffen. Berühmt ist beispielsweise das Musical Les Misérables von C.-M. Schönberg, welches 2012 von Hollywood verfilmt wurde. Weniger schwungvoll, aber nicht minder epochal ist der Kinofilm Die Miserablen – Die Elenden von 1958. Diesen gibt es in den verschiedensten Schnittfassungen, wobei selbst die kürzeste 160 Minuten lang ist.
Das ist natürlich viel und doch nur ein Ausschnitt des Werks, wie es Hugo uns hinterlassen hat. Mehr als 1000 Seiten lang ist die Buchfassung, welche einen Zeitraum von 17 Jahren abdeckt. Regisseur und Co-Autor Jean-Paul Le Chanois (Der Fall des Dr. Laurent) nahm sich der Aufgabe an, diese Vorlage in einen einzigen Film zu packen. Das klappt mal besser, mal schlechter. Schwierig ist beispielsweise die Besetzung: Jean Gabin ist zu Beginn dann doch etwas alt für die Rolle, erst später passt das. Die Miserablen – Die Elenden tut allgemein nicht genug dafür, um die Alterungsprozesse der Figuren wirklich aufzuzeigen. Den Lauf der Zeit merkt man eher an den äußeren Ereignissen, vor allem die später einsetzende Revolution. Wobei die Figuren auch innerlich recht wenig Veränderungen mitmachen. Beim Protagonisten findet zu Beginn ein Sinneswandel statt, bei seinem Gegenspieler erst am Ende. Bei Letzterem wird auch nie ganz klar, warum er denn so besessen ist.
Porträt einer Gesellschaft in Aufruhr
Aber Die Miserablen – Die Elenden ist nun einmal mehr als das Porträt zweier Individuen. Sie und die anderen Figuren stehen stellvertretend für eine Gesellschaft in Aufruhr. Große Teile sind verarmt, da ist kein soziales Netz, das sie auffangen würde. Schon die drakonische Strafe des Protagonisten, der 19 Jahre wegen eines gestohlenen Brots im Gefängnis sitzt, zeigt ein aus den Fugen geratenes Land, in dem die Verhältnisse nicht mehr stimmen. Wenn später die Menschen zunehmend radikalisieren und das Volk auf den Straßen kämpft, hat das zwar nicht direkt mit der Lebensgeschichte von Valjean zu tun. Aber es passt doch gut in das düstere Bild, welches Hugo von seinem Land zeichnet.
Der Film ist dabei aber oft etwas gemächlich, entwickelt nicht die Wucht des filmischen Nachkommen Die Wütenden – Les Misérables, der ebenfalls Frankreich als Pulverfass beschreibt. Die Welt ist vielleicht auch ein bisschen zu hübsch zurechtgemacht, wirkt dann mehr wie ein Theaterstück, weniger wie ein Blick auf die reale Welt. Und doch ist Die Miserablen – Die Elenden nach wie vor sehenswert. Die seltene Coproduktion zwischen Frankreich und der DDR profitiert dabei von der prominenten Besetzung. Auch wenn Gabin anfangs wie gesagt ein bisschen zu alt ist für die Rolle, schafft er doch, den besonderen Humanismus seiner Figur herauszuarbeiten, die im Anblick der Armut und der Probleme ein Mitgefühl entwickelt, welches man heute oft vermisst.
OT: „Les Misérables“
Land: DDR, Frankreich, Italien
Jahr: 1958
Regie: Jean-Paul Le Chanois
Drehbuch: René Barjavel, Jean-Paul Le Chanois
Vorlage: Victor Hugo
Musik: Georges van Parys
Kamera: Jacques Natteau
Besetzung: Jean Gabin, Danièle Delorme, Bernard Blier, Serge Reggiani, Bourvil, Giani Esposito, Martine Havet, Béatrice Altariba
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