
Unterschiedlicher könnten Ana (Iria del Río) und Oscar (Francesco Carril) kaum sein. Während sie sich als Kellnerin eher schlecht denn recht durchs Leben schlägt und auch privat auf wackligen Füßen steht, da hat er als Arzt einen festen Platz in der Gesellschaft gefunden. Doch als die beiden sich an Silvester über den Weg laufen, beide feiern ihren jeweils 30. Geburtstag, fühlen sie sich auf Anhieb zueinander hingezogen. Tatsächlich dauert es nicht lang, bis die beiden im Bett landen. Eine Beziehung wird daraus erst einmal nicht. Doch sie sehen sich wieder, kommen sich dabei im Laufe der Jahre näher, selbst wenn das Leben oft nicht so verläuft, wie sie sich das wünschen …
Langzeitbetrachtung an Neujahr
Donnerstagabend ist bei arte bekanntlich Serienzeit. Zu etwas späterer Stunde zeigt der Sender dann Produktionen aus aller Welt. Oft sind es Krimis oder Thriller, die das Publikum fesseln sollen. Zuletzt liefen etwa zwei isländische Titel: Neben dem bereits bekannten Lava von 2014 war da Reykjavík 112, beide Geschichten erzählten davon, wie jemand daheim ermordet wurde und herausgefunden werden muss, wer dahintersteckt. Klassische Whodunits eben. In eine ganz andere Richtung ging The Deal, das sich mit dem iranischen Atomdeal befasst, der 2015 in der Schweiz ausgehandelt wurde. Nun geht es mit Ana und Oscar nach Spanien, wo es weder Tote gibt, noch Geschichte geschrieben wird. Stattdessen geht es um sehr alltägliche Ereignisse aus dem Leben zweier Menschen, die sich zufällig kennen und lieben lernen.
Umgesetzt wird das Ganze als Langzeitporträt: Die zehn Folgen umfassen ebenso viele Jahre aus dem Leben der beiden. Um die Änderungen im Laufe der Zeit aufzeigen zu können, pickte man sich immer denselben Zeitraum in einem Jahr heraus. Genauer spielen die Folgen jeweils in den 48 Stunden rund um Silvester herum. Zugegeben, der Ansatz ist nicht wirklich neu, andere hatten ähnliche Einfälle. Letztes Jahr erschien die auf dem Roman basierende Serie Zwei an einem Tag, die wie schon der Film zuvor aus dem Leben eines Paares erzählt, immer am Stichtag 15. Juli. Vor allem aber der Vergleich zum chinesischen Film Us and Them drängt sich auf, da wir wie bei Ana und Oscar zwei Menschen folgen, indem wir sie Jahr für Jahr an Neujahr treffen. Das Prinzip ist immer dasselbe: Indem wir chronologisch angeordnete Momentaufnahmen sehen, erfahren wir mehr über die Entwicklung.
Ruhig erzähltes Drama
Wobei sich diese nicht allein auf die beiden und ihre Beziehung beschränkt. Mit ihnen zusammen lernen wir auch die Menschen aus ihrem Umfeld kennen, die ihre eigenen Geschichten und Probleme haben. Es gelingt der spanischen Serie dabei sehr gut, alltägliche Themen einzubauen, mit denen sich das Publikum identifizieren kann, ohne dabei beliebig zu werden. Auch die Balance aus Alltag und Drama gelingt: Es passiert in Ana und Oscar immer so viel, dass man neugierig dranbleibt, ohne dass es aber zu viel und damit unglaubwürdig wird. Man hat hier immer das Gefühl, es mit realen Persönlichkeiten zu tun zu haben, die irgendwie durchs Leben stolpern, sich dabei manchmal wacker schlagen – und manchmal eben nicht.
Manchen wird das zu wenig sein. Gerade der Mangel an dramatischer Zuspitzung könnte ein Problem werden. Der Ton ist hier ruhiger und zurückgenommen, die Serie richtig sich an ein Publikum, das leise Geschichten zu schätzen weiß. Ana und Oscar ist dabei mal schön, mal traurig, kann einen mitreißen, aber auch verzweifeln lassen, wenn sich die Figuren selbst im Weg stehen – wie im echten Leben eben auch. Das lebt sehr von der tollen Besetzung: Gerade das Zusammenspiel von Iria del Río (Infiesto) und Francesco Carril (Blutroter Sommer – Im Bann des Killers) als zwei Menschen, die sich zueinander hingezogen fühlen, dabei aber nicht immer wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen, trägt maßgeblich dazu bei, dass das hier sehenswert geworden ist. Wer genug hat von den oft überzogenen Dramen, die mit dem Holzhammer Gefühle erzeugen wollen, findet hier eine Variante, die weniger macht und dabei sehr viel mehr erreicht und zu erzählen hat.
OT: „Los Años nuevos“
IT: „The New Years“
Land: Spanien
Jahr: 2024
Regie: Rodrigo Sorogoyen, Sandra Romero, David Martín de los Santos
Drehbuch: Rodrigo Sorogoyen, Sara Cano, Paula Fabra, Marina Rodríguez Colás, Antonio Rojano
Musik: Juan Ibáñez
Kamera: Lali Rubio, Alana Mejía González
Besetzung: Iria del Río, Francesco Carril, Pablo Gómez-Pando, Ana Telenti, Vladimir Perrin, Lucía Martín Abello, Ana Labordeta, Anna Alarcón, Benjamín Prado, Olaya Caldera
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