Aber auch wenn das zwischendurch ein bisschen ziellos wird und man gar nicht mehr genau sagen kann, worum es eigentlich gehen soll, ist das Drama, das auf dem Filmfest München 2025 Premiere hatte, sehenswert geworden. Das liegt neben dem auch in dieser Fassung interessanten Stoff besonders an der Besetzung. Albrecht Schuch (Der Pfau), der in einer Art Doppelrolle auftritt, zwischen liebevollem Partner und verzweifeltem Exzentriker, trägt den Film wie so oft. Wenn er wütet und behauptet, sucht und hinterfragt, dann wird „Stiller“ zu einer beeindruckenden Schauspieldemonstration. Ob dieses der Vorlage gerecht wird, darüber lässt sich natürlich streiten. Ine Bereicherung für das hiesige Kino ist der Film aber allemal.
© Studiocanal GmbH / Aliocha Merker / Marc Reimann

Stiller

„Stiller“ // Deutschland-Start: 30. Oktober 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Als der US-Amerikaner James Larkin White (Albrecht Schuch) in die Schweiz einreisen will, kommt er nicht sehr weit. Schließlich wird ihm vorgeworfen, der Schweizer Bildhauer Anatol Stiller zu sein, der vor Jahren in eine dubiose Affäre verwickelt gewesen sein soll, damals aber spurlos verschwand. White besteht darauf, dass es sich um einen Irrtum handelt. Doch so oft er auch wiederholt, nicht Stiller zu sein, die Zweifel bleiben, da alle in ihm den Mann sehen wollen, der er nicht sein will. Als auch Julika (Paula Beer), die Frau des Vermissten, hinzugezogen wird und selbst nicht eindeutig sagen kann, wen sie da vor sich hat, verzweifelt der Beschuldigte an seinem Schicksal …

Die Suche nach der Identität

Es gibt sie immer wieder, die Romane, von denen gesagt wird, sie seien nicht verfilmbar. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Mal ist der Aufwand vielleicht zu hoch, um die in den Geschichten beschriebenen Welten in Bilder zu fassen. Oft ist es der Umfang, der vor Schwierigkeiten stellt: Wie soll man ein Buch, das mehr als 1000 Seiten hat, in zwei Stunden packen? Mal lebt ein Werk vielleicht auch von der Sprache und den Beschreibungen, die so dann nicht übernommen werden können. Bei Stiller von Max Frisch gibt es ein ganz anderes Problem, welches eine Adaption mit sich bringen würde: Man weiß im Original nie genau, was da eigentlich real ist und was nicht. Wir sind Gefangene der Worte, auf der Suche nach Antworten auf die vielleicht nie zu lösende Frage, wer der Protagonist eigentlich ist. Im Film ist das prinzipiell ähnlich, wenn im Zentrum das Rätsel steht, ob der Mann nun Stiller oder White ist. Läuft da jemand vor seiner Vergangenheit davon? Oder handelt es sich um ein Missverständnis?

Das klingt nach einem Mystery-Thriller. Tatsächlich grübelt man bis zum Schluss, welche der zwei Wahrheiten denn nun stimmt. Hinweise gibt es schließlich in beide Richtungen. Dabei geht die Geschichte weit über dieses Schlüsselrätsel hinaus. Aus der binären Frage nach der Identität wird eine deutlich komplexere. Wer legt eigentlich fest, wer ich bin? Wie weit bestimme ich das selbst? Am Beispiel eines Mannes, der darauf beharrt, jemand anderes zu sein, demonstriert Stiller, wie stark wir von den anderen abhängig sind und wie sehr sie uns definieren. Obwohl der Protagonist seine eigene Identität bestimmen will und eine eigene Geschichte zu erzählen hat, lässt ihn der Rest der Welt nicht. Die Festlegung des eigenen Namens wird zu einem symbolischen Akt der Selbstbehauptung. Regisseur und Co-Autor Stefan Haupt (Zwingli – Der Reformator) nimmt diese Gedanken auf und findet eigene Bilder dafür, da die Tagebuchform des Romans und die sprachliche Ambivalenz sich nicht direkt übersetzen ließ.

Zwischen Denkanstoß und Liebesdrama

Denkanstöße liefert der Film auf diese Weise auch. Dennoch handelt es sich um kein verkopftes Verwirrspiel. Vielmehr findet das Publikum bei Stiller ein ausgesprochen menschliches Drama, das vom Lieben und Finden erzählt, vom Leiden und Entfremden. Was mit großer Romantik und Leidenschaft anfängt, wird mit der Zeit zu einer täglichen Tortur, die von gegenseitigen Verletzungen und Enttäuschungen geprägt ist. Was allerdings dabei nicht so gut gelingt: diese verschiedenen Facetten wirklich zusammenzubringen. So spannend die Frage nach der Identität ist, sie geht im weiteren Verlauf verloren, wenn die Beziehung im Mittelpunkt steht. Die Nebengeschichte rund um den Staatsanwalt Rolf Rehberg (Max Simonischek) lenkt auch eher ab.

Aber auch wenn das zwischendurch ein bisschen ziellos wird und man gar nicht mehr genau sagen kann, worum es eigentlich gehen soll, ist das Drama, das auf dem Filmfest München 2025 Premiere hatte, sehenswert geworden. Das liegt neben dem auch in dieser Fassung interessanten Stoff besonders an der Besetzung. Albrecht Schuch (Pfau – Bin ich echt?), der in einer Art Doppelrolle auftritt, zwischen liebevollem Partner und verzweifeltem Exzentriker, trägt den Film wie so oft. Wenn er wütet und behauptet, sucht und hinterfragt, dann wird Stiller zu einer beeindruckenden Schauspieldemonstration. Ob dieses der Vorlage gerecht wird, darüber lässt sich natürlich streiten. Eine Bereicherung für das hiesige Kino ist der Film aber allemal.

Credits

OT: „Stiller“
Land: Deutschland, Schweiz
Jahr: 2025
Regie: Stefan Haupt
Drehbuch: Alexander Buresch, Stefan Haupt
Vorlage: Max Frisch
Musik: David Hohl
Kamera: Michael Hammon
Besetzung: Albrecht Schuch, Paula Beer, Max Simonischek, Marie Leuenberger, Stefan Kurt, Sven Schelker

Bilder

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Stiller
fazit
Basierend auf dem gleichnamigen Romanklassiker erzählt „Stiller“ von einem Mann, der jemand anderes sein soll, als er sein will. Der Film ist vor allem dann interessant, wenn es um die Frage der Identität geht. Wenn der Fokus sich später auf die Beziehung verlagert, ist das zwar emotional und sehr gut gespielt. So ganz ist dann aber nicht mehr klar, worum es in dem Drama eigentlich gehen soll.
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