Anno Uno
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„Anno Uno“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / kritik

Obwohl Rom noch von der Wehrmacht kontrolliert wird, ist der Vormarsch der Alliierten nicht mehr aufzuhalten. Die Tage unter dem Faschismus sind gezählt. Dem politisch Verfolgten Alcide De Gasperi (Luigi Vannucchi) und vielen anderen ist dies klar und sie bereiten sich deshalb auf die Zeit danach vor. Mithilfe von Freunden wie Maria (Dominique Darel), die nach dem Krieg wieder als Reporterin arbeiten will, organisiert De Gasperi Treffen mit Vertretern der anderen politischen Parteien mit dem Ziel, eine gemeinsame Linie zu finden. Auch wenn die ideologischen Differenzen offensichtlich sind, will De Gasperi Italien eine demokratische Grundlage geben, sodass dem Faschismus jegliche Grundlage entzogen wird.

Als dann der Tag kommt und die US-amerikanischen Soldaten in Rom einmarschieren, muss De Gasperis Theorie in die Praxis umgesetzt werden. Der Anfang gelingt und die Unterstützung bei den Italienern ist groß, doch schon bald erkennt der überzeugte Demokrat De Gaspari die ersten Hürden. Die politische Einheit fängt an zu zerbröckeln während der Diskussion über den Posten des Ministerpräsidenten. Dazu kommen noch der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur sowie die wirtschaftlichen Hindernisse, die De Gasperis Vision im Wege stehen.

Die Zeit danach

Roberto Rossellini ist einer der Wegbereiter des italienischen Neorealismus sowie des europäischen Nachkriegskinos. Wie seine Kollegen wollte er sich von den kulturellen Konventionen unter dem Faschismus distanzieren und erzählte – wie beispielsweise Vittorio De Sica – Geschichten über den Wiederaufbau nach dem Krieg, doch ebenso vom gesellschaftlichen Trauma. Filme wie Deutschland im Jahre Null, Paisa und Rom, offene Stadt sind Beispiele für dieses neue Kino und bewiesen Rossellinis genaue Beobachtungsgabe für politisch-soziale Prozesse. Anno Uno ist einer seiner letzten Spielfilme und erzählt die Geschichte des ersten italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi, wobei Rossellinis Fakten und Fiktion vermischt. Auf dem Filmfestival Locarno wird derzeit eine restaurierte Version von Anno Uno gezeigt, die eine Neubewertung des Films notwendig macht, alleine schon wegen seiner Aktualität für unsere Zeit.

Anno Uno ist gewiss ein Film, dessen Botschaft im Vordergrund steht und weniger dessen Ästhetik. Im Vergleich zu Stromboli oder Reise in Italien ist Anno Uno fast so etwas wie ein Rückschritt und wesentlich näher an den ersten Werken des Regisseurs – was jedoch nicht zwingend als Kritik zu verstehen ist. Angesichts der Themen von Anno Uno erweist sich die semidokumentarische Herangehensweise als Vorteil: Sie vermittelt Nähe zu den realen Figuren und Ereignissen und erlaubt zugleich eine dramaturgische Zuspitzung. Die meiste Zeit verbringt der Film nämlich mit Diskussionen und in verschlossenen Räumen, wenn sich die Akteure von den Faschisten verstecken müssen und später als sie über die Neuordnung Italiens debattieren.

Besonders im zweiten Teil von Anno Uno steht dies im Fokus und definiert die Spannungsdramaturgie der Handlung, da De Gasperi um seine Vision eines Europas in Frieden ringt, in dem eine menschenfeindliche Ideologie keinen Nährboden mehr findet. Die zu Beginn spürbare Anspannung und Angst auf den Straßen Roms ersetzt Rossellini durch die Frage, ob ein Neubeginn inmitten ideologischer und politischer Grabenkriege möglich ist. Der Zuschauer sollte sich daher auf sehr viele komplexe Dialoge einstellen, wobei jedoch nicht vergessen wird, was auf dem Spiel steht.

Humanität und politische Verantwortung

Interessant ist Anno Uno aufgrund der Darstellung der unterschiedlichen Akteure. Im Zentrum stehen zwar politische Entscheidungsträger wie De Gasperi und die anderen Minister, doch genauso zeigt Rossellinis Film andere gesellschaftliche Gruppen sowie ihre Bewertung dieses politischen Neubeginns. Durch Dominique Darels Figur, die leider etwas zu kurz kommt, wird die Hoffnung gezeigt, die viele Italiener mit dem Ende des Faschismus verbinden und ebenso die beginnende Desillusionierung. Fast schon satirisch überhöht wirken ihre Begegnungen mit den „Salonintellektuellen“, die bei Cappuccino und Cannoli jegliche Aktion und Äußerung der Politiker aufs Korn nehmen.

Nicht viel anders stellt Rossellini einige der Politiker dar, die in dem Neubeginn auch eine Chance zur Selbstverwirklichung sehen oder eben eine zur Manifestierung einer neuen Ideologie. Luigi Vannucchi als De Gasperi ist dabei ein Visionär, der über die Legislaturperiode hinaus denkt und dessen Aussagen zur europäischen Einigkeit auch von heutigen Politikern kommen könnten. Ebenso aktuell erscheinen seine Befürchtungen, mangelnde Einigkeit oder Egoismus würden den Grundstein legen für einen neuen Faschismus. Politische Verantwortung bedeutet in Rossellinis Film Verantwortung für die Menschen und eine Vision, in der eine menschenfeindliche Ideologie keinen Platz mehr finden darf.

Credits

OT: „Anno Uno“
Land: Italien
Jahr: 1974
Regie: Roberto Rossellini
Drehbuch: Roberto Rossellini, Marcella Mariani, Luciano Scaffa
Musik: Mario Nascimbene
Kamera: Mario Montuori
Besetzung: Luigi Vannucchi, Dominique Darel, Corrado Olmi, Renato Montanari, Tino Bianchi

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Anno Uno
fazit
„Anno Uno“ ist ein politisches Drama über den Neubeginn Italiens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Roberto Rossellini vermischt Fakt und Fiktion zu einer komplexen Geschichte über die Chancen sowie die Ängste eines ideologischen Neustarts, dessen Scheitern immer wieder möglich zu sein scheint. „Anno Uno“ führt die Themen aus Rossellinis „Deutschland im Jahre Null“ und „Rom, offene Stadt“ konsequent fort und entfaltet im Kontext dieser Werke seine volle Wirkung.
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