
Im Jahr 1307 beginnt der Habsburger König Albrecht der Erste (Ben Kingsley), Schweizer Kantone zu besetzen, um seine Macht zu konsolidieren und die Bevölkerung auszubluten. Als einer seiner Steuereintreiber die Frau eines Bauern vergewaltigt und tötet, hilft der ortsansässige Wilhelm Tell (Claes Bang) diesem zu entkommen. Als die Unterdrückung durch die Habsburger immer größer und brutaler wird, entschließt sich der ehemalige Kreuzritter Tell widerwillig, erneut seine Waffen aufzunehmen und seine Gefolgsleute bei ihrem Kampf aus der Knechtschaft der Österreicher zu führen.
Genre revival
In den letzten Jahren wurden mit Die drei Musketiere: D’Artagnan, Die drei Musketiere: Milady und einer Neuverfilmung des Grafen von Monte Christo gleich mehrfach bekannte Historienepen neu interpretiert. Mit Wilhelm Tell nimmt sich Regisseur Nick Hamm diesmal der fiktionalen Geschichte des Schweizer Nationalhelden an, der allgemein vor allem dafür bekannt ist, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen zu haben. Spätestens seitdem Friedrich Schiller dessen Legende in seinem letzten Drama inszenierte, ist Wilhelm Tell als Freiheitskämpfer und Identifikationsfigur der Schweizer auch weit über ihre Grenzen hinaus bekannt.
Freiheitskämpfer mit Franchise-Ambition?
Für seine Neuinterpretation der Geschichte Wilhelm Tells orientiert sich Regisseur und Drehbuchautor Nick Hamm an Schillers Drama, nimmt sich dabei aber eine ganze Reihe künstlerischer Freiheiten, sowohl bezüglich Tell selbst als auch in Bezug auf die historischen Umstände. Der Essenz der Legende Wilhelm Tells bleibt er jedoch treu. Die historisch neutrale und kriegsaverse Schweiz sieht sich der Bedrohung durch die benachbarten Österreicher ausgesetzt und hadert mit der eigenen Identität und ob ein Krieg unvermeidlich oder überhaupt erfolgversprechend wäre. Wilhelm Tell personifiziert diese Einstellung. Obwohl, oder gerade weil, er Kriegsveteran ist, lehnt er Gewalt kategorisch ab. Gleichzeitig kann er Ungerechtigkeit nicht tatenlos ertragen. So avanciert Wilhelm Tell zu einer Pseudo-Charakterstudie über Pazifismus, Unterdrückung, Radikalisierung und schließlich Rebellion.
Dabei ist zumindest die Bedrohung durch die Habsburger und der Schweizer Widerstand und Freiheitswille historisch authentisch. Abseits Tells findet innerhalb des Films jedoch keinerlei Charakterentwicklung statt und trotz allem bleibt selbst dieser zu eindimensional. Sein Charakter beinhaltet keinerlei echte moralische Ambivalenz und wahrt durchgehend seine ethisch überlegene Position. Habsburger und Schweizer sind klar in Schwarz und Weiß gezeichnet – als eindeutig böse und gut, was die Handlung vorhersehbar erscheinen lässt. Dennoch entfaltet die klassische Underdog-Geschichte einen Reiz, welche das Publikum in ihren Bann zieht. Die in Aussicht Stellung einer Fortsetzung im Stil einer Marvel Post-Credit-Szene wirkt jedoch nicht nur fehl am Platz, sondern auch zu optimistisch.
Epos im Fernseh-Look
Visuell besticht Wilhelm Tell mit beeindruckenden Bildern der Schweizer Berglandschaft. Davon abgesehen wirkt der Film jedoch durch seine Inszenierung regelrecht aus der Zeit gefallen. Statt nach einem internationalen Mid-Budget-Projekt sieht Wilhelm Tell eher nach einer Terra-X-Produktion für das öffentlich-rechtliche Fernsehen aus. Die Charaktere strahlen durch ihre überzeichnete und trotz der offensichtlichen moralische Einordnung einen gewissen Charme aus. Besonders hervorzuheben sind hier neben Claes Bangs Tell, Connor Swindells als Gessler und Ben Kingsley als der einäugige Habsburger König Albrecht der Erste. Einhergehend mit der Charakterisierung der Figuren ist Nick Hamm dann auch bei der Brutalität konsequent und scheut nicht vor grafischer und handwerklich solider Inszenierung zurück.
(Anzeige)