Pornostar
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Pornostar

Pornostar
„Pornostar“ // Deutschland-Start: 27. April 2000 (Kino) // 29. Oktober 2021 (DVD)

Inhalt / Kritik

Wie aus dem Nichts erscheint eines Tages Arano (Chihara Jr.) im Tokioter Stadtteil Shibuya. Das unscheinbare Äußere des jungen Mannes trügt, denn in den Taschen seines dunkelgrünen Regenmantels versteckt er eine Reihe Messer, die jedem seiner Angreifer gefährlich werden können. Sein Weg führt ihn zu Kamijo (Onimaru), einem Nachtklubbesitzer, der von einem Verbrechersyndikat mit einem Mord beauftragt wurde. Eigentlich wollte er sich von den Yakuza distanzieren, doch wegen seines Geschäftes gelingt ihm dies nicht wirklich. Die Begegnung mit Arano hingegen verändert alles, denn der junge Fremde scheint mehr als bereit zu sein, jemanden umzubringen, besonders, wenn es sich bei dem Opfer um einen Gangster handelt. Als er Arano jedoch mit der Organisation bekannt macht, die ihm den Auftrag gegeben hat, weiß er noch nicht, dass er damit einen Welle der Gewalt lostreten wird. Der Fremde ist nämlich nicht nur brutal und gewaltbereit, sein Hass auf die Yakuza macht auch vor niemandem halt.

Wut im Bauch

Das japanische Kino Ende der 90er Jahre und zu Beginn der 2000er Jahre ist eine interessante Zeit für die Filmindustrie des Landes. Mit Filmen wie Kinji Fukasakus Battle Royale oder Takashi Miikes Ichi – The Killer kamen Werke in die Kinos, die stilistisch und thematisch überzeugten und den Blick richteten auf die junge Generation Japaner und was diese beschäftigte. In dieser Zeit drehte Toshiaki Toyoda seinen Debütfilm Pornostar, der zwar weniger bekannt ist als die genannten Beispiele aber dennoch in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist, nicht zuletzt, weil er die Karriere eines Regisseurs begründete, der heute zu den wichtigsten Filmemachern Japans zählt. Pornostar ist ein wütender, unkonventioneller Film, der sehr viel gemein hat mit dem Punk-Kino eines Sogo Ishiis (Die Familie mit dem umgekehrten Düsenantrieb). Auf der ersten Nippon Connection im Jahre 2000 wurde Toyodas Debüt einem deutschen Publikum gezeigt, weshalb Pornostar zum 25-jährigen Bestehen des Festivals im aktuellen Programm des Festivals erneut vertreten ist.

Die 1990er markieren einen politischen und sozialen Paradigmenwechsel für Japan, der sich in Filmen wie Pornostar widerspiegelt. Während der „Bubble-Economy“ waren die Zukunftsaussichten der jungen Generation noch rosig und optimistisch, doch spätestens mit der Wahl 1993 war diese Zeit beendet. Was folgte, war nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern auch ein veränderte Aussicht auf die Zukunft, ein Gefühl der Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit sowie eine immense Wut auf die Generation, die all dies zugelassen hat. In Battle Royale wird dieses Kampf der Generation offen ausgetragen, doch in Filmen wie Pornostar werden die korrupten, verbrecherischen Strukturen angegriffen. Chihara Jr. als Arano ist ein Vertreter der jungen Generation, der angetrieben ist von einer Aggression, die sich vor allem gegen die Yakuza richtet, die das Sagen in Shibuya hat. So richtig schlau wird man nicht aus ihm, was seine plötzlichen Gewaltausbrüche um so überraschender und schockierender macht, selbst für die ansonsten hartgesottenen Gangster. Wie Travis Bickle in Taxi Driver ist Arano keineswegs ein Held oder jemand, mit dem man sympathisieren soll, er ist ein Charakter, der ohne Ziel und ohne Wurzeln ist, einer, dessen Licht im Innern lange erloschen ist und der nur noch in der Zerstörung einen Sinn sieht.

Ein Blick in die Zukunft

Passend zu den Motiven und Figuren seines Filmes bedient sich Toyoda einer für das Indie-Kino typischen Ästhetik. Pornostar ist rau und wirkt teils wie ein Amateurfilm dank seiner Handkamera-Optik. Der Soundtrack von DIP betont das Unkonventionelle und die Punk-Attitüde von Toyodas Spielfilmdebüt. Shibuya, ein gern genommenes Setting für viele Filme, wird zu einem dreckig-verkommenen Sündenpfuhl, in dem das Verbrechen und die Gewalt regieren, während die wenigen Jugendlichen versuchen, einen anderen Akzent zu setzen. Konsequenterweise findet Arano er in der Beziehung zu einer jungen Skaterin (gespielt von Rin Ozawa) die Möglichkeit eines Auswegs aus dem Strudel der Gewalt, den er mit losgetreten hat. Der Traum vom „großen Sommer der Liebe“, von dem sie spricht, wirkt jedoch naiv angesichts der Realität, die sie umgibt. Der Blick in die Zukunft bleibt nicht ungewiss bei Toyoda, denn man weiß als Zuschauer schon recht früh, wohin die Reise des Protagonisten geht, was sicherlich dramaturgisch nicht sonderlich spannend ist, aber thematisch nur folgerichtig.



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Pornostar
fazit
„Pornostar“ ist das wütende Spielfilmdebüt Toshiaki Toyodas. Der Regisseur zeigt eine düstere, brutale und korrupte Welt, die man als Metapher auf das Japan nach dem Zerplatzen der „Bubble-Ecomony“ begreifen kann. Dramaturgisch mag der Film seine Schwächen haben, doch ästhetisch und thematisch ist „Pornostar“ ein beeindruckendes Werk.
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