
Die aus Mali stammende Familie von Haby Keita (Anta Diaw) wohnt wie viele andere mit Migrationshintergrund in einem heruntergekommenen Wohnblock, der dringend saniert werden müsste. Schon länger ist dieser den Behörden ein Dorn im Auge, wenn sie könnten, würden sie das Gebäude einfach abreißen. Als der Arzt Pierre Forges (Alexis Manenti) zum Übergangsbürgermeister ernannt wird, will er das vorantreiben. So werden die Bewohner und Bewohnerinnen dazu gedrängt, ihre Wohnungen zu einem Spottpreis zu verkaufen, der weit unter dem liegt, was sie selbst bezahlt haben. Haby will da nicht tatenlos zusehen und nimmt den Kampf auf. Mehr noch, sie will selbst als Bürgermeisterin kandidieren, um den Menschen zu helfen, und bringt damit Pierre gegen sich auf …
Die Wut geht weiter
Als Ladj Ly 2019 sein Spielfilmdebüt Die Wütenden – Les Misérables vorstellte, sorgte er damit für mächtig Wirbel. Das zornige Thrillerdrama um ein auseinanderbrechendes Frankreich, verbunden mit Unruhen in einem sozialen Brennpunkt und Polizeigewalt, wurde von der Kritik gefeiert, war für neun Césars nominiert. Auch bei den Oscars, den Golden Globes, dem Europäischen Filmpreis und dem BAFTA war er im Rennen. In Frankreich sahen den Film mehr als zwei Millionen Menschen im Kino. Insofern durfte man neugierig sein, wie denn der zweite Spielfilm des Franzosen ausfallen würde. Dieses Mal fiel die Resonanz aber deutlich bescheidener aus, kaum jemand nahm von Die Unerwünschten – Les Indesirables Notiz. Im Kino schaffte das Zweitwerk nicht einmal ein Zehntel, bei Filmpreisen spielte es keine Rolle. Auch die Festivalausbeute war nach dem Debüt beim Toronto International Film Festival 2023 eher dürftig.
Dabei ist der Film besser, als es das magere Ergebnis impliziert. Tatsächlich zeigt er zumindest in Ansätzen dieselben Qualitäten wie das Debüt. So hat Ly, der erneut mit mehreren an dem Drehbuch gearbeitet hat, wieder einen sozialen Brennpunkt ausgesucht, um seine Geschichte zu erzählen. Dieses Mal geht es aber weniger um die Auseinandersetzungen mit der Polizei, wenn die Gesellschaft zu einem Pulverfass geworden ist. Stattdessen ist es die Politik, die gern zündelt. Die Unerwünschten – Les Indesirables erzählt nicht davon, wie sich eine Parallelgesellschaft bildet, sondern wie diese zerstört werden soll. Das Vorgehen ist skrupellos, Pierre scheut nicht vor Gewalt zurück. Mitgefühl ist dabei ein Fremdwort, der Bürgermeister will mit diesen Leuten nichts zu tun haben – aus den Augen, aus dem Sinn. Er wird damit zum idealen Feindbild, ein Mensch, den man nur hassen kann.
Viel Gefühl, wenig Auseinandersetzung
Subtilität ist da kaum vorhanden. Der Film setzt auf maximale Kontraste: Auf der einen Seite der weiße Arzt, der in seiner schicken Villa lebt, auf der anderen Seite die Schwarzen, die zusammengepfercht in widrigen Verhältnissen hausen, ohne Perspektive. Die Unerwünschten – Les Indesirables setzt auf die Bildung von Blöcken, ohne viel Austausch. Selbst die Protagonistin Haby wird in der Hinsicht kaum genutzt. Da war der Vorgänger doch der interessantere Film, als mit verschiedenen Perspektiven gearbeitet wurde. Das ist etwas schade, da das Thema mehr Nuancen gut vertragen hätte. Was in dem Film etwas kurz kommt, ist die Notwendigkeit, etwas zu tun. Das Haus ist nun einmal dringend sanierungsbedürftig, so wie bisher kann es nicht weitergehen. Da fehlt dann auch innerhalb des Films eine Diskussion, was stattdessen getan werden könnte.
Beeindruckend ist das Ergebnis aber auch in der vorliegenden Holzhammervariante. Es ist nahezu unmöglich, sich nicht von der Wut der Menschen anstecken zu lassen, die von der Politik im Stich gelassen werden und denen nicht einmal die wenigen Dinge gelassen werden, die sie besitzen. Die Unerwünschten – Les Indesirables zeichnet sich durch eine große Emotionalität aus, Hauptdarstellerin Anta Diaw ist da eine echte Entdeckung. Insofern ist das Drama erneut sehenswert und es wäre zu wünschen, dass Ly auch weiterhin mit viel Einsatz gegen die Missstände poltert. Gerade in einer Zeit, in der die Menschen gerne Probleme ignorieren, ist es nicht verkehrt, seine Stimme zu erheben, selbst wenn das Ergebnis etwas simpler ist, als es hätte sein können.
OT: „Bâtiment 5“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Ladj Ly
Drehbuch: Giordano Gederlioni, Ladj Ly, Dominique Baumard
Kamera: Julien Poupard
Besetzung: Anta Diaw, Alexis Manenti, Aristote Luyindula, Steve Tientcheu, Aurélia Petit, Jeanne Balibar, Judy Al Rashi, Mohamad Al Rashi, Djénéba Diallo, Bass Dhem
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