
Es sind keine einfachen Bedingungen, in denen die 16-jährige Nismet (Emma Boulanouar) aufwächst. Ihr größtes Problem ist Denis (Théo Costa-Marini), der neue Partner ihrer Mutter Najoua (Loubna Abidar). Der neigt zur Gewalt, sowohl der Mutter wie der Tochter gegenüber, sperrt die beiden ein, will über alles bestimmen. Mehrfach hat er auch versucht, die Jugendliche zu missbrauchen. Als es mal wieder zu einer Auseinandersetzung kommt, reicht es Nismet und sie läuft davon. Mehrere Tage lebt sie auf der Straße, bis sie von der Polizei aufgegriffen wird. Als sie dort zu Protokoll gibt, was bei ihr geschieht und dass sie auf keinen Fall nach Hause will, kommt sie erst einmal in ein Übergangsheim, wo sie sich mit Souad (Inès Doyen-Arab) anfreundet. Doch der Weg in ein eigenständiges Leben ist lang und hart …
Autobiografischer Blick auf eine schwierige Jugend
Der Donnerstagabend ist auf arte bekanntlich für Serien reserviert. Dann und wann ist auf dem Programmplatz zwar auch mal ein leichterer Stoff zu finden. Überwiegend werden jedoch düstere Geschichten ausgestrahlt. Zuletzt gab es mehrere Krimis zu sehen. In Rapa versuchen ein Lehrer und eine Polizeimeisterin, den Mord an einer Bürgermeisterin aufzuklären. Zuvor wurde in Auf hoher See der Tod eines Matrosen auf einem Handelsschiff thematisiert. Düster heißt aber nicht zwangsläufig, dass es immer um die Aufklärung von Verbrechen gehen muss. Einen Beweis hierfür liefert Nismet – Ein ungewöhnliches Mädchen, eine französische Serie, die das schwierige Aufwachsen einer Jugendlichen beschreibt und dabei mitten aus dem Leben gegriffen ist.
Tatsächlich schildert Nismet Hrehorchuk in dem Drehbuch, das sie gemeinsam mit Regisseur Philippe Faucon geschrieben hat, ihre eigene Jugend. Sie selbst ist sogar in einer kleinen Nebenrolle zu sehen, spielt die Heimleiterin Brigitte. Das sorgt dann natürlich für mehr Authentizität. Insgesamt ist Nismet – Ein ungewöhnliches Mädchen auch eine naturalistische Serie, teils wirkt das wie eine Dokumentation. Da gibt es keine dramatischen Zuspitzungen. Bei der Inszenierung wird darauf verzichtet, das Publikum irgendwie manipulieren zu wollen. Faucon verlässt sich auf die Geschichte sowie sein Ensemble, hält es nicht für nötig, durch Musik oder große Dialoge die Zuschauer und Zuschauerinnen führen zu müssen. Das klappt insgesamt auch gut, nur dann und wann werden die Texte etwas unnatürlich, da hätte es an manchen Stellen mehr Feinschliff gebraucht.
Sehenswert, aber etwas oberflächlich
Auch beim Tiefgang ist das so eine Sache. Bei Nismet – Ein ungewöhnliches Mädchen gibt es eine Reihe von Themen, über die man gern mehr erfahren hätte. Beispielsweise wird das mit der kulturellen Identität mehrfach gestreift, die Familie kommt aus Marokko, lebt aber in Frankreich. Es wird aber nie klar, wie die Protagonistin dazu steht. Auch der spätere Verlauf des Lebens bleibt etwas an der Oberfläche. Die Serie verrät nicht, warum Nismet diesen beruflichen Weg einschlägt oder was in ihr vorgeht, als sie sich für einen weniger würdevollen Job entscheidet, um das alles finanzieren zu können. Da wären mehr Einblicke in die Gedanken und Gefühle nützlich gewesen, sie bleibt an diesen Stellen eine Fremde, man lernt sie kaum kennen.
Dennoch ist die französische Produktion sehenswert. Das Schicksal der Protagonistin, die vieles erdulden muss und mühsam lernt, sich allein durchs Leben zu schlagen, geht trotz der Distanz zu Herzen. Newcomerin Emma Boulanouar ist auch eine gute Besetzung für die Rolle der rebellischen Teenagerin, die sich von niemandem etwas sagen lassen will. Auf gesellschaftliche Ansprüche wird dabei verzichtet, Nismet – Ein ungewöhnliches Mädchen ist nicht mehr als das Porträt einer einzelnen Person, soll nie mehr sein. Als solches ist das aber gut umgesetzt. Da die Laufzeit recht kurz ist, die vier Folgen sind zusammen gerade mal rund zweieinhalb Stunden lang, lohnt es sich, hier einmal vorbeizuschauen, ein Interesse für diese Art Stoffe vorausgesetzt.
OT: „Nismet“
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Philippe Faucon
Drehbuch: Philippe Faucon, Nismet Hrehorchuk
Musik: Amine Bouhafa, Jean-Pierre Taïeb
Kamera: Laurent Fénart
Besetzung: Emma Boulanouar, Loubna Abidar, Théo Costa-Marini, Léna Robin, Inès Doyen-Arab
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