Alle wollen geliebt werden Interview
Regisseurin Katharina Woll und Hauptdarstellerin Anne Ratte-Polle bei der Premiere von "Alle wollen geliebt werden" beim Filmfest München (© Filmfest München / Dominik Bindl)

Katharina Woll [Interview]

Die Reihe „Neues Deutsches Kino“ beim Filmfest München ist immer auch ein Sprungbrett für junge Talente. Katharina Woll hat dort 2022 ihren Abschlussfilm Alle wollen geliebt werden (Kinostart: 8. März 2023) gezeigt, dessen Drehbuch sie zusammen mit Florian Plumeyer schrieb. Es geht darin um die von Anne Ratte-Polle verkörperte Psychotherapeutin Ina, die in ihrem eigenen Leben sämtliche Ratschläge ignoriert, von denen sie ihre Klienten und Klientinnen überzeugen muss. Ina kann einfach nicht nein sagen: nicht zu ihrem Freund, nicht zu ihrer Mutter und auch nicht zu ihrer pubertierenden Tochter. Das kann natürlich nicht lange gut gehen und das soll es auch nicht, denn Ina ist keineswegs nur ein tragischer, sondern auch ein höchst komischer Charakter. Für das „raffinierte Figurengeflecht“ und die „scharfen, glaubwürdigen Dialoge“, so die Jury, erhielten Katharina Woll und Florian Plumeyer den Förderpreis Neues Deutsches Kino in der Kategorie Drehbuch. Auf dem Filmfest sprachen wir mit Katharina Woll über verwandtschaftliche Bezüge zu Therapeutinnen, die Balance zwischen Humor und Drama, sowie über die Zusammenarbeit mit Anne Ratte-Polle.

Wie ist die Idee für den Film entstanden?

Ich habe mit meinem Ko-Autoren Florian Plumeyer die Geschichte zusammen entwickelt und er hat hauptsächlich die Dialoge geschrieben. In den zwei Jahren, die wir daran arbeiteten, veränderte sich die Story. Wir gingen aber immer von der Hauptfigur Ina aus, deren Charakter über die Jahre in etwa gleich blieb. Sie ist eine Frau, die von allen Seiten unter Druck gesetzt wird. Außerdem wollten wir von Anfang an eine doppelte Mutter-Tochter-Beziehung, also drei Generationen von Frauenschicksalen. Von da hat sich das auf natürliche Weise entwickelt. Irgendwann ist die Hauptfigur dann Psychotherapeutin geworden. Auch deshalb, weil wir einen persönlichen Bezug dazu haben. Die Mutter von Florian Plumeyer ist Therapeutin und meine Tante auch. Außerdem fanden wir es gut, dass Ina auch in ihrem Beruf einer Care-Arbeit nachgeht, wie auch in ihrem Privatleben.

Basiert die fiktive Figur Ina auf einem realen Vorbild oder ist sie ein Mix aus verschiedenen Beobachtungen?

Sie ist ein Mix. Das gilt auch für die beiden anderen Frauenfiguren, die Mutter von Ina und ihre Teenage-Tochter. Ich selbst kann mich mit allen drei zu einem gewissen Teil identifizieren. Altersmäßig stehe ich zwischen der Teenage-Tochter und der Hauptfigur, allerdings näher an der Hauptfigur. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich mich mit der Teenage-Tochter identifiziere. Aber vor allem die Hauptfigur ist mir und meinem Ko-Autoren nicht fremd mit ihrer Art, alle Wünsche erfüllen zu wollen, die von außen an sie herangetragen werden. Mir ging es darum, in diesen drei Figuren die unterschiedliche Sichtweise auf das Leben zu erkunden. Die Oma kommt aus der Alt-68er-Generation und hat inzwischen einen nüchtern-pragmatischen Blick auf die Dinge. Und die Teenage-Tochter besitzt noch einmal einen anderen Zugang zur Welt als die beiden älteren.

Wie wichtig war es euch, dass der Stoff nicht nur als Drama verhandelt wird, sondern zugleich als Komödie?

Sehr wichtig. Am Anfang war das Ganze sogar noch lustiger. Es gab zunächst ein Voice-Over von Ina, die eine noch größere Komik erzielen sollte. Aber das haben wir im Schnittprozess wieder gestrichen, weil wir merkten, dass das zu Doppelungen von sichtbarer Handlung und Off-Stimme führt. Mir war immer wichtig, dass wir kein pures Drama drehen, selbst wenn der Film dramatischer wurde als ursprünglich gedacht. Es geht um die Mischung aus einerseits Beklemmung, die man empfindet, wenn man mit Ina mitfühlt, und andererseits Erleichterung durch Komik.

Wie habt ihr die Balance zwischen Komik und Drama hinbekommen?

Am Ende ist es eine Frage der Inszenierung. Es gab im Drehbuch gute Vorlagen für lustige Dialoge, aber teilweise ist die Komik auch beim Drehen entstanden. Und manches entscheidet sich dann im Schnitt. Wir hatten zum Beispiel noch mehr Slapstick-Sachen gedreht, die dann in der Montage rausgeflogen sind.

Es ist dein Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB)und du hast mit dem ZDF kooperiert. Es ist ja sicher nicht leicht, die Redakteure von der Idee einer Newcomerin zu überzeugen. Wie habt ihr das geschafft?

Mein Produzent Markus Kaatsch war im selben Jahrgang an der DFFB wie ich. Wir haben bisher bei allen meinen Filmen zusammengearbeitet, so auch bei diesem. Parallel reichten wir zwei Förderanträge ein: einen bei „Leuchtstoff“, das ist die Abschlussförderung der Hochschule in Kooperation mit dem RBB. Diese Förderung haben wir auch bekommen. Gleichzeitig hatte Markus die erste Drehbuchfassung an den ZDF-Redakteur Christian Cloos geschickt, der für „Das kleine Fernsehspiel“ zuständig ist. Der ist glücklicherweise gleich eingestiegen. Ich glaube, er mochte die Dialoge und die Figuren. Er hat dann mit uns an dem Buch weitergearbeitet.

Habt ihr das Drehbuch schon mit Blick auf Hauptdarstellerin Anne Ratte-Polle geschrieben?

Nein, so kann man das nicht sagen. Höchstens in dem Sinne, dass wir an ihre Art Typ dachten. Bei Anne finde ich total interessant, dass Sie etwas Starkes und Toughes mitbringt. So wird sie auch oft besetzt. In die Figur Ina bringt dies ein schönes Spannungsfeld hinein. Vom Charakter her hätten wir Ina auch als „Mäuschen“ besetzen können. Aber dann hätte sie nicht diese Vielschichtigkeit.

Wie war die Zusammenarbeit mit ihr? War es für sie leicht, eine Frau zu spielen, die sich so sehr von der Zuneigung anderer abhängig macht?

Ich glaube, es war für sie ein großer Reiz, Komödie und Slapstick zu spielen. Und auch, dass sie gegen den Strich besetzt wurde. In Deutschland ist es oft so, dass man immer dieselben Rollen angeboten bekommt, wenn man einmal auf einen bestimmten Typ festgelegt ist.

Hat sich durch die Zusammenarbeit mit Anne Ratte-Polle die Geschichte noch einmal leicht verändert?

Anne ist eine sehr akribische Vorbereiterin. Wir sind das ganze Buch noch einmal durchgegangen. Jede Szene wurde ein paar Wochen vor dem Dreh geprobt. Das hat wahnsinnig Spaß gemacht, alles schon vorher zu sehen und dann nochmal am Text oder an der Szene zu schrauben. Mit der Besetzung werden Figuren natürlich auch anders und entwickeln ein Eigenleben.

Was sind deine nächsten Projekte?

Ich mache eine Doku für die ARD-Mediathek, aber darüber darf ich im Moment noch nichts verraten. Außerdem sprechen wir mit ZDF-Redakteur Christian Cloos über einen neuen Stoff. Das würde etwas ganz anderes werden als Alle wollen geliebt werden, aber das ist noch total in der Frühphase. Idealerweise kann man beim „Kleinen Fernsehspiel“ bis zu drei Filme machen. Es wäre natürlich toll, wenn wir auch den zweiten dort unterbringen könnten. Aber wir müssen abwarten, ob das klappt.

Zur Person
Katharina Woll wurde 1984 in München geboren. Nach dem Abitur lebte sie in Quito/Ecuador und assistierte dort einem deutschen Dokumentarfilmer. Sie studierte Film- und Theaterwissenschaft in Erlangen, München und Buenos Aires. Nebenbei arbeitete sie bei verschiedenen Film- und Theaterproduktionen. Während ihres Regiestudiums an der DFFB realisierte sie mehrere kurze Spiel- und Dokumentarfilme, die auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt wurden.



(Anzeige)