Shantel VanSanten in der dritten Staffel von „For All Mankind“ (© Apple TV+)

Shantel VanSanten [Interview]

Shantel VanSanten ist sowohl als Model wie auch als Schauspielerin bekannt. Seit 2019 verkörpert sie in der Raumfahrt-Serie For All Mankind Karen Baldwin, die Frau eines Astronauten. Anlässlich des Starts der dritten Staffel am 10. Juni 2022 auf Apple TV+ unterhalten wir uns mit ihr über die Entwicklung ihrer Figur

Deine Figur in der Serie, Karen, macht im Lauf der Jahrzehnte einige Veränderungen durch, von der Mutter und Hausfrau zur Barbesitzerin, bis hin zur Gründerin und Betreiberin eines Weltraumhotels, und sogar noch weiter, wie wir in der dritten Staffel sehen werden. Wie spannend und erfüllend ist es denn für dich, Teil eines Ensembles mit mehreren weiblichen Figuren in Führungspositionen zu sein?

Ich glaube, als ich in der ersten Staffel zur Serie gestoßen bin, hatte ich keine Ahnung, wo es Karen einmal hinführen würde und obwohl wir schon die gesamte dritte Staffel gedreht haben, bin ich immer noch sehr überrascht davon. Angefangen habe ich als eine Hälfte des Baldwin-Paares, das an der Spitze des NASA-Weltraumprogramms stand und habe die Rolle einer Hausfrau und Mutter übernommen. Soweit ich das gesehen habe, war das alles, was Karen sein wollte und ihre einzige Aufgabe. Wenn ich sehe, wie sie sich in den drei Staffeln entwickelt hat und zu wem sie geworden ist, dann glaube ich, dass diese Bestimmung und Sehnsucht danach immer schon in ihr war.

Sie hatte bisher einfach Angst davor, solche Risiken einzugehen oder den Personen, die sie liebte, zu erlauben, solche Risiken einzugehen und dabei selbst im Hintergrund zu bleiben. Nun hat sie endlich getan, was sie selbst wollte. Das hat etwas sehr Ermutigendes. Sie hat zugesehen, wie ihre beste Freundin, Tracy, oder ihr Ehemann – all diese Leute – die Dinge tun durften, von denen sie immer geträumt hatten, und hatte im Stillen ihre eigenen Träume, die wir nun in der dritten Staffel zu sehen bekommen. In der ersten Folge wird gezeigt, was genau Teil ihres Traums war. Aber dann sehen wir auch, wie sie einer Aufgabe nachgeht, die die Zuschauer für sie vielleicht nie für möglich gehalten haben.

Sie ist inzwischen auf jeden Fall an einem Punkt angekommen, den ich nicht vermutet hätte, als ich begonnen habe, die Serie anzuschauen. Siehst du sie als ein Vorbild für Mädchen und Frauen?

Ich würde mir wünschen, dass man jede einzelne Frau in der Serie als eine Frau sieht, die andere inspiriert, die Risiken eingeht und die vor Herausforderungen steht. Die Drehbuchautoren leisten meiner Meinung nach hervorragende Arbeit, wenn es darum geht, Frauen an die Spitze des Fortschritts zu stellen. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass ich Teil einer Serie bin, in der ich nicht nur eine Hausfrau sein darf. Ich bin mit einer Großmutter aufgewachsen, deren Job genau das war. Sie liebte es, eine Ehefrau, Mutter und Hausfrau zu sein. Das war eine Aufgabe, die sie als sehr befriedigend empfand. Ich denke, auf manche Frauen trifft das so zu, was auch wirklich wunderbar ist. Aber ich denke auch, dass sich in unserer gegenwärtigen, realen Welt viele Möglichkeiten aufgetan haben. Und in der Welt von For All Mankind hat sich der Fortschritt gerade für Frauen exponentiell entwickelt. Man sieht Karen jetzt nicht mehr nur als Barbesitzerin, sondern auf dem Cover von Forbes! Ich hoffe, dass inspiriert Mädchen oder Frauen. Ganz bestimmt fühle ich mich von Karen und vielen der anderen weiblichen Figuren in unserer Serie inspiriert.

Einzigartig an der Serie ist, dass die Erzählung sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Nicht nur die Charaktere an sich verändern sich, sondern auch ihr Aussehen muss sich ändern…

[lacht] Wir können nicht ewig jung bleiben!

Genau! Deine Figur ist längst nicht mehr im selben Alter wie du selbst. Gehst du, was das Schauspiel betrifft, also körperlich anders an sie heran als noch zu Beginn der Serie? Oder spielst du sie einfach, ohne darüber nachzudenken?

Oh nein! Nein, natürlich denke ich an alle diese Dinge. Das gehört alles dazu, um zu der Figur zu werden. Das Körperliche ist so unglaublich wichtig für die Erzählung. Mit der Maske, der Perücke, dem Kostüm und so weiter dauerte es jeden Tag etwa drei Stunden, um zu Karen zu werden. Und es sieht dann aus, als ob ich das bin, es sieht sehr nahtlos aus. Unsere Makeup-Abteilung hat mich echt umgehauen! Ich habe mir die erste Folge der neuen Staffel angeschaut, um zu überprüfen, ob es wirklich so aussieht, als ob ich gealtert sei und ob ich die Maske sehen konnte. Und das Ergebnis hat mich wirklich umgehauen! Die sind so talentiert!

Wir haben oft schon sehr früh morgens angefangen; manchmal musste ich schon um zwei Uhr morgens erscheinen und in der Maske sitzen. Dort saß ich dann bis um fünf, dann zog ich mein Kostüm an, machte mich fertig und ging um sechs Uhr zur Probe… und ich war einfach Karen! Es hat etwas sehr Schönes und Transformierendes, wenn man körperlich in eine andere Figur schlüpfen muss und sich dafür in jemanden verwandeln muss, der sich nicht mehr so anfühlt wie man selbst. Das sind wahrscheinlich einige meiner liebsten Herausforderungen als Schauspielerin, weil man sein eigenes Selbst in diesen Rollen vollkommen verliert. Man schaut nicht in den Spiegel und denkt sich, naja, das bin halt ich, also tu ich mal besser so, als sei ich jemand anderes. Stattdessen sieht man nicht einmal mehr wie man selbst aus!

Das muss sehr befreiend sein.

Ja, das ist es. Und ich glaube, man spielt dann auch mehr, man fordert sich selbst mehr heraus, man geht mehr Risiken ein und man hat weniger Angst davor, sich selbst zu beurteilen und manchmal auch zu scheitern. Ich glaube, das ist auch eine Situation, in der sich Karen wiedergefunden hat. Es war sehr befreiend und schön.

Um ehrlich zu sein, sind diese drei Stunden jeden Morgen gar nicht so schlimm. Die 45 Minuten am Ende eines Zwölf- oder 13-Stunden-Tages in Maske und Perücke, in denen alles wieder entfernt wird, das war das Schlimmste, weil man es einfach runterreißen, sich eine Jogginghose anziehen, nach Hause gehen und auf der Couch sitzen will. Stattdessen muss man in der Maske sitzen und alles ganz langsam wieder entfernen, damit sich nicht das Gesicht herunterreißt! [lacht]

Das hier ist tatsächlich das allererste Interview, das ich führe.

Was!? Herzlichen Glückwunsch! Das ist großartig!

Danke! Auch in For All Mankind geht es ja darum, Neues zu wagen, ins Unbekannte aufzubrechen und neue Orte zu entdecken. Also würde ich gerne wissen, wie du selbst an neue Aufgaben oder Abenteuer herangehst. Hast du Angst, bist du nervös? Wie gehst du mit deinen Gefühlen um und machst du sie dir vielleicht auch in deinem Schauspiel zunutze?

In dieser Staffel gibt es eine neue Figur namens Dev. Er wird von Edi Gathegi gespielt. Wir sind gute Freunde und haben uns neulich unterhalten. Ich sagte zu ihm, dass mich bei der Suche nach neuen Rollen immer genau das interessiert, was mir Angst macht. Ich habe nie genau verstanden, warum das so ist und er sah mich an und sagte: „Weil du dich weiter entwickeln willst.“ Und ich dachte mir, na klar, du hast so recht! Die Antwort ist so einfach und trotzdem wusste ich nicht, warum ich mich gerne ins Unbekannte begebe.

Nach der ersten Staffel habe ich mir eine Astronautin auf den Rücken tätowieren lassen. Sie schwebt durch den Weltraum mit ihren Armen hinter sich und dem Herz voraus ins Unbekannte. Und sie steht für die Hingabe ans Unbekannte. Ich liebe Dinge, die mir Angst machen. Ich liebe Dinge, von denen ich nicht weiß, wie man sie macht und liebe es, mich selbst dazu zu motivieren, zu lernen und über mich hinaus zu wachsen und mich außerdem damit zu überraschen, wozu ich fähig bin. Ich will nicht stehen bleiben oder an einem Ort bleiben, an dem ich nicht das Höchstmaß an kreativer Freiheit erleben kann.

Ich gratuliere dir also dazu, diese neue Aufgabe in Angriff genommen zu haben – ganz egal, ob das schon immer dein Traum war oder ob es etwas Unbekanntes für dich ist und du Angst davor hat. Denn genau dort entwickeln wir uns weiter, und darum geht es im Leben.

Es ist bei mir eine Mischung aus Aufregung und Angst.

Ja, aber wenn man [solche Dinge] nicht tut, dann fühlt man sich nicht vollständig lebendig! Also ist das wunderbar!

Vielen Dank für das Gespräch, Shantel.

Gerne! Es war schön, mit dir zu reden und ein wirklich tolles erstes Interview. Ich wünsche dir viele, viele weitere Erfolge!



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