Hundstage
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Hundstage

Hundstage
„Hundstage“ // Deutschland-Start: 1. August 2002 (Kino) // 21. Februar 2005 (DVD)

Inhalt / Kritik

Der Sommer hat in Österreich seine Hochphase erreicht, mit den sogenannten Hundstagen. In einem kleinen Vorort versuchen die Menschen entweder der Hitze zu entgehen oder gehen verschiedenen Beschäftigungen nach wie Anna (Maria Hofstätter), die Autofahrer darum bittet, für ein paar Kilometer mitgenommen zu werden. Die meisten dieser Fahrten enden jedoch sehr abrupt, denn Anna ist verhaltensauffällig, stellt den Fahrern sehr intime, direkte Fragen und beginnt beispielsweise damit Webejingles zu singen. Mehr als einmal kommt es daher zu Konflikten mit anderen Personen, etwa dem Alarmanlagenvertreter Hruby (Alfred Mrva). Dieser ist auf der Suche nach Abnehmern für die Sicherheitssysteme seiner Firma, doch leider meint es weder das Wetter noch die Kunden mit ihm. So sind die Bewohner einer Straße nämlich unzufrieden mit den Leistungen Hrubys, der ihnen sehr viele Kameras verkauft hat, welche aber nach wie vor nicht dazu geführt haben, dass man die Person schnappt, die abends ihre Autos zerkratzt.

In dem Wohngebiet treffen wir zudem auf Walter (Erich Finsches), Rentner und Witwer, der sich in seinem kleinen Haus praktisch verbarrikadiert hat und Lebensmittel in seinem Keller hortet. Anlässlich seines 50. Hochzeitstages soll seine Haushaltshilfe (Gerti Lehner) ihm nicht nur sein Leibgericht Schweinsbraten zubereiten, sondern ihm auch noch andere Dienste erweisen. Seine Nachbarn (Claudia Martini und Victor Rathbone) haben derweil andere Probleme, denn seit dem Unfalltod ihrer Tochter leben sie zwar noch im selben Haus, gehen sich aber aus dem Weg oder streiten sich. Als seine Ex-Frau einen neuen Liebhaber hat, droht die Situation zu eskalieren, ähnlich wie die Beziehung von Mario (René Wanko) und Klaudia (Franziska Weisz), die immer mehr zu einer Spirale der Gewalt zu werden droht durch Marios Eifersucht.

Zuletzt ist da noch die Lehrerin (Christine Jirku), die nichts lieber hätte, als von ihrem Liebhaber Wickerl (Victor Hennemann) begehrt zu werden. Doch als dieser eines Abends mit seinem Kumpel (Georg Friedrich) in die gemeinsame Wohnung kommt, wird aus dem feuchtfröhlichen Miteinander schnell eine nicht mehr zu kontrollierende Situation.

„Was soll man schon über das Glück erzählen?“

Nach seinem Dokumentarfilm Models, der einen ernüchternden Blick auf Themen wie Schönheitswahn und die Glücksversprechen der Modeindustrie geworfen hatte, bleib der österreichische Filmemacher Ulrich Seidl bei den Konzepten des Glücks, die Menschen antreiben. Im Falle von Hundstage vollzog Seidl zudem den Übergang von der Dokumentation hin zum Spielfilm, wobei die verschiedenen Episoden von Hundstage inspiriert sind von jener Zeit zwischen dem 24. Juli und dem 23. August, die in Österreich wie auch in vielen anderen Ländern als eine besonders heiße Phase des Jahres bekannt sind und deswegen diesen wenig schmeichelhaften Spitznamen erhalten haben.

Angesprochen auf die Tatsache, dass die einzelnen, lose miteinander verbundenen Episoden von Hundstage von Einsamkeit, Gewalt, Leid und Sprachlosigkeit erzählen, erklärte Seidl in einem Interview einst, dass es wenig Sinn mache, über die Erreichung von Glück zu sprechen und mehr von der Suche nach diesem, ebenso von der Enttäuschung, wenn man dieses Ziel nicht erreicht. Entsprechend ernüchternd fällt daher auch seine Perspektive auf die Figuren und ihre Welt aus, welche durchaus noch einen semi-dokumentarischen Stil beinhaltet. Die einzelnen Charaktere wirken ziellos oder verloren, wie die von Maria Hofstätter gespielte Anna, die immer wieder auf der Suche ist nach jemandem, der sie ein Stück mitnimmt, nur um einige Minuten später zunächst in einen Streit verwickelt zu sein und letztlich aus dem Auto geworfen zu werden. Das Glück oder vielmehr das Versprechen von diesem hat zu einer emotionalen Verhärtung geführt wie auch einer gewissen Verzweiflung, welche die Kamera fast schon teilnahmslos einfängt und, wie schon angedeutet, dokumentiert, ohne sich ein Urteil zu erlauben. Dies ist dann dem Zuschauer überlassen, der mit den jeweiligen Schicksalen allein gelassen wird und sich ein Urteil bilden soll, sofern dies denn möglich ist.

Ein Blick in die Abgründe

Als Hort des Glücks dient seit jeher die Vorstadt, als Rückzugsort vorm Lärm der Großstadt und deren Hektik. Die Bilder Wolfgang Thalers fangen Orte der Leere ein, was durch die Wahl der Perspektive sowie der teils sehr langen, unbewegten Sequenzen, noch unterstrichen wird. In Kombination mit der Helligkeit der Sonne wie auch der omnipräsenten Hitze entsteht eine Atmosphäre der konstanten Anspannung sowie des Stillstands, in welchem das Blau des Pools oder das Grün des Rasens wenig am Gesamteindruck verändert. Wie im Falle des Witwers, der in seinem Haus in einer Mischung aus Spießertum und Kleinbürgertum lebt, hat das „Glück“, sofern man dieses Konzept nutzen will, zu einer gewissen Trägheit geführt, einer Routine, sowie zu neuen Begehrlichkeiten, dem Wunsch nach der verstorbenen Frau, dem Wunsch nach Liebe oder dem Wunsch nach irgendeiner Form der Zweisamkeit.

Der Vorort, eigentlich symbolisch für die Erreichung jenes Glücks, wird zu einem Hort der Abgründe, der Eskalation, der Gewalt und des Leids, ausgelöst von jenen neuen Wünschen, welche die Figuren nun antreiben. Mehr als einmal wird dem Zuschauer dabei der Atem stocken, mehr als einmal wird man wegsehen wollen, doch davor bewahren, dass diese Figuren uns sehr nahe sind, kann auch der Akt des Wegsehens nicht.

Credits

OT: „Hundstage“
Land: Österreich
Jahr: 2001
Regie: Ulrich Seidl
Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Musik: Marcus Davy
Kamera: Wolfgang Thaler
Besetzung: Maria Hofstätter, Alfred Mrva, Franziska Weisz, Christine Jirku, Viktor Hennemann, Georg Friedrich, Claudia Martini, Victor Rathbone, Erich Finsches, Gerti Lehner, René Wanko

Trailer

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Hundstage
Fazit
„Hundstage“ ist ein Drama, welches sich einer semi-dokumentarischen Ästhetik bedient und dadurch eine sehr intensive Wirkung auf den Zuschauer hat. Ulrich Seidl erzählt vom Glück, vom Scheitern der Suche nach diesem und von menschlichen Abgründen, die erschrecken und provozieren.
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