Ein Bulle sieht rot Un Condé
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Ein Bulle sieht rot

Inhalt / Kritik

Ein Bulle sieht rot Un Condé
„Ein Bulle sieht rot“ // Deutschland-Start: 6. Mai 1971 (Kino)

Die Stadt ist fest in der Hand von Tavernier, genannt „Der Mandarin“, einem lokalen Gangsterboss, der es mit dem Verkauf von Drogen und viel Skrupellosigkeit an die Spitze geschafft hat. Doch das reicht ihm nicht, ein Nachtclub soll ihm in Zukunft als Umschlagsplatz für seine kriminellen Geschäfte dienen. Als sich dessen Besitzer Robert Dassa (Pierre Masimi) jedoch weigert, mit dem Verbrecher zusammenzuarbeiten, muss dieser das recht schnell mit dem Leben bezahlen. Das wiederum will dessen Freund Dan Rover (Gianni Garko) nicht einfach so hinnehmen. Gemeinsam mit dem Killer Viletti (Michel Constantin) plant er deshalb, Tavernier für seine Taten mit dem Leben bezahlen zu lassen. Währenddessen machen sich auch Inspektor Favenin (Michel Bouquet) und dessen Kollege Barnero (Bernard Fresson) auf den Weg, wodurch sie die Gewaltspirale noch kräftig verstärken werden …

Eine Eskalation in drei Akten

Bei dem Titel Ein Bulle sieht rot ist es nahezu unmöglich, nicht an Ein Mann sieht rot zu denken, jenen umstrittenen Selbstjustiz-Thriller, in dem Charles Bronson auf brutale Weise Verbrecher jagt. Es gibt auch inhaltliche Parallelen, wenn in beiden Fällen ein Mann Selbstjustiz übt, aus Rache an dem Tod eines ihm wichtigen Menschen. Und doch gibt es deutliche Unterschiede. Der größte ist der, dass das bereits vier Jahre vor dem Actionklassiker veröffentlichte Ein Bulle sieht rot nur zu einem kleinen Teil von diesem titelgebenden Polizisten erzählt. Tatsächlich dauert es so lange, bis dieser wirklich in Erscheinung tritt und seine Mission verfolgt, dass man sich anfangs fragt, ob nicht versehentlich dem Film ein falscher Titel zugeordnet wurde, der eigentlich ganz woanders hin sollte.

Genau genommen besteht die Adaption eines Romans von Pierre-Vial Lesou aus drei Teilen, die nach und nach aufeinander aufbauen. Der erste handelt von dem Nachtclubbesitzer und dessen Schwester Hélène (Françoise Fabian), die sich dem Druck der Verbrecher widersetzen. Im Mittelteil folgen wir Rover und Viletti während ihrer Racheaktion. Erst der dritte Teil ist nun wiederum der Racheaktion von Favenin gewidmet. Das ist durchaus mutig, da auf diese Weise eine eindeutige Bezugsperson fehlt. Immer wenn man meint, den tatsächlichen Protagonisten von Ein Bulle sieht rot gefunden zu haben, wird der wieder ausgetauscht, zuweilen auf eine sehr brutale Art und Weise. Der Bodycount ist beträchtlich in dem Film, weshalb er seinerzeit auch durchaus für Kontroversen sorgte.

Unfreiwillig komische Gewalt

Leider sind diese entsprechenden Szenen die große Schwäche des Films. Dabei ist es weniger die monierte Brutalität, die hier zum Problem wird. Vielmehr sind sie für ein heutiges Auge derart lächerlich, dass sie viel von der Atmosphäre kaputt machen. Ob es eine eindeutig als solche zu erkennende Puppe ist, die ohne das notwendige Gewicht in die Tiefe segelt und als menschlicher Körper ausgegeben wird, eine harmlose Ohrfeige, nach der auf einmal das Gesicht blutüberströmt ist, oder ein Mann, der sich nach mehreren Schusstreffern immer wieder aufrafft – sobald es in Ein Bulle sieht rot zur Sache geht, wird es aufgrund des völlig fehlenden Realismus unfreiwillig komisch. Natürlich darf man an ein mehr als 50 Jahre altes Werk nicht mit den Erwartungen der Gegenwart herantreten. Für ein heutiges Publikum sind solche grotesken Szenen jedoch kaum mehr zu gebrauchen.

Davon einmal abgesehen ist Ein Bulle sieht rot aber durchaus spannend, auch weil nicht abzusehen ist, wie das Ganze wohl enden wird. Nur eins ist klar: Gut wird dieses Ende kaum werden. Regisseur und Co-Autor Yves Boisset zeigt sehr schön, wie ein im Grunde einfacher Konflikt – Drogenverkauf im Nachtclub, aj oder nein? – immer weiter eskaliert und immer mehr Menschen in diesen Strudel hineingezogen werden. Zum Schluss spielt dieser besagte Konflikt schon keine Rolle mehr. Die Geschichte hat sich völlig verselbständigt, wenn eine Aktion zur nächsten führt, jede Reaktion eine weitere erfordert. Das verleiht dem Krimi auch eine gewaltige Tragik, einen blutigen Fatalismus, dem sich keiner entziehen kann.

Ein Kampf jenseits von gut und böse

Die düstere Atmosphäre wird zudem durch das Fehlen eines eindeutigen Helden verstärkt. Tatsächlich gut ist in dem Film kaum jemand. Und wenn doch, dann wird dies nicht belohnt. Es gib hier höchsten Nuancen, etwa bei den unterschiedlichen Fraktionen der Unterwelt, die gegeneinander antreten. Selbst bei der Polizei sind die Grenzen zwischen Gut und Böse aufgehoben. Ein Bulle sieht rot zeigt Gesetzeshüter, die mit dem organisierten Verbrechen unter einer Decke stecken. Und selbst wenn sie mal nicht korrupt sind, ist der Weg in die Kriminalität nicht weit. Besonders eindringlich wird dies von Michel Bouquet (Hühnchen in Essig, Endstation Schafott) verkörpert, dessen Inspektor Favenin sehr wohl weiß, was er tun sollte, sich aber mehr von dem antreiben lässt, was er will – und dafür einen hohen Preis zahlt.

Credits

OT: „Un Condé“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1970
Regie: Yves Boisset
Drehbuch: Claude Veillot, Yves Boisset
Vorlage: Pierre-Vial Lesou
Musik: Antoine Duhamel
Kamera: Jean-Marc Ripert
Besetzung: Michel Bouquet, Françoise Fabian, Gianni Garko, Michel Constantin, Anne Carrère, Rufus, Théo Sarapo

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Dem Titel zum Trotz handelt es sich bei „Ein Bulle sieht rot“ nicht um einen bloßen Rachethriller. Stattdessen erzählt die Romanadaption um einen Gangsterboss, der einen Nachtclub für seine Geschäfte nutzen will, von einer fatalistischen Gewaltspirale, der sich niemand entziehen kann und die sämtliche Grenzen zwischen gut und böse aufhebt. Das ist spannend und atmosphärisch, wird aber von inzwischen unfreiwillig komischen Actionszenen nach unten gezogen.
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