Die Unbeugsamen
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Die Unbeugsamen

Inhalt / Kritik

„Die Unbeugsamen“ // Deutschland-Start: 26. August 2021 (Kino) // 10. Februar 2022 (DVD/Blu-ray)

16 Jahre lang wird Angela Merkel als Bundeskanzlerin die deutsche Regierung angeführt haben, wenn sie im Herbst abtritt und ihre Geschäfte an einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin übergibt. Eine Frau in einem der wichtigsten Ämter des Staates – das ist für die junge Generation, die noch gar keine andere Person im Kanzler*inamt bewusst erlebt hat, vollkommen selbstverständlich. Torsten Körner stellt in seiner Dokumentation Die Unbeugsamen dar, dass es aber tatsächlich ein langer Weg war, bis dies überhaupt vorstellbar und erst recht realisierbar war.

Anhand von neuen Interviews mit einigen Pionierinnen der deutschen Politik zeigt Körner, wie dieser Weg ausgesehen hat: Macht sei stets als unweiblich angesehen worden, erzählt etwa die langjährige Bundestagsabgeordnete und frühere Familienministerin Renate Schmidt (SPD). Dabei bedeute Macht per se doch nichts Schlechtes, sondern vor allem den Einfluss, um Dinge durchzusetzen. Dass über Frauen in der Politik stets anders gesprochen und berichtet wurde, als über ihre in der Überzahl vorhandenen männlichen Kollegen, arbeitet Körner anhand mehrerer Beispiele heraus. Wo Männer etwa als entscheidungsstark und durchsetzungsfähig angesehen wurden, wurden Frauen dagegen für ihre Entscheidungen kritisiert und auf ihr Äußeres reduziert. Tatsächlich kam es sogar vor, dass sie sich Fragen anhören mussten wie „Finden Sie es normal, dass eine Frau ein solches Amt ausüben kann?“

Vom Altherrenclub zur Ära Merkel

So gesehen sind wir tatsächlich weit gekommen. Die Bilder von Kabinetten voller alter Männer, die zu Beginn des Films zu sehen sind, gehören heute zum Glück meistens der Vergangenheit an. In etwa 100 Minuten lässt ich vieles natürlich nur kurz anreißen, doch der Film gibt zumindest einen groben Überblick über die Entwicklung, die in der Nachkriegszeit mit dem Hinterfragen des damals vorherrschenden Frauenbilds anfing und schließlich in die Ära Merkel mündete. Die dabei gezeigten Archivaufnahmen alter Interviews, Fernsehberichte oder Parlamentsdebatten sind alle hochinteressant, lassen einem manchmal aber die Haare zu Berge stehen, wenn etwa über Anmach- und Grapschversuche männlicher Bundestagsabgeordneter gegenüber ihren Kolleginnen berichtet wird. Dass so etwas nicht nur tagtäglich vorkam, sondern die Männer die Kritik daran gar nicht nachvollziehen konnten, ist heute glücklicherweise (meistens) unvorstellbar.

Auf einen Off-Kommentar verzichtet der Film vollständig und lässt allein die Frauen sprechen. Sich dabei an über 70 Jahren weiblicher Politikgeschichte abzuarbeiten, kann natürlich nicht im Detail gelingen, doch die Richtung ist klar: Der Kampf um Gleichberechtigung und Einfluss in der Politik ist für Frauen auch nach Jahrzehnten voller Erfolge längst nicht vorbei. Die Rückschau macht aber auch klar, dass in den vergangenen Jahrzehnten schon viel bewegt wurde. Als etwa 1961 Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) als erste Frau ein Minister*innenamt bekleidete, musste sie Journalisten noch davon überzeugen, dass die Anrede „Frau Ministerin“ durchaus existiere und angebracht sei.

Eine Zwischenbilanz der Gleichberechtigung

Äußerst wirkungsvoll zeigt Körner an einer Stelle des Films Aufnahmen von Frauen, die den leeren Plenarsaal des Bundestages putzen, nur um kurz darauf wieder zu ihren Geschlechtsgenossinnen aus der Politik zurückzukehren, die Tag für Tag darum kämpfen, in diesem Saal Gehör für ihre Anliegen zu finden. Angesprochen wird dabei auch, dass der weibliche Blick auf politische Geschehnisse wie die Friedensbewegung oder Rüstungsdebatten durchaus ein anderer sein kann als der männliche. Wie viele weitere Punkte ließe sich auch dieser noch vertiefen, aber die Botschaft des Anspruchs auf Gleichberechtigung in allen Bereichen kommt zumindest an. Geradezu gruselig wirken in diesem Zusammenhang die Reaktionen der männlichen Bundestagsabgeordneten auf Waltraud Schoppes (Grüne) berühmte Rede, in der die Politikerin 1983 die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe forderte. Schlüpfrige und verhöhnende Sprüche schallen ihr von grölenden Männern entgegen, die in Wahrheit nur Angst vor einer Änderung der Verhältnisse haben und unbedingt an ihren Machtpositionen festhalten wollen.

Eine solche Szene zumindest ist heute nicht mehr vorstellbar, was aber nicht heißt, dass der Kampf um Gleichberechtigung vorüber ist. Die MeToo-Debatte oder die Streitereien um das Gendern sind nur zwei Beispiele dafür, dass für Anerkennung und Einfluss von Frauen (auch) in der Politik stetig weitergekämpft werden muss. Die Unbeugsamen zieht Bilanz des dabei bisher Erreichten, weist aber auch darauf hin, dass Wandel sich meist langsam vollzieht und noch viele Kämpfe vor uns liegen.

Credits

OT: „Die Unbeugsamen“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Torsten Körner
Drehbuch: Torsten Körner
Musik: Stefan Döring
Kamera: Johannes Imdahl, Claire Jahn

Bilder

Trailer

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Torsten Körner gibt in seiner Dokumentation „Die Unbeugsamen“ einen eindrucksvollen Überblick über die Kämpfe und Erfolge von Frauen in der deutschen Politik. Archivaufnahmen und aktuelle Interview ergeben ein manchmal ernüchterndes, insgesamt aber hoffnungsvolles Bild eines Kampfes um Gleichberechtigung, der noch lange nicht zu Ende ist.
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