Tom Medina
© Les Films du Losange

Tom Medina

Inhalt / Kritik

Tom MedinaKaum in Frankreich angekommen gerät der quirlige, unangepasste Tom Medina (David Murgia) in Konflikt mit dem Gesetz. Da er keine Papiere hat und sich von Autoritäten nichts sagen lässt, ist er ein schwieriger Fall, sodass er in die Obhut von Ulysse (Slimane Dazi) übergeben wird. Dieser betreibt im Süden Frankreichs einen kleinen Bauernhof, zusammen mit seiner Tochter Stella (Karoline Rose Sun), einer Anlaufstelle für straffällige Jugendliche oder solche, die auf Bewährung entlassen wurden. Neben den zahlreichen Arbeiten am Haus sind die Pferdezucht und die Ausritte mit Touristen die Hauptaufgaben in dem kleinen Betrieb. Sicher den Neuankömmling, der eine Faszination für den Stierkampf sowie für die Bullenzucht des Bauernhofes hat, bald in seine Schranken zu weisen, gibt er Tom eine Routine aus diversen Pflichten, wobei jeder Übertritt Folgen haben könnte für seinen Fall. Jedoch lässt sich Tom keinesfalls beeindrucken, sodass es zwischen ihm und Ulysse immer wieder zu Konflikten kommt.

Mit der Zeit können die beiden unterschiedlichen Männer sich dann doch anfreunden, wobei Ulysse ahnt, dass sich hinter der Fassade des lebensfrohen, oft nachdenklichen Toms eine Tragödie verbirgt, über die er bisher noch mit nie jemandem gesprochen hat. Darüber hinaus freundet er sich mit der jungen Ausreißerin Suzanne (Suzanne Aubert) an, die mit ein paar Freunden in einem Wohnwagen haust, Rosmarin in der nahen Stadt verkauft und Plastikmüll im Wald sammelt. Die Freundschaft sowie die wiederkehrenden Visionen zwingen Tom dazu, sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Die Chronik eines Heimatlosen

Das Kino des französisch-algerischen Regisseurs Tony Gatlif ist eines, welches sich den Heimatlosen und Vertriebenen dieser Welt widmet. Bereits seine Arbeiten Exils (2004) oder Djam (2017) widmeten sich, vor dem Hintergrund aktueller Themen wie der Flüchtlingskrise 2015, den Problemen von Menschen, die ihre Heimat verloren haben oder diese wiederfinden wollen. Dabei geht es, wie in Djam, auch um den Begriff als solchen, der als eine freie Kategorie gesehen wird und nicht als eine rein geografische Größe. In seinem neuen Film Tom Medina, der auf dem den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes gezeigt wird, erzählt Gatlif abermals von einem Menschen ohne Heimat, doch auch vom Geheimnis der eigenen Vergangenheit.

Wie viele seiner Protagonisten ist auch der von David Murgia gespielte Tom Medina ein Protagonist, der es dem Zuschauer zu keiner Zeit einfach macht, wie auch seinem Umfeld im Film. Bereits in den ersten Minuten, als er versucht mit einem Taxifahrer zu kommunizieren, erkennt man eines der Hauptmotive dieser Figur, die zwar erkennt, dass sein Gegenüber ihn nicht versteht, dies ihn aber keinesfalls entmutigt. Auch wenn ihn sein Weg nun durch matschiges Marschland führt und er wenig später komplett verschmutzt durch die Landschaft zieht, scheint ihm dies wenig auszumachen, was er mit einem entschlossenen Schrei in diese Leere hinein lautstark betont. Um ein Sprichwort zu zitieren, ist der Weg das Ziel für einen Menschen wie Tom Medina, der in ständiger Bewegung bleibt und niemals wirklich zur Ruhe kommt.

Im Gegensatz zu dem sesshaften Ulysse oder jenen Behördenvertretern, die ihn, wie Tom beschreibt, immer wieder mit ihren Fragen versuchen zu definieren, ist der Hauptcharakter nirgendwo Zuhause. Andererseits verstärken die Bilder von Kameramann Patrick Ghiringhelli sowie das empfindsame Spiel David Murgias den Eindruck, dass die Heimatlosigkeit und der Unwille sich zu fügen einer gewissen Orientierungslosigkeit gleichkommt.

Das Spiel mit dem Stier

Die Filme Tony Gatlifs – und damit auch Tom Medina – bedienen nicht nur durch ihr Drehbuch, sondern zugleich durch ihre Ästhetik den Eindruck des Ungefähren. Irgendwo zwischen Außenseiterdrama, Romanze und Roadmovie, immer wieder durchbrochen durch lange traumähnliche Sequenzen, in denen Tom von einem weißen Bullen träumt, den er unbedingt fangen und zur Strecke bringen will, ist Tom Medina als Film genauso schwierig zu definieren. Abgesehen einmal von den eher unpassend wirkenden Ausflügen ins Spirituelle, hat diese Herangehensweise durchaus viel Positives und dürfte Tom Medina gerade beim Festivalpublikum sehr beliebt machen.

Ein weiterer Aspekt, der auch in Tom Medina auftaucht, ist das Thema Flucht. Abgesehen von der Eigenschaft der Hauptperson, sich nicht festzulegen, ist es zugleich das Trauma der Flucht, welches ihn begleitet. Die vielen Aufnahmen am Strand sowie das wütende Schlagen auf das Wasser sind nur einige wenige Bilder, die deutlich machen, welche tragischen Erlebnisse Tom mitgemacht haben muss.

Credits

OT: „Tom Medina“
Land: Frankreich, Schweiz
Jahr: 2021
Regie: Tony Gatlif
Drehbuch: Tony Gatlif
Kamera: Patrick Ghiringhelli
Besetzung: David Murgia, Slimane Dazi, Karoline Rose Sun, Suzanne Aubert

Bilder

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„Tom Medina“ ist eine Mischung aus Roadmovie, Außenseiterdrama und Romanze. Dank eines großartigen Hauptdarstellers sowie einer Bildsprache, welche sich den Themen Heimatlosigkeit und Flucht anschließt, gelingt Tony Gatlif ein intensiv gespieltes, oft rätselhaftes Porträt eines jungen Mannes, der nirgendwo ganz Zuhause ist.
8
von 10