Wo ist das Haus meines Freundes Khane-ye doust kodjast?

Wo ist das Haus meines Freundes?

Inhalt / Kritik

Wo ist das Haus meines Freundes Khane-ye doust kodjast?
„Wo ist das Haus meines Freundes?“ // Deutschland-Start: 4. Juni 2021 (MUBI)

In dem kleinen iranischen Dorf Koker gehen die Freunde Ahmed (Babak Ahmadpur) und Mohamed (Ahmad Ahmadpour) in die gleich Grundschule. Eines Tages erhält Mohamed von dem strengen Lehrer eine Ermahnung vor der ganzen Klasse, da er abermals vergessen hat, seine Hausaufgaben in das dafür vorgesehene Heft einzutragen. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, gibt der Lehrer dem weinenden Schüler zu verstehen, er würde sich für seinen Schulverweis einsetzen, wenn dies sich noch einmal wiederholen würde. Noch immer eingeschüchtert von dem Vorfall gehen die beiden Freunde zu ihrer Familie nach Hause. Doch als Ahmed seine Sachen ausräumt und mit den Aufgaben beginnen will, stellt er fest, dass er aus Versehen Mohameds Heft mit eingepackt hat. Mehrmals will er seine Mutter dazu bringen, ihm zu erlauben in das Nachbardorf zu gehen, doch seine Mutter ist zu sehr mit der Hausarbeit beschäftigt, als sich um ihren Sohn zu kümmern und tadelt ihn wiederholt, er solle endlich mit seinen Aufgaben beginnen, bevor er noch Ärger bekomme. Als ihn seine Mutter dann losschickt, um Brot für das Abendessen zu kaufen, nutzt Ahmed die Gelegenheit, steckt das Heft seines Freundes und das Geld ein und macht sich auf den Weg in das Nachbardorf, was hinter einem Hügel gelegen ist.

Allerdings ist die Suche nach dem Haus seines Freundes, wie Ahmed schnell herausfindet, alles andere als einfach, denn in dem kleinen Ort leben viele, die so ähnlich heißen wie sein Freund. Zudem wollen ihm viele der Bewohner nicht helfen, hören ihm nicht zu oder geben ihm falsche Angaben, sodass der kleine Junge sich nach einer Weile heillos verlaufen hat. Schließlich wird er bei seiner Rückkehr nach Koker von seinem Großvater getadelt, der ihm eine Lehre erteilen will, aber ihm auch einen Hinweis gibt, wie er zu seinem Freund kommen kann.

Das Labyrinth der Erwachsenenwelt

Als Regisseur Abbas Kiarostami 1986 den Auftrag bekam ein Drehbuch mit dem Titel Wo ist das Haus meines Freundes? umzusetzen, hatte er im Namen des Iranischen Zentrum für die Intellektuelle Weiterbildung von Kindern und jungen Erwachsenen, für das er schon mehrere Jahre arbeitete, schon viele Kinder- und Jugendfilme inszeniert. Waren die vorherigen Werke jedoch eher auf nationaler Ebene erfolgreich, brachte Kiarostami diese Geschichte um einen kleinen Jungen und die Suche nach seinem Freund auch international Anerkennung. Im Gesamtwerk des iranischen Filmemachers handelt es sich bei Wo ist das Haus meines Freundes? um den ersten Teil der Koker-Trilogie, da alle Einträge der Reihe in und um das Dorf 200 Kilometer von Teheran entfernt spielen.

Ein Film wie Wo ist das Haus meines Freundes? wirkt im Jahr 2021 wie ein vergessenes Relikt aus einer Zeit, in der es Kinderfilmen noch gestattet war, etwas mehr zu sein als bloße Unterhaltung. Für den jungen Protagonisten ist die Erwachsenenwelt ein undurchdringliches Netz aus Pflichten und Aufgaben, ähnlich den Straßen des Nachbardorfes, aus denen er scheinbar nicht wieder herausfindet. Viele Male lässt Kiarostami seinen Helden wie eine Art kindlichen Sisyphus durch das Dorf rennen oder den kurvigen Pfad über den Hügel laufen, ohne aber einen Erfolg verbuchen zu können. Die Erwachsenen, die den Weg Ahmeds kreuzen, sind meist entweder Ablenkungen, führen in eine erneute Sackgasse oder haben allerlei Belehrungen für den Jungen auf Lager. Insbesondere die Kameraarbeit Farhad Sabas fällt hier immer wieder auf, betonen die Bilder und deren elegante Rahmung die zunehmende Verzweiflung des Helden, der es allen recht machen will.

Pflicht und Freundschaft

Dies an der Oberfläche recht simple Geschichte sagt jedoch viel über das System aus, in dem Ahmed und Mohamed groß werden. Die Wahl ist oft zwischen der Verpflichtung der Familie, den Freunden oder dem System gegenüber, wobei weder die Eltern noch der Lehrer einsehen wollen, warum ihre Autorität nicht an erster Stelle kommen sollte. Der Widerspruch wird zu einem Dilemma, aus dem keines der Kinder entkommen kann und dessen Absurdität in ihren teils hilflosen Gesichtern geschrieben steht. Darüber hinaus schweift Kiarostamis Film auch immer wieder ab und hält beispielsweise Unterhaltungen von Ahmeds Großvater mit einem Freund fest, in dem er diesen über die mangelnde Disziplin der Jugend aufklärt, wobei die Loyalität Ahmeds zu seinem Freund geflissentlich ignoriert wird.

Bereist in diesem frühen Film zeigen sich die Elemente des Kinos Abbas Kiarostami, welche seien Werke nach wie vor zu einem reichen Schatz für Filmliebhaber machen. Die Schönheit der Landschaft wechselt sich ab mit Bildern der Tristesse im Dorf und jenen visuellen Allegorien auf das Dilemma der Hauptfigur. Es ist der Blick auf die Menschen, die den Wert eines Filmes wie Wo ist das Haus meines Freundes? ausmacht, der nicht verurteilt, sondern offenlegt, inwiefern die Figuren verwoben sind in einer Gemeinschaft und einem System.

Credits

OT: „Khane-ye doust kodjast?“
Land: Iran
Jahr: 1986
Regie: Abbas Kiarostami
Drehbuch: Abbas Kiarostami
Musik: Armine Allah Hessine
Kamera: Farhad Saba
Besetzung: Babak Ahmadpour, Ahmad Ahmadpour, Kheda Barech Defal, Iran Outari, Alt Ansari, Biman Mouafi

Trailer

Filmfeste

Locarno 1989
Filmfest München 1990
Toronto International Film Festival 1992
Locarno 1994
Locarno 1995
Cannes 1996
Locarno 2016
Berlinale 2023

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„Wo ist das Haus meines Freundes?“ ist der erste Teil von Abbas Kiarostamis Koker-Trilogie, der eine Geschichte erzählt über Autorität, Freundschaft und Pflicht. Erzählerisch einfach und in schönen Bildern wird er Zuschauer eingeführt in die komplizierte Welt des jungen Helden, der sich aus dem Labyrinth aus verschiedenen Erwartungen an ihn zu verlaufen droht.
9
von 10