Saint Maud
© Sony Pictures

Saint Maud

Kritik

Saint Maud
„Saint Maud“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Bis vor Kurzem arbeitete Maud (Morfydd Clark) noch als Krankenschwester in einem Hospital. Doch inzwischen hat sie als ambulante Pflegerin eine neue Berufung gefunden, kümmert sich um schwer kranke Menschen. Aktuell wurde sie Amanda (Jennifer Ehle) zugeteilt, eine frühere Tänzerin, die Krebs im Endstadium hat. Bei ihr lebt sie nun, versorgt sie medizinisch, macht Krankengymnastik, bereitet auch das Essen zu, wozu die im Rollstuhl sitzende Endvierzigerin schon länger nicht mehr in der Lage ist. Doch Maud reicht es nicht, sich um das körperliche Wohl ihrer Patientin zu kümmern. Wichtiger noch ist der jungen Frau, die kürzlich zum christlichen Glauben gefunden hat, für ihr Seelenheil zu sorgen – was der lebenshungrigen Diva eher weniger am Herzen liegt und zu Konflikten führt …

Es ist nicht gerade ein Geheimnis, dass Frauen auf den Regiestühlen dieser Welt unterrepräsentiert sind. So gibt es, trotz eines wachsenden Bewusstseins für diesen Missstand, nach wie vor deutlich weniger Filmemacherinnen als Filmemacher. Und die, die es gibt, haben oft darum zu kämpfen, überhaupt gehört und gesehen zu werden. Ein Genre, bei dem das besonders deutlich ist, ist das des Horrors, der im Großen und Ganzen fest in Männerhand ist. Dabei durften wir in den letzten Jahren einige Beispiele sehen, dass das vermeintlich schwache Geschlecht richtig düstere Geschichten zu erzählen hat, die oftmals mit einer starken psychologischen Komponente arbeiten – siehe etwa Der Babadook und Relic.

Interessante Mischung aus Drama, Horror und Mystery
Mit Saint Maud liegt nun der nächste Titel vor, der an dieser Grenze zwischen persönlichem Leiden und übernatürlichem Schrecken wandelt. Verantwortlich hierfür zeichnet sich die Britin Rose Glass, die schon den einen oder anderen Kurzfilm gedreht hat und hiermit ihr Langfilmdebüt als Regisseurin und Drehbuchautorin vorlegt. An Aufmerksamkeit hierfür mangelte es nicht. Seit dem Debüt auf dem Fantastic Fest 2019 lief die Mischung aus Drama, Horror und Mystery auf einer Reihe von Festivals und wird nicht nur in den USA als regulärer Kinostart herbeigesehnt. Und das durchaus zurecht, ist der Nachwuchskünstlerin doch ein sehr interessantes Werk geglückt.

Dabei ist längere Zeit gar nicht so wirklich klar, was genau Saint Maud eigentlich sein soll. Die grundsätzliche Situation – eine streng gläubige junge Pflegerin kümmert sich um eine todkranke frühere Tänzerin – wird zwar gleich zu Beginn etabliert. Doch Glass macht ebenso klar, dass dies nicht die ganze Geschichte ist. Ein größerer Teil des Films befasst sich im Anschluss mit der Beziehung zwischen den zwei so grundverschiedenen Frauen. Auf der einen Seite Amanda, die sich den Anschein von Glamour im Angesichts des Todes bewahren will und das Leben bis zum letzten Atemzug genießen. Auf der anderen Seite die unscheinbare Titelfigur, die immer sehr naiv und weltfremd wirkt, gar nicht so genau merkt, was sich da direkt vor ihren Augen abspielt, weil ihre Aufmerksamkeit dem Jenseitigen gewidmet ist.

Verstörende Abgründe jenseits der Realität
Das ist durchaus unterhaltsam, der Kontrast zwischen Fleischeslust und strenger Geistlichkeit führt zu der einen oder anderen komischen Situation. Es ist spannend, weil Saint Maud einer Art Tauziehen gleicht, umso mehr, als irgendwann noch Carol (Lily Frazer) auftaucht, die in den Augen von Maud die schlechten Seiten von Amanda verstärkt. Die Frage: Welche Seite wird gewinnen? Die eigentlichen Horror-Elemente sind hingegen zunächst eher sparsam. Man ahnt zwar, dass das irgendwie nicht gut ausgehen kann. Zudem steigert sich Maud zuweilen in ihren Wahn und ihre Visionen hinein, was noch ganz andere finstere Seiten andeuten. Seiten, die in der besten Tradition filmischer Eskalation immer deutlicher zu Tage treten und unschöne Folgen nach sich ziehen – zumindest für die Betroffenen.

Den größten Eindruck hinterlässt der Film aber dann, wenn er tatsächlich in diese Abgründe hinabsteigt. Er gewinnt dabei nicht nur eine sehr tragische Note, wenn wir mehr über Maude erfahren, die mehr auf dem Herzen hat, als sie zugibt. Er wird auch sehr verstörend. Gerade zum Schluss setzt einem Rose Glass Bilder vor, die eine ganz eigene Mischung sind, poetisch und erschreckend, sehr menschlich und gleichzeitig bizarr. Dabei lässt sie offen, wie viel davon denn nun real ist, wieviel Ausdruck eines schmerzerfüllten Wahns, der sich nach Erlösung sehnt und dafür alles niederbrennen würde. Sehenswert ist das so oder so, auch weil Morfydd Clark (David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück, Crawl) eine hypnotisierende Vorstellung abgibt, die zu gleichen Teilen lächerlich, bewegend und furchteinflößend ist und lange nachwirkt.

Credits

OT: „Saint Maud“
Land: UK
Jahr: 2019
Regie: Rose Glass
Drehbuch: Rose Glass
Musik: Adam Janota Bzowski
Kamera: Ben Fordesman
Besetzung: Morfydd Clark, Jennifer Ehle, Lily Frazer, Lily Knight

Trailer

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In „Saint Maud“ hat es sich eine streng gläubige Pflegerin in den Kopf gesetzt, eine schwer kranke, frühere Tänzerin zu retten, die sich an Glamour und Fleischeslust erfreut. Der Kontrast zwischen den grundverschiedenen Frauen ist unterhaltsam. Doch der stark gespielte Genremix wird mit der Zeit immer düsterer, tragischer und zum Schluss auch verstörender.
8
von 10