Boiling Point
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Boiling Point

Kritik

Boiling Point
„Boiling Point“ // Deutschland-Start: 20. Mai 2011 (DVD)

Wenn er nicht seinem Aushilfsjob an einer Tankstelle nachgeht, ist Masaki (Masahiko Ono) Mitglied eines erfolglosen Baseballteams in dem kleinen Ort, in dem er wohnt. Zwar kann sich Masaki schon für den Sport begeistern und übt teils ganze Spiele lang seine Technik, aber wirkliches Talent hat er nicht, sodass er die meiste Zeit während des Trainings oder bei wichtigen Spielen auf der Toilette verbringt. In seinem Job an der Tankstelle läuft es für ihn auch nicht besser, ist er doch fast täglich Opfer der Tiraden seines Chefs oder der Kunden, bis er es eines Tages nicht mehr erträgt und sich ausgerechnet mit einem Mitglied der Yakuza anlegt. Da Masaki den Mann angegriffen hat, verlangen die Gangster eine Wiedergutmachung von dessen Chef, während Masaki sich Hilfe von seinem Baseballcoach Iguchi (Takahito Iguchi) erhofft, der früher einmal selbst Gangster war. Leider verschlimmert dies seine Lage nur noch, sodass Iguchi ihm rät, sich eine Waffe zuzulegen. In Okinawa, wo Iguchi noch Kontakte aus seinem Leben als Yakuza hin hat, wollen Masaki und sein Teamkollege Kazuo (Minoru Iizuka) die Waffe besorgen. Schon kurz nach ihrer Ankunft machen sie Bekanntschaft mit Uehara (Takeshi Kitano) einem Unterboss der Yakuza, der bei den Oberen seines Clans in Ungnade gefallen ist und nun selbst Waffen sowie Männer benötigt. Das unberechenbare Verhalten des Gangsters droht nicht nur Masakis Plan zu stören, sondern bedroht auch zunehmend sein Leben und das seines Begleiters.

Der fehlende Protagonist
Nachdem er bei seinem ersten Film nur wenig Einfluss auf das Drehbuch gehabt hatte, änderte sich dies spätestens bei Takeshi Kitanos zweiter Regiearbeit Boiling Point. War Violent Cop noch stark verwurzelt im Genre des Polizeithrillers, fällt eine solche Kategorisierung bei Kitanos zweitem Film wohl eher uneindeutig aus, auch wenn viele zeitgenössische Kritiker Boiling Point als Thriller sahen. Sieht man einmal über Genre und die damit verbundenen Konventionen hinweg, zeigt sich Boiling Point als ein sehr eigenwilliges Werk, dessen Schöpfer sich von seinem Ruhm als TV-Star und Komiker entfernen will, was diese zweite Arbeit als Regisseur zu einem wichtigen Schritt innerhalb der Karriere Kitanos macht.

In gewisser Weise setzt Kitano die Themen, die bereits in Violent Cop vorliegen, fort, vor allem bezogen auf das Konzept der Dekonstruktion. Während Detective Azuma trotz seiner selbstzerstörerischen Tendenzen immer noch klar als Protagonist gelten kann, fällt eine solche Zuweisung bei einer Figur wie der des Masaski in Boiling Point schwer. Alleine sein Verhalten während eines Baseballspiels, gleich zu Anfang der Geschichte, ist hierfür ein klarer Indikator, spielt er doch gar nicht erst mit, übt lieber oder sitzt im Toilettenhäuschen. In dem Moment, als man ihn, sehr zu seiner eigenen Überraschung, einsetzt, besiegelt dies die Niederlage seines Teams. Masaki ist in erster Linie ein Beobachter, ein passiver Mensch, was nicht nur seine Umwelt zunehmend irritiert und verärgert, sondern auch den Zuschauer.

Im Gesamtwerk Kitanos passt Masaki in eine Reihe von Figuren, die sich durch ihr Maß an Passivität auszeichnen. Er spricht kaum, wirkt teils fast schon apathisch und etwas einfältig – ein Mann, der scheinbar entweder unfähig ist zu handeln oder es einfach nicht will. Dennoch werden Handlungen, wie der Ärger mit dem Yakuza an der Tankstelle, ausgelöst, wie es Autor Casio Abe in seiner ausführlichen Studie Beat Takeshi vs. Takeshi Kitano schreibt. Die Resultate dieser Handlungen sind jedoch, was man ebenfalls an dem gewählten Beispiel sehen kann, katastrophal, wobei die Missverständnisse und Katastrophen, wie bei einer Komödie, aufeinander aufbauen und auf eine Pointe hinsteuern.

Gewalt und Komödie
Takeshi Kitanos Kinos ist eines, welches Gewalt kombiniert mit oft (tragik-)komischen Mitteln. Die Figuren in Boiling Point, weder Figuren wie Masaki noch die Gangster, versuchen der Gewalt aus dem Weg zu gehen, weshalb sie Schlägen oder gar Kugeln nicht aus dem Weg gehen. Im Kontext der Inszenierung, dem Fokus auf die teils bewegungslose Mimik der Figuren sowie die statische Kamera, ist dies entgegen der Konventionen, wie man sie aus dem Thriller- oder Actionkino erwartet, und wirkt eher wie Teil eines Sketches oder Gags. Jemand wie Masaki schaut dabei, wie bereits erwähnt, nur zu und greift nicht ein, sodass seine Entwicklung von dieser Passivität hin zur Aktivität führt, einer Teilhabe, auch wenn diese in einer Katastrophe endet.

All die aufgeführten Punkte machen Kitanos zweite Regiearbeit zu einer Herausforderung für den Zuschauer. Die teils irreführende Marketingkampagne für den Film versucht Boiling Point als eine Art Thriller zu verkaufen, sodass man ohne Zweifel schon nach wenigen Minuten enttäuscht sein wird, alleine schon wegen des schwachen und maulfaulen Helden, der aufgrund dieser Aspekte nur schwer als ein solcher gelten kann. Im Gegenteil ist Boiling Point eine Mischung aus vielen Elementen, die Suche nach einem Stil und einem Bruch mit Konventionen, wie es Takeshi Kitano in den Folgearbeiten noch weiter praktizieren wird.

Credits

OT: „San tai Yon ekkusu Jugatsu“
Land: Japan
Jahr: 1990
Regie: Takeshi Kitano
Drehbuch: Takeshi Kitano
Kamera: KatsumiYanagishima
Besetzung: Masahiko Ono, Yuriko Ishida, Hisashi Igawa, Bengal, Takeshi Kitano, Katsuo Tokashiki

Trailer

Filmfeste

International Film Festival Rotterdam 1992

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„Boiling Point“ von Takeski Kitano ist ein schwieriger Film, der mit Konventionen von Genre und des Erzählens bricht. Dieser Bruch mit Konzepten wie dem des Protagonisten und der Verbindung von Gewalt und Komik sind interessant, aber sehr gewöhnungsbedürftig.
6
von 10