MIES – Mies van der Rohe: Ein visionärer Architekt

MIES – Mies van der Rohe: Ein visionärer Architekt

Kritik

MIES – Mies van der Rohe: Ein visionärer ArchitektAnlässlich der Grundsteinlegung für die von ihm geplante Neue Nationalgalerie im Kulturforum fliegt der weltberühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe nach Berlin. Auf dem Flug dorthin spricht er mit seinem Sohn über das Projekt, doch auch darüber hinaus über seine Anfänge, seine Ausbildung in Aachen, seine Zeit als Direktor des Bauhaus sowie die Jahre in den USA. So erzählt van der Rohe von seinen Konflikten mit den Nationalsozialisten und wie diese letztlich zur Schließung des Bauhaus geführt haben, doch genauso seine Haltung zur Politik generell und welchen Platz diese neben der Kunst hat. Neben dem Künstler und Architekten Ludwig Mies van der Rohe erzählt er aber auch über Privates, beispielsweise über seine Zeit im Ersten Weltkrieg und seine diversen Frauengeschichten. Er berichtet über zerbrochene Ehen wie auch zerbrochene Freundschaften, gerade wegen seines distanzierten Verhältnisses zur Politik. Doch vor allem zeigt er, welche Momente den Menschen wie auch den Künstler Ludwig Mies van der Rohe geprägt haben und wie sein unnachahmlicher Baustil entstand.

„Genieß dein eigenes Haus“
Pünktlich zum 50. Todestag Mies van der Rohes am 17. August 2019 erschien im gleichen Jahr der Comic zu dessen Leben des spanischen Cartoonisten, Drehbuchautors und gelernten Architekten Agustín Ferrer Casas. Wie Carras in Interviews berichtet, war es ein Artikel über das Leben van der Rohes, der ihn zu dem Werk inspirierte, in dem zwar dessen Leistung als Architekt und Künstler betont wurde, aber auch seine private Seite, die teils nicht gerade unproblematisch war. Diese beiden Seiten zu vereinen innerhalb einer Erzählung ist das Ziel von MIES – Mies van der Rohe: Ein visionärer Architekt.

Während der Planungsphase des Deutschen Pavillons betritt dessen Architekt Mies van der Rohe die Werkstatt eines Steinmetzes, um sich über die Materialien für den Bau einen Überblick zu verschaffen. Sein Blick fällt auf einen Marmorblock, dessen Anblick ihn so entzückt, dass er unter den entsetzen Blicken des Steinmetz kurzerhand Hammer und Meißel ergreift und mit geübten Hieben eine fast perfekte Platte von dem Block abtrennt. Im Rückblick gibt der alte Mies van der Rohe seinem Sohn gegenüber zu, wohl etwas gemogelt zu haben bei der Erzählung, doch er betont, dass er sich den Block, als er ihn das erste Mal sah, „nicht entgehen“ lassen konnte und er ihn fortan als sein „Eigentum“ betrachtete.

Diese und andere Szenen und Anekdoten aus dem Leben des Architekten schmücken die Geschichte, wie sie Agustín Ferrer Casas erzählt. Jedoch erlaubt er sich den Kniff, dass es schlussendlich van der Rohe ist, der hier erzählt, der in einigen Punkten wie dem Abtrennen des Marmorblocks übertreibt und dies offen zugibt. An anderer Stelle korrigiert er sich nicht oder lässt Dinge aus, welche dem Leser in Form von wiederholten Zeitsprüngen oder Gedanken wiedergegeben werden. Wie jener Marmorblock ist auch diese Geschichte das „Eigentum“ Mies van der Rohes und er versucht sein Bild zu kontrollieren, wo es geht, auch wenn er gewisse Fehltritte einräumen muss, von denen einige ihn noch nach so vielen Jahren beschäftigen und die er bewusst verschweigt.

Ideologie und Utopie
Innerhalb dieser Selbstanalyse schreckt Casas’ Erzählung auch nicht vor der kritischen Auseinandersetzung mit dem Architekten Mies van der Rohe zurück. Die Idee von einer Kunst ohne Ideologie oder eine politische Dimension wird als ein großer Denkfehler im Leben van der Rohes gezeigt, wie er in einigen Schlüsselszenen zeigt. So übersieht van der Rohe, der in seiner Zeit als Bauhaus-Direktor diese Institution von politischen Elementen reinigen wollte, voll und ganz die Sympathien seiner Schülerschaft für die Politik der Nazis. Die Ablehnung des Alten, wie sie sich van der Rohe als Lebensphilosophie wie auch als Prinzip seiner Kunst bewahrt, ist der Beginn einer Utopie, wie sie viele seiner Zeitgenossen beschäftigte und die nicht ganz unkritisch zu betrachten ist.

Im Nachzug des Bauhaus-Jubiläums ist Carras’ Comic keine reine Biografie, keiner Abbildung, sondern sie sucht eine Auseinandersetzung. Das Bild van der Rohes ist keinesfalls makellos, weder das des Menschen noch das des Künstlers und gerade hier steckt der große Mehrwert dieses Comics.

Credits

OT: „MIES“
Land: Spanien
Jahr: 2019
Geschichte: Agustín Ferrer Casas
Zeichnung: Agustín Ferrer Casas

Bilder

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"MIES – Mies van der Rohe: Ein visionärer Architekt" von Agustín Ferrer Casas ist eine anspruchsvolle, erzählerisch starke Auseinandersetzung mit einem bedeutenden Künstler und Mitbegründer der modernen Architektur. Dies ist mitnichten eine reine Lebensgeschichte, sondern eine Wiederbegegnung mit Mies van der Rohe, dessen Erfolgen aber auch dessen Makeln.
4.5