Hidden Agenda
© ZDF/Særún Hrafnkelsdóttir/Senay Berhe

Hidden Agenda

Kritik

„Hidden Agenda“ // Deutschland-Start: 29. Mai 2020 (TV) // 10. Juli 2020 (DVD)

Der Fall ist etwas heikel, könnte sich aber als der ersehnte Karrieresprung erweisen. Schon länger spekuliert die ambitionierte Anwältin Emily Jansson (Josefin Asplund) darauf, Partnerin in ihrer Kanzlei zu werden. Zu diesem Zweck soll sie – ganz diskret natürlich – herausfinden, was mit Philip (Björn Elgerd) geschehen ist. Der wurde erst gerade zum neuen Geschäftsführer eines Familienunternehmens ernannt und ist kurze Zeit drauf spurlos verschwunden. Versteckt er sich irgendwo? Ist ihm etwas zugestoßen? Während Emily der Sache nachgeht, kreuzen sich ihre Wege mit dem von Teddy (Alexej Manvelov), der nach zehn Jahren Gefängnis endlich wieder in Freiheit ist. Eigentlich wollte er nun die Geschichte hinter sich lassen und seiner kriminellen Vergangenheit abschwören. Doch es dauert nicht lang, bis ihn diese wieder einholt und er erneut in finstere Machenschaften hineingezogen wird …

Es gehört zu den beliebten Bestandteilen von Krimis, Thrillern oder auch Actionfilmen: Zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden dazu gezwungen, an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten – meist die Jagd auf einen Verbrecher – und kommen sich nach anfänglichen Schwierigkeiten und Reibereien näher. Schließlich ergänzt man sich gut. Aus Widersachern werden Kollegen, später auch Freunde. Sofern das Drehbuchteam den beiden das „richtige“ Geschlecht gegeben hat, steht sogar einer Partnerschaft grundsätzlich nichts im Wege. Das Böse ist besiegt, wir haben ein schönes, befriedigendes Happy End. Und wenn sie nicht gestorben sind oder in der Fortsetzung dabei, dann freuen sie sich noch heute.

Der Zufall als Bindeglied
Grundsätzlich geht Hidden Agenda dabei in eine ähnliche Richtung. Auch hier werden zwei grundverschiedene Figuren zusammen in den Ring geworfen, vereint letztendlich nur durch den Zufall. Auf der einen Seite eine hübsche, aufstrebende Schwedin, die sich in einer Anwaltskanzlei um die Bewahrung des Rechtes kümmert, auf der anderen Seite der deutlich ältere Kriminelle serbischer Abstammung, der in erster Linie eine Vergangenheit hat, weniger eine Zukunft. Da sollte man eigentlich meinen, man wüsste, wohin sich das in der Folge weiterentwickelt. Überraschenderweise hält sich die Serie aber nicht an die Vorgabe. Tatsächlich werden sich die beiden Fremden auch weiterhin fremd bleiben. An einer Stelle wird zwar von einer dritten Person eingeworfen, ob die beiden nicht als Paar in Frage kämen – was aber gleich wieder verworfen wird.

Tatsächlich spaltet sich die Serie in zwei Parallelhandlungen auf, die zwar Berührungspunkte haben, aber grundsätzlich völlig unabhängig voneinander sind. Gemeinsam ist ihnen natürlich der Bereich der Kriminalität. Während sich die Geschichte um Emily aber auf höheren Ebenen abspielt, etwa mit Korruption verbunden ist und der Macht des Geldes, da geht es bei Teddy bodenständiger zu – und dreckiger. Hidden Agenda zeigt damit auch eine Spaltung der schwedischen Gesellschaft auf, zwei Welten, die sich kaum berühren. Teilweise geht das als eine Art Porträt durch, gerade auch bei den Ausflügen in die Gangsterkreise mit Migrantenhintergrund, die deutlich mehr von Personen und ihren Geschichten geprägt sind, weniger von der privilegierten Gier nach Macht und Geld.

Eine Geschichte ohne Hoffnung
Was die beiden Stränge neben der kriminellen Thematik eint, ist die sehr düstere Ausrichtung. Skandinavische Produktionen sind ja dafür bekannt, dass sie gerne mal in menschlichen Abgründen wühlen, im Mittelpunkt kaputte Figuren agieren, die wenig Vertrauen in eine bessere Welt schenken. Hidden Agenda geht in der Hinsicht nicht ganz so weit wie die Kollegen, ist dafür aber anderweitig ein harter Brocken. Die Serie ist gekennzeichnet von einem Nihilismus, einer Hoffnungslosigkeit, dass sich etwas ändern könnte. Wo es anderweitig immerhin Teilerfolge gibt und bösen Verbrechern das Handwerk gelegt wird, da gibt es hier nach den acht Folgen wenig Anlass zum Triumph. Die Geschichte ist aufgeklärt. Aber was nun? Die Systeme bestehen weiter, oben wie unten, wir sind nicht wirklich weiter gekommen.

Das wird nicht unbedingt für alle befriedigend sein. Zudem ist Hidden Agenda eine eher langsame Serie, ohne viel Handlung. Und ohne große Worte: In der Tradition anderer skandinavischer Produktionen wird hier ebenso viel nicht gesagt wie gesagt, was zum einen mit den zahlreichen Geheimnissen zusammenhängt, welche die Figuren mit sich herumtragen, aber auch dem Unwillen sich zu öffnen. In Kombination mit den teils doch verschlungenen Pfaden der Charaktere, die alle eigene Geschichten mitbringen, welche nichts mit dem Fall an sich zu tun haben, braucht es da schon Geduld und gleichzeitig etwas Aufmerksamkeit, um den Überblick nicht zu verlieren. Und natürlich den Willen, die durch das Schweigen geschaffenen Leerräume selbst irgendwie zu füllen. Wer das kann, der sollte auf jeden Fall mal einen Blick auf die atmosphärische Serie werfen.

Credits

OT: „Top Dog“
Land: Schweden, Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Molly Hartleb, Alexis Almström
Drehbuch: Veronica Zacco, Linnea Möller Lindh, Lovisa Milles, Josefin Johansson, Josefin Högberg, Jens Lapidus, Alexis Almström, Gunnar Järvstad
Vorlage: Jens Lapidus
Musik: Jon Ekstrand, Carl-Johan Sevedag
Kamera: Matthew F. Leonetti
Besetzung: Josefin Asplund, Alexej Manvelov, Gustav Lindh, Kardo Razzazi, Mahmut Suvakci, Jessica Grabowsky, Peter Gardiner, Joel Spira, Christian Hillborg

Bilder

Trailer

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In „Hidden Agenda“ müssen eine Anwältin und ein aus dem Gefängnis entlassener Verbrecher gemeinsame Sache machen. Das klingt nach einer Buddy-Geschichte, fällt aber vielmehr durch Distanz, viel Schweigen und eine gespaltene Gesellschaft auf. Die Handlung ist eher überschaubar, dafür gefällt die Serie durch ihre Atmosphäre und zahlreiche verschlungene Einzelschicksale.
7
von 10