Speak So I Can See You
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Speak So I Can See You

Kritik

Speak So I Can See You
„Speak So I Can See You“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Früher, da waren Radios für viele Menschen das Tor zur Welt, eine Möglichkeit zu hören und zu erfahren und zu erleben, was außerhalb der eigenen vier Wände geschieht. Inzwischen haben sie diese Bedeutung weitestgehend verloren, wurden erst durch Fernseher ersetzt, inzwischen auch durchs Internet. Aber es gibt sie natürlich noch, die Sender, welche die Leute daheim oder unterwegs unterhalten und informieren wollen. Einer davon ist Radio Belgrad, der nach wie vor in ganz Serbien gehört wird, rund 90 Jahre nach den ersten Programmen, was den Sender zu einem der ältesten in ganz Europa macht. Ein Sender, der viel überstehen musste, mehrere Kriege natürlich, aber auch viele gesellschaftliche Umbrüche. Ein Sender, der für einen Dokumentarfilm daher ein dankbares Thema ist.

Zwischen Rückblick und Experiment
Speak So I Can See You ist ein solcher Dokumentarfilm – und ist es gleichzeitig wieder nicht. Regisseurin Marija Stojnić hat der kulturellen Institution ihres Landes ein Denkmal gesetzt, jedoch nicht in der Form einer herkömmlichen Dokumentation. So verzichtet die Filmemacherin auf Interviewpartner, gibt keine Kontexte, verzichtet auf die geliebten Texttafeln, auf denen knapp die wichtigsten Infos zusammengetragen werden. Genauer verzichtet sie ganz allgemein auf Infos, zumindest solche, wie man sie in einem Lexikoneintrag finden würde. Wer etwas über den Sender und seine Geschichte erfahren will, der schaut sich woanders um.

Stattdessen nähert sich Stojnić ihrem Thema auf eine ganz experimentelle Weise an. Die konventionelleren Szenen sind noch diese, wenn sie den Moderator*innen und anderen Radiomenschen einfach ein bisschen bei der Arbeit zusieht, etwa bei der Vorbereitung einer Sendung. Diese aktuellen Momente verbindet sie jedoch mit historischen Aufnahmen, mal direkt, mal auch nur im Wechsel. Dabei handelt es sich um einen Querschnitt der unterschiedlichsten Audiodateien, von Musik bis zu Nachrichten, also die Bandbreite dessen, was Radio Belgrad im Laufe der Jahrzehnte so gemacht hat. Anstatt den Sender als solchen vorzustellen, dessen Geschichte oder auch die Leute, die ihn prägten, zeigt Speak So I Can See You lieber konkrete Beispiele.

Die Faszination des Unheimlichen
Gleichzeitig ist das Werk, das auf dem DOK.fest München 2020 Deutschlandpremiere feiert, aber ausgesprochen abstrakt. Immer wieder baut Marija Stojnić Szenen ein, die mindestens mysteriös sind, oft sogar unheimlich. Gerade die Musik trägt in diesen verfremdeten, kontextfreien Momenten dazu bei, dass man sich wie in einem Horrorfilm fühlt, wenn wir durch die leeren Gänge des Senders schleichen, in der Erwartung, dass schon hinter der nächsten Ecke ein Monster wartet. Oder die Ecke drauf. Das trägt dann zwar nicht unbedingt zum Verständnis bei. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Imagefilmen ist man sich hier nicht sicher, ob das ein so großartiger Ort ist – oder was genau hier überhaupt passiert.

Aber es hat doch seinen ganz eigenen Reiz, was Speak So I Can See You da so treibt, eben weil alles anders ist, der Film zuweilen mehr surreales Puzzle als Dokumentation ist. Das Ergebnis ist also weniger für ein Publikum gedacht oder geeignet, das sich über den Inhalt informieren will, um in Anschluss mit neuen Erkenntnissen aus dem Kino zu gehen. Hier geht es mehr um das Erleben und das Erfahren, was schon ein wenig verwirrend ist, aber auch faszinierend sein kann als Klang-Bild-Collage einer vergangenen wie heutigen Zeit.

Credits

OT: „Govori da bih te video“
Land: Kroatien, Serbien
Jahr: 2019
Regie: Marija Stojnić
Kamera: Dušan Grubin

Bilder

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„Speak So I Can See You“ nimmt uns mit zu Radio Belgrad, einem der ältesten Radiosender Europas. Von einem herkömmlichen Imagefilm ist das Ergebnis aber weit entfernt. Vielmehr kombiniert der experimentelle Dokumentarfilm historische Aufnahmen und aktuelle Einblicke zu einer gewöhnungsbedürftigen, aber faszinierenden Collage.