Ende des Sommers Summer Hours L'heure d'été

Ende eines Sommers

Kritik

Ende des Sommers Summer Hours L'heure d'été
„Ende eines Sommers“ // Deutschland-Start: 17. Januar 2018 (TV)

Wirklich oft sehen sie sich ja nicht mehr: Adrienne (Juliette Binoche) lebt in den USA, Jérémie (Jérémie Renier) ist durch seine Arbeit viel in China unterwegs, nur Frédéric (Charles Berling) ist im heimischen Frankreich geblieben. Umso schöner ist das Wiedersehen im Haus ihrer Mutter Hélène (Edith Scob), wo sie aufgewachsen sind, um mit ihr den 75. Geburtstag zu feiern. Es werden Pläne geschmiedet für das nächste Treffen, schließlich steht eine Ausstellung von Werken ihres Onkels an. Doch es kommt anders, denn wenige Monate später ist sie tot. Nun müssen sich die drei nicht nur damit auseinandersetzen, wie sie das Erbe verteilen sollen und was mit den vielen Kunstwerken geschieht. Es geht auch um die Frage: Wie soll die Zukunft der drei aussehen?

Es ist ein bisschen der natürliche Lauf der Dinge, dass man sich immer weiter von der Vergangenheit entfernt. Nicht unbedingt, weil man das so geplant hat. Selbst wer eine glückliche Kindheit hatte, wird heute eher wegziehen, um woanders seinen Weg zu finden, in einer globalisierten Welt ist es normal geworden, plötzlich in einer fremden Stand aufzuwachen, einem fremden Land, einem fremden Kontinent, um dort zu arbeiten. Das gilt auch für die drei Geschwister, von denen der französische Regisseur und Drehbuchautor Olivier Assayas (Zwischen den Zeilen, Die Wolken von Sils Maria) hier erzählt. Sie haben sich nicht im Streit getrennt, sie hängen auch nach wie vor an ihrer Mutter. Ihr Leben hat sich nur einfach so ergeben.

Erstaunlich nüchterne Konflikte
Es ist dann auch diese Nüchternheit, die seinen Film Ende eines Sommers auszeichnet. Hier wird nicht versucht, aus allem ein großes Drama zu machen. Es gibt keine hysterischen Momente am Grab, keine Kloake düsterer Geheimnisse, die irgendwann aufgedeckt wird. Es ist nicht einmal so, dass es zu großen Verteilungskämpfen kommen würde, die man sich angesichts des Szenarios erwarten könnte. Jeder betont, nicht den anderen überstimmen zu wollen, die Diskussionen sind nicht von Wut, Schmerz oder anderen Emotionen geprägt, sondern von einem reinen Pragmatismus. Wenn zwei der drei Geschwister im Ausland sind und das Haus nie nutzen werden, warum sollten sie es dann behalten wollen?

Das wird eventuell die Zuschauer und Zuschauerinnen enttäuschen, die von einem Familiendrama heftige Auseinandersetzungen erwarten und brauchen, durch die vergangene Konflikte verarbeitet werden. Ende eines Sommers ist sicherlich nicht frei von Konflikten, orientiert sich jedoch mehr daran, wie erwachsene Leute damit umgehen. Das kann auch mal bedeuten, eben nicht über alles zu sprechen, sondern das mit sich selbst auszumachen. Das Thema des Films ist nicht allein die drei Geschwister und die Beziehungen innerhalb der Familie. Stattdessen steht die universellere Frage im Raum, wie überhaupt mit der Vergangenheit umgegangen werden soll, sei es die materielle in Form des Hauses oder der vielen Kunstwerke, sei es die immaterielle: Erinnerungen, Gefühle.

Das traurige Ende der Kindheit
Das kann auch selbst Gefühle auslösen. Gerade die Geschichte um Frédéric geht zu Herzen, der am stärksten am Erbe seiner Mutter hängt und etwas schockiert feststellen muss, dass seine beiden Geschwister nicht in dem Maße die Vergangenheit bewahren wollen. Er steht dann auch etwas mehr im Vordergrund: Anders als bei den beiden anderen dürfen wir bei ihm noch einen kleinen Einblick in seinen Alltag bekommen. Noch mehr Szenen in dieser Art, sowohl für ihn wie auch Schwester und Bruder, wären ganz schön gewesen, damit das Familienporträt noch etwas prägnanter wird, sich die Figuren nicht allein dadurch definieren, wie sie mit der Vergangenheit umgehen.

Aber auch so ist Ende eines Sommers ein wunderbarer Film für alle, die leise Geschichten zu schätzen wissen. Zudem hat Assayas ein hochkarätiges Ensemble um sich herum geschart, das den Figuren trotz der vielen Leerstellen Kontur und Charakter verleiht. Es sind auch kleine Momente des Glücks dabei, sogar etwas Humor, etwa in Bezug auf die alte Haushälterin, die der Familie so lange die Treue hielt und dem sehr kunstlastigen Haus Bodenständigkeit gibt. Und wenn zum Schluss noch einmal ausgiebig gefeiert wird, dann weiß man als Zuschauer zwar, dass es jetzt wirklich vorbei ist. Dass aber auch etwas Neues kommt, das Leben weitergeht, nach diesem Sommer noch weitere warten – selbst wenn diese anders aussehen und woanders stattfinden.

Credits

OT: „L’heure d’été“
IT: „Summer Hours“
Land: Frankreich
Jahr: 2008
Regie: Olivier Assayas
Drehbuch: Olivier Assayas
Kamera: Eric Gautier
Besetzung: Juliette Binoche, Charles Berling, Jérémie Renier, Edith Scob, Dominique Reymond, Valérie Bonneton

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
César 2009 Beste Nebendarstellerin Edith Scob Nominierung

Filmfeste

Toronto International Film Festival 2008

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„Ende eines Sommers“ ist ein schöner Film um drei Geschwister, die nach dem Tod der Mutter das Erbe verteilen müssen. Das führt, anders als man erwarten könnte, nicht zum großen Drama, sondern ist vielmehr eine leise Geschichte über den Umgang mit einer materiellen wie immateriellen Vergangenheit, über den schwierigen Abschied von der eigenen Kindheit.
8
von 10