Curiosa Die Kunst der Verführung
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Curiosa – Die Kunst der Verführung

Kritik

Curiosa
„Curiosa – Die Kunst der Verführung“ // Deutschland-Start: 27. Februar 2020 (DVD/Blu-ray)

Leicht ist die Entscheidung nicht für die umschwärmte Marie de Heredia (Noémie Merlant). Welchen ihrer beiden Verehrer soll sie nehmen? Wenn es nur um ihr Herz ginge, die Wahl fiele auf den dandyhaften Pierre (Niels Schneider), zu dem sie sich einfach mehr hingezogen fühlt. Doch am Ende gewinnt ihr Bedürfnis nach Sicherheit, ihre Entscheidung fällt für den wohlhabenden Henri (Benjamin Lavernhe). Pierre ist außer sich, will nichts mehr von Marie wissen. Und so lässt er Frankreich hinter sich, um in Algerien ein neues Leben anzufangen, wo er Zohra (Camélia Jordana) kennenlernt, die ihn mit erotischen Fotografien erfreut. Seine Gefühle für die Verflossene sind deshalb jedoch nicht erloschen, wie er bei seiner Rückkehr nach Paris feststellt – der Beginn einer leidenschaftlichen Affäre …

Die Ausgangssituation ist eigentlich klassisches Material für einen Kostümfilm, wenn die gute alte Zwickmühle ansteht: Heirat aus Gefühl oder aus Vernunft? Zumindest wird das impliziert, wenn Marie zwischen zwei Männern steht. Das bedeutet normalerweise in solchen Werken, dass ewig herumüberlegt wird, nur damit am Ende doch noch die „richtige“ Entscheidung gefällt wird und das Herz das Rennen macht. Teilweise ist das auch in Curiosa – Die Kunst der Verführung so, wenn von Anfang an klar gemacht wird, dass die Beziehung zu Henri kein Glück verspricht. Und ein Leben ohne Glück ist ein vergeudetes Leben, wie immer impliziert wird. Ganz so einfach ist die Sachlage hier dann aber doch nicht.

Zwischen Besitz und Begehren
Zunächst einmal scheinen sich die Gefühle nur manchmal auf das Herz zu beziehen. Henri sieht zwar besonders leidend aus, wenn er nicht so wirklich von Marie erhört wird. Und natürlich ist Pierre auch stinkig, als er eine Abfuhr erhält. Doch das scheint immer mehr mit einer gekränkten Eitelkeit zusammenzuhängen, einem Besitzanspruch Frauen gegenüber und der Auslebung von Trieben. Denn im Gegensatz zu den meist sehr keuschen Kostümfilmen, wie wir sie aus dem englischen Umfeld kennen, spielt Sex hier eine große Rolle. Alternativ gibt es zahlreiche erotische Fotografien, zeitweise hat man das Gefühl, die Figuren mehr ohne Kleidung zu kennen als mit.

Doch nur weil Menschen sich nackt zeigen, entsteht daraus noch nicht zwangsläufig ein Kribbeln. Es irritiert sogar ein wenig, wie distanziert Curiosa – Die Kunst der Verführung ist. Das Problem ist dabei weniger, dass der Sex an sich kaum gezeigt wird, auch wenn das in dem Zusammenhang schon etwas seltsam wirkt, schließlich gibt man sich hier einen provokativen Anstrich. Vielmehr ist der Film so sehr mit der Oberfläche beschäftigt, dass darunter nichts hervorkommt. Das passt dann zwar irgendwie zum Thema der erotischen Fotografie, welche die Menschen zu einem Objekt macht. Das ist zudem nicht ohne eine sinnliche Note, zumal der französische Film schöne Bilder hat. Aber es bleibt bei Hochglanzschimmer, als würde man ein Magazin durchblättern.

Ein talentiertes Ensemble
Das ist auch deshalb schade, weil der Film ein – zumindest für ein frankophiles Publikum – ausgesprochen bekanntes Ensemble vereint. Noémie Merlant zeigte letztes Jahr in Porträt einer jungen Frau in Flammen, dass sie sich in historischen Liebesbekundungen wohl fühlt und nicht viele Worte braucht. Niels Schneider spielte beispielsweise in der wunderbaren Science-Fiction-Serie Ad Vitam: In alle Ewigkeit mit. Benjamin Lavernhe kennt man aus mehreren Komödien, darunter Das Leben ist ein Fest. Sie alle waren schon für Césars im Rennen, dem wichtigsten französischen Filmpreis. Doch so sehr sie sich auch bemühen, Curiosa – Die Kunst der Verführung gewinnt nie die Brisanz oder die Emotionalität, die man erwarten durfte. Es fehlt die nötige Intensität.

Das macht aus dem französischen Historiendrama noch keinen schlechten Film. Die Geschichte um Marie, Pierre und Henri, die im ausgehenden 19. Jahrhundert allesamt Bücher oder Gedichte schrieben, hat einige interessante Aspekte, gerade auch zu Geschlechterrollen wird so manches gesagt, das bis heute Relevanz hat. Schade nur, dass Regisseurin und Drehbuchautorin Lou Jeunet kein Mittel findet, um das Ganze pointierter zu machen. Die Beziehungen der Figuren wabern ein bisschen durch die Gegend, bauen nie die Kraft auf, um Curiosa – Die Kunst der Verführung eine wirkliche Aussage zu entlocken.

Credits

OT: „Curiosa“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Lou Jeunet
Drehbuch: Raphaëlle Desplechin, Lou Jeunet
Musik: Arnaud Rebotini
Kamera: Simon Roca
Besetzung: Noémie Merlant, Niels Schneider, Amira Casar, Camélia Jordana, Benjamin Lavernhe

Bilder

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„Curiosa – Die Kunst der Verführung“ erzählt die Geschichte von mehreren kunstbeflissenen Menschen Ende des 19. Jahrhunderts und ihrer Beziehungen untereinander. Das hat schöne Bilder, ein talentiertes Ensemble und bringt auch Geschlechterrollen zur Sprache, bleibt jedoch zu sehr auf Distanz. Der Film kommt über schöne Oberflächen nicht hinaus, entwickelt auch nicht die zu erwartende Emotionalität.
5
von 10