Der marktgerechte Mensch
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Der marktgerechte Mensch

Kritik

Der marktgerechte Mensch
„Der marktgerechte Mensch“ // Deutschland-Start: 16. Januar 2020 (Kino)

Die Arbeitswelt von heute – chaotischer denn je – wird schon seit Ewigkeiten von einem anhaltenden gesellschaftlichen Diskurs begleitet. Wenig verwunderlich finden sich so immer mehr Beiträge zu Themen wie Arbeitnehmerstreiks, Arbeits- und Altersarmut, Befristungen bei Arbeitsverträgen und die scheinbar generell zunehmende Unzufriedenheit im Arbeitssektor. Der marktgerechte Mensch, angelegt als ein sozialgesellschaftliches Portrait über unsere Zeit, versucht aber noch einen Schritt weiter zu gehen. Währendem vergleichbare Dokumentationen oftmals den Finger auf die Wunde der gesellschaftlichen Strukturen legen, fokussierten sich Leslie Franke (Der marktgerechte Patient) und Herdolor Lorenz nicht nur auf die Missstände und Schattenseiten der modernen Arbeitswelt, sondern darüber hinaus auch auf die neuen Arbeitsmodelle von morgen.

Die Welt im Wandel
Während für viele ein 40-Stunden Job ein ganzes Leben lang noch zum Alltag gehört, zeigt sich nicht erst seit gestern, dass ein gesellschaftlicher Wandel in diesem Bereich stattfindet. Ganz im Sinne des Post-Materialismus untermauert Der marktgerechte Mensch hinsichtlich dessen den Bedeutungszuwachs von Partizipation, Anerkennung und ganz besonders individueller Entfaltung im selbstständigen Sinne sowie die Forderung nach mehr Mitbestimmung, Transparenz, Menschenwürde, ökologischer Nachhaltigkeit und Solidarität aus Arbeitnehmersicht. Einmal mehr stehen so Missstände wie die schlechten Arbeitsbedingungen bei beispielsweise Textilherstellern im Raum. Aufgrund der stark etablierten Züge des Kapitalismus – Zeit ist schließlich Geld – kommt Der marktgerechte Mensch aber an einem Punkt wie die meisten vergleichbaren Dokumentationen nur schwerlich weiter. Vereinzelte Lösungen werden vor dem Hintergrund nämlich nur oberflächlich behandelt.

Kooperation statt Kompetitivität
Beim Blick auf Freelancing, Coworking-Places oder die generelle Vernetzung von Arbeitnehmern wie beispielsweise bei Crowdflower entstehen fast tagtäglich dynamische Entwicklungen in der Arbeitswelt. Das Portrait von Franke und Lorenz macht in der Hinsicht deutlich, dass es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit ist, bis vereinzelte Strukturen sowohl im sozialen als auch politischen Sinne durch neue abgelöst werden. Untermauert wird dies mit Argumenten gegen das generelle kapitalistische System, welches für die menschliche Ausbeutung, Entsolidarisierung und die individuelle Vereinsamung anhand der Beispiele von Deliveroo und H&M  hart kritisiert wird.

Eine neue Herangehensweise
Ähnlich wie beim Thema des Grundeinkommen, mit dem sich auch schon Free Lunch Society: Komm komm Grundeinkommen beschäftigt hat, fällt es schwer aus dem herkömmlichen Denken heraus zu kommen. Der marktgerechte Mensch zeigt vor dem Hintergrund aber gleichermaßen, dass neue Ideen dringend gebraucht werden, um nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt weiter voran zu bringen. Dem Aufzeigen von Missständen verschrieben, kommen Franke und Lorenz zu dem Urteil, dass es in puncto Arbeiterausbeutung, den herkömmlichen Beschäftigungsverhältnissen und dem – übertrieben gesagt – Gegenseitig kaputt machen so nicht weiter gehen kann.

Credits

OT: „Der marktgerechte Mensch“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Leslie Franke, Alexander Grasseck, Laura Dean
Kamera: Hermann Lorenz, Stefan Corinth, Felix Nasser, Severin Renke, Christophe Orcand, Edie Laconie, Carmine Grimaldi

Bilder

Trailer



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Währendem Leslie Franke und Herdolor Lorenz in „Der marktgerechte Patient“ das Gesundheitssystem unter die Lupe genommen haben, wird in ihrer neuen Dokumentation "Der marktgerechte Mensch" die Arbeitswelt zerlegt. Abermals wird uns so vor Augen geführt, dass die Welt an manchen Ecken ganz schön verrückte Dimensionen annimmt.