Die Mächte des Wahnsinns In the Mouth of Madness John Carpenter
© Warner Bros.

Die Mächte des Wahnsinns

Die Mächte des Wahnsinns In the Mouth of Madness John Carpenter
„Die Mächte des Wahnsinns“ // Deutschland-Start: 23. Februar 1995 (Kino) // 25. Oktober 2013 (DVD/Blu-ray)

Eigentlich hat Privatdetektiv John Trent (Sam Neill) wenig Zeit für Horrorgeschichten, verbringt er doch einen Großteil seiner Zeit damit, berufsbedingt Leuten hinterherzuspionieren und Versicherungsbetrüger zu überführen. Wegen seiner erfolgreichen Methoden wird Trent jedoch vom Verlag des namhaften Autors Sutter Cane (Jürgen Prochnow) engagiert, um nach ihm zu suchen, denn dieser ist seit mehreren Monaten unauffindbar. Weder Verleger Jackson Harglow (Charlton Heston) noch Canes Lektorin Linda Styles (Julie Carmen) wissen, wo sich Cane aufhält und warten, wie Canes Fans weltweit, auf sein neues Werk mit dem Titel „Die Mächte des Wahnsinns“. Da er in seinem Job schon vielen Geschichten gehört hat, glaubt Trent weder Styles noch Harglow und hält eine ausgeklügelte Werbeaktion, um den Verkauf des Buches zu beflügeln, für wahrscheinlicher. Dennoch macht er sich an die Arbeit, sichtet die bisherigen Informationen über Cane und liest dessen Bücher, wobei er auf den Ort Hobb’s End stößt, den Schauplatz des neuesten Werkes Cane. Überzeugt von der Existenz der Stadt machen sich Styles und Trent auf den Weg, doch was sie dort finden, verwischt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.

Dem Wahnsinn ins Auge blicken
Ursprünglich hatte US-Regisseur John Carpenter das Skript des Autors Michael De Luca abgelehnt, als man es ihm in den 80er Jahren anbot. In den 90er Jahren kam Carpenter allerdings, nach einer Reihe kommerziell erfolgloser Filme, wieder auf das an die Werke H.P. Lovecrafts angelehnten Skript zurück. Neben Das Ding aus einer anderen Weltt und Die Fürsten der Dunkelheit gehört Die Mächte des Wahnsinns zu der apokalyptischen Trilogie des Regisseurs und ist zudem das mit Abstand surrealste Werk innerhalb Carpenters filmischen Schaffens.

Generell vermutet man eine Art doppelten Boden hinter den Bildern des Films, selbst jenen, die noch in der vermeintlich realen Welt der Geschichte spielen. Dies liegt nicht zuletzt an der cleveren Anlage der Figuren, insbesondere des von Sam Neill gespielten Trent, einem Mann, dessen Job es ist, auf der feinen Linie von Lüge und Wahrheit zu balancieren und beide Aspekte voneinander zu trennen. Zwar ist Trent der Erzähler dieser Geschichte, aber als Zuschauer fühlt man stets eine ähnliche Skepsis aufsteigen, wie sie Trent selbst spürt, als er den ziemlich faulen Bericht der Verlagsvertreter über das Verschwinden ihres „goldenen Kalbs“ hört. Irgendwann scheint aber Trent, wie Cane selbst, nicht mehr Herr seiner eigenen Geschichte zu sein, verwischt Reales mit Fiktionalem und wird zu einem Agenten des Chaos.

Mehr noch als seine anderen Werke ist Die Mächte des Wahnsinns eine Art Meta-Film, eine Geschichte über das Erzählen von Geschichten. War die Apokalypse der beiden anderen Filme letzten Endes eine äußere Wirklichkeit, eine mögliche Zukunft, verortet De Lucas Skript diese nun im Konzept des Erzählers, der jenes Konstrukt der Wirklichkeit über dem Zuschauer krachend zusammenprallen lässt. Dies geschieht nicht zuletzt dank der surrealen Bilder Gary B. Kibbes sowie des von Carpenter mitproduzierten Soundtracks des Films.

Der Wahnsinn ist Methode
Abgesehen von diesen Aspekten erzählt Die Mächte des Wahnsinns zudem eine herrliche Satire auf das Geschäft mit Horrorgeschichten. Der von Chalton Heston gespielte Verleger ist hierbei Repräsentant einer gut funktionierenden Marketing-Maschine, die nach jedem Cent in der Tasche des Käufers lechzt und der jedes Mittel recht ist, um an diesen zu kommen. Auch in diesem Fall handelt man mit präzise geplanten Geschichten, gut platzierten Lügen, welche die Druckerpresse zum Rotieren und den Rubel zum Rollen bringen, wie man in den ersten Minuten des Filmes sehen kann.

In den Händen von Männern wie Harglow ist selbst die Apokalypse eine geschickte Werbeaktion, ein Konstrukt, auf das immer wieder so viele hereinfallen. Problematisch wird es aber auch hier, wenn die Kontrolle über diese Narrative verliert.



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„Die Mächte des Wahnsinns“ ist ein sperriger, aber vor allem nach mehrmaligen Sichten hintersinniger Film über die Praxis des Erzählens und unseren Drang nach extremen Geschichten. Getragen von einer tollen darstellerischen Leistung von Sam Neill und den typischen Aushängeschildern eines Filmes von John Carpenter, ist „Die Mächte des Wahnsinns“ ein sehr interessanter, leider viel zu wenig erwähnter Film des Regisseurs.
8
von 10