Searching Eva
© UCM.ONE

Searching Eva

Searching Eva
„Searching Eva“ // Deutschland-Start: 14. November 2019 (Kino) // 23. Oktober 2020 (DVD)

Searching Eva ist eine sehr feministische Dokumentation, die die mittlerweile 25 jährige Italienerin Eva Collé über mehrere Jahre hinweg begleitet hat. Eva, die sich den Namen selbst gab, da sie es für völlig überholt findet, ein Leben lang einen Namen zu tragen, den andere für einen ausgesucht haben, wird nirgendwo so richtig lange sesshaft. Immer nur mit dem nötigsten in zwei Koffern, zieht es sie durch ganz Europa. Beständigkeit und Identität sind dabei zwei Begrifflichkeiten, die Evas Lebensstil mehr als widersprechen. Wenn sie sich vorstellt, dann ist sie alles beziehungsweise kann alles sein: Autorin, Sängerin, Model, Sex-Arbeiterin, Feministin und auch irgendwie Influencerin.

Aktiv auf diversen sozialen Plattformen, hat die junge Frau mehrere Tausend Follower, denen sie unverblümt und ohne Rücksicht auf ihre eigene Privatsphäre ihr Leben seit sie 14 Jahre alt ist darlegt. Privatsphäre ist ohnehin etwas, das ihrer Ansicht nach in unserer heutigen Gesellschaft weitestgehend ausgedient hat. Und so ist der Zuschauer auch in der Dokumentation bei intimeren Momenten mit dabei, wenn sie beispielsweise erneut Drogen konsumiert oder auf ein Sex-Date im Hotel geht um sich Geld zu verdienen.

Eine Anregung für ein anderes Leben
Das Leben dieser jungen Frau, die sich am liebsten auch von ihrer Vergangenheit, ihren Erinnerungen oder erlernten Gesellschaftsstigmata und -vorstellungen trennen würde, wirkt im ersten Moment etwas befremdlich, weil es sicher zuerst einmal ganz und gar nicht dem entspricht, was für die meisten die Norm darstellt. Je mehr man allerdings mit der Dokumentation über Eva erfährt, desto interessanter gestalten sich die knapp eineinhalb Stunden. Denn tatsächlich sind es diverse Überzeugungen oder Vorstellungen von Eva sowie Fragen und Wünsche ihrer Follower, die dann doch zum Nachdenken anregen oder eine andere Sichtweise auf festgefahrene Strukturen offenbaren, über die man im Ansatz vielleicht selbst schon mal, wenngleich unbewusst, gestolpert ist, aber nie weitergehend verfolgt hat.

Dabei fällt gerade der Aspekt der eigenen Identität immer wieder unglaublich schwer ins Gewicht. Für junge Menschen jeden Alters ist es heutzutage unvorstellbar, sich beispielsweise mit ihrem Job zu identifizieren, sich auf eine Rolle festlegen zu lassen oder zu müssen. Man hat tatsächlich das Gefühl, als wäre man konstant auf der Suche. Auf der Suche nach sich selbst, seiner Erfüllung, seiner Aufgabe und stößt dabei immer mal wieder an Grenzen, weil es das System seit Jahrzehnten anders vorsieht. Diese Knechtung führt aber nicht nur dazu, dass junge Frauen wie Eva einerseits stark und selbstbestimmt wirken, weil sie den Strukturen widersprechen. Sie führt auch dazu dass sie genauso verloren wirken. Man ist also auch nicht ganz frei davon, während der Dokumentation zwischen Bewunderung, aber auch Ernüchterung hin und her zu pendeln.

Gestalterisch gelingt es der Regisseurin Pia Hellenthal indes, ihrer Doku oftmals einen Look zu verpassen, der einem Indie-Coming-of-Age-Film gleicht. Gerade dann wenn die Kamera nicht still ausschließlich auf Eva ruht, wo sie sonst die Aufmerksamkeit mit ihrer ungefilterten Präsenz einfordert und aus dem Off von ihrer Vergangenheit oder ihren Gedanken erzählt, neigt man fast dazu zu vergessen, dass es sich hierbei immer noch um eine Dokumentation handelt.



(Anzeige)

Man muss nicht unbedingt die Vorstellungen oder Ansichten von Eva teilen, um die Dokumentation „Searching Eva“ mit gewissem Interesse zu verfolgen. Evas Leben spiegelt sehr gut die Zerrissenheit vieler jungen Menschen wieder und verhilft vielleicht doch zum hinterfragen bestimmter Strukturen, mit denen immer noch versucht wird, Persönlichkeiten in Formen zu pressen, die möglicherweise schon lange ausgedient haben. Ein sehenswertes, zeitgemäßes und vor allem feministisches Werk.