Play
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Play
„Play“ // Deutschland-Start: 11. September 2019 (TV)

Aller Anfang ist schwer. Das muss auch die 17-jährige Jennifer (Emma Bading) feststellen, als sie an der neuen Schule anfängt. Lust darauf hatte sie ja keine, mit ihren Eltern (Oliver Masucci, Victoria Mayer) umzuziehen. Eine Wahl aber ebenso wenig. Und so versucht sie sich irgendwie damit zu arrangieren, was ihr mehr schlecht denn recht gelingt. Das mit dem Anschluss bei den anderen Schülerinnen ist so eine Sache, ihre Noten werden minütlich mieser. Immerhin, mit Pierre (Jonas Hämmerle) ist da ein ganz sympathischer Junge aufgetaucht. Vor allem teilt er ihre Leidenschaft für das Virtual-Reality-Game „Avalonia“. Dort kann Jennifer tun und lassen, was sie will und ist endlich wieder Herrin über ihr Leben – bis es ihr zunehmend schwer fällt, beide Welten noch voneinander zu trennen …

Es gibt so viele Gründe, warum man sich manchmal wünscht, die Welt ein bisschen vergessen zu können. Stress bei der Arbeit beispielsweise, privater Kummer mag dazu beitragen, hin und wieder ist es auch pure Langeweile. Die Unterhaltungsindustrie ist sich dieser Fluchtsehnsüchte natürlich bewusst, ob Bücher oder Filme, Eskapismus steht dort immer wieder weit oben auf der Anforderungsliste. Bei Videospielen ist das aber noch einmal ein bisschen stärker ausgeprägt, schließlich kann man dort – wie Jennifer an einer Stelle feststellt – selbst noch Einfluss auf das nehmen, was geschieht. Man kann die Macht erlangen, die einem im regulären Leben versagt bleibt.

Muss das jetzt sein?
Verständnis bringt man der Teenagerin also schon mit, wenn sie sich immer wieder in eine virtuelle Welt flüchtet. Von außen betrachtet mag das reichlich komisch aussehen, mit der VR-Brille herumzuhampeln, Play macht sich darüber jedoch niemals lustig. Vielmehr gibt sich das Drama größte Mühe, das Innenleben der Jugendlichen so ausreichend zu beleuchten, dass einem selbst die Motivation einleuchtet. Das bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass man dies alles gutheißen muss. Im Gegenteil, Jennifer macht es einem selbst als Zuschauer mit ihrer distanzierten Art nicht unbedingt leicht, sie auch tatsächlich zu mögen. Sie versucht nicht einmal, andere Leute miteinzubeziehen und an ihren Gedanken teilzuhaben.

Diese Haltung muss man einerseits nicht verstehen. Andererseits gelingt es der talentierten Nachwuchsschauspielerin Emma Bading (Meine teuflisch gute Freundin, Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille), dieses Wirrwarr aus Gefühlen glaubwürdig darzustellen, auch wenn das Drehbuch ihr nicht sonderlich viel Abwechslung zugesteht. In dem absoluten Willen, ihre Spielesucht darzustellen wird alles andere ausgeblendet. Zwischendurch fragt man sich, ob die Schülerin überhaupt über so etwas wie eine eigene Persönlichkeit verfügt oder auch diese beim Einloggen in das Spiel aufgegeben hat. Nur einen kurzen Moment, wenn sie mit Pierre zusammensitzt, keimt wieder Hoffnung auf, dass alles noch einmal gut werden könnte, kommt der Mensch hinter dem Avatar zum Vorschein.

Der vergesse Mensch
Solche etwas lebendigeren Momente hätten Play ganz gut getan, auch um ein bisschen mehr Anteilnahme durch das Publikum rechtfertigen zu können. Stattdessen will Regisseur und Co-Autor Philip Koch (Outside the Box) in erster Linie die Schattenseiten demonstrieren und die Gefahren, die von einer solchen Realitätsflucht ausgehen – gerade auch für Menschen, die in einer Krise stecken. Das ist absolut legitim, neigt aber schon zu Wiederholungen. Und zum Ende hin auch zu Übertreibungen. Die zunehmenden Schwierigkeiten Jennifers, die virtuelle von der realen Welt zu unterscheiden, rücken das Drama immer wieder in die Thriller-Nähe. Überzeugend sind diese Ausflüge jedoch nicht.

Somit bleibt Play, das auf dem Filmfest München 2019 Premiere hatte, ein Film, der sich ein sicherlich relevantes Thema ausgesucht hat, aber selbst seine Schwierigkeiten hat, damit umzugehen. Streckenweise ist das sehenswert, zumal der Film auch neben Bading äußerst kompetent besetzt wurde. Trotz der an und für sich tragischen Geschichte lässt einen das hier aber doch weitestgehend kalt, ist irgendwie ebenso künstlich wie die Welten, die darin gezeigt werden. Bei einer TV-Produktion ist es natürlich keine Seltenheit, wenn da mal etwas dicker aufgetragen wird. Schade ist es aber schon, da wäre hier doch mehr möglich gewesen bei mehr Mut zum weniger.



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In „Play“ folgen wir einer Jugendlichen, bei der es gerade nicht so läuft und die sich zunehmen in einem Virtual-Reality-Spiel verliert. Das ist gut gemeint und tatsächlich auch gut besetzt, neigt aber im weiteren Verlauf dazu, etwas unnötig dick aufzutragen. Zudem verpasst es das Drama ein wenig, die Protagonistin wirklich zu einer Identifikationsfigur zu machen, wenn sie sich ausschließlich durch ihre Sucht definiert.
5
von 10