Hamburger Gitter

Hamburger Gitter

„Hamburger Gitter“ // Deutschland-Start: 15. März 2019 (DVD)

Viele werden sich noch an den G20-Gipfel in Hamburg aus dem Jahre 2017 erinnern, an die Bilder der Demonstrationen und der Hausdurchsuchungen seitens der Polizei, welche während und im Vorfeld der Veranstaltung deren geregelten Ablauf sicherstellen sollten. Die Berichterstattung zu der Zeit zeichnete das Bild einer Stadt im Ausnahmezustand, von Straßenschlachten und Verhaftungen, eine bittere Ironie, bedenkt man die Themen des Gipfels, der sich schwerpunktmäßig unter anderem mit aktuellen Krisengebieten sowie dem Kampf gegen Terror befasste. Im Rückblick kann man über die Naivität einer Aussage wie die des damaligen Bürgermeisters Hamburg Olaf Scholz nur den Kopf schütteln, der sagte, es werden sich am 9. Juli 2017 viele Bewohner wundern, dass der Gipfel schon vorbei sei. Bis heute gehen die Ermittlungen gegen Aktivisten, Demonstranten und Gewalttäter weiter, geführt von einer Sonderkommission „Schwarzer Block“ ansässig in Hamburg.

Zwei Jahre nach diesem Gipfel verfolgen Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard und Luca Vogel mit ihrer Dokumentation Hamburger Gitter das Ziel die Ereignisse jener Tage nachzuzeichnen unter der Fragestellung, was man aus diesen über die moderne Polizei, deren Vorgehen sowie die demokratischen Werte der deutschen Gesellschaft lernen kann. Hierbei bedienen sie sich des Bildes des Polizeigitters, auch „Hamburger Gitter“ genannt, das viele von uns wahrscheinlich als Absperrung bei Demonstrationen oder anderen Großveranstaltungen gesehen haben.

Eine würdige Form der Berichterstattung
Wie man sich denken, gehen sie Meinungen zum Vorgehen des Staates bei diesem G20-Gipfel ähnlich weit auseinander wie diese zu der Veranstaltung an sich. Allen Beteuerungen der Politik zum Trotz war das Verhältnis der Bürger, allen voran derer in Hamburg, bestenfalls gespalten. Aus dieser Ausgangslage ergibt sich das Vorgehen der Filmemacher, die in rund 80 Minuten neben Fakten und Archivaufnahmen vor allem auf Interviews mit Aktivisten, Journalisten, Anwälten sowie Professoren aus den Bereichen Soziologie und Politologie zurückgreifen. Daneben kommen auch Sprecher der Polizei und der Polizeigewerkschaft zu Wort.

Trotz der Gemüter, die nach wie vor teils sehr erhitzt sind, wenn es um das Thema Polizeigewalt sind, ist Hamburger Gitter eine bemerkenswert unaufgeregte Dokumentation geworden. In Bezug auf das erwähnte Vorgehen der Regisseure ist der Tonfall keinesfalls alarmierend, aber lädt durchaus dazu ein, sich Gedanken über die Zukunft unseres Staates zu machen. Hierbei vermeidet der Film einen Rückgriff auf übertrieben gestalterische Mittel, welche diese Meinungsbildung beeinflussen könnten. Bedenkt man die Berichterstattung zu der Zeit des Gipfels, die wie immer nicht zu übersehenden Schlagzeilen der Boulevardblätter sowie deren Forderung nach „härteren Strafen“, ist das Vorgehen der Macher eine mehr als würdige Herangehensweise.

Fehler im System
Was Heinig, Maurer, Burchard und Vogel zeigen, ist dennoch alles andere als beruhigend. Weniger eine bloße Chronologie der Geschehnisse, sind Ereignisse wie beispielsweise die „Welcome to Hell“-Kundgebung oder andere Proteste im Juli 2017 Fallbeispiele. Dem Zuschauer bieten sich hier neben drastischen Archivbildern und provokanten Aussagen der Interviewpartner teils bedenkliche Parallelen im Vorgehen der Polizei. Kombiniert mit der immer noch andauernden Ermittlungsarbeit in vielen Fällen lässt sich schnell ein Trend erahnen, der nicht nur in Richtung Überwachungsgesellschaft geht, sondern auch demokratische Werte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit angreift. Bedrohlich klingt da die Aussage einer Interviewpartnerin, die das Vorgehen in Hamburg nicht als Einzelfall sieht, sondern für die Zukunft in Deutschland ein ähnliches Vorgehen prophezeit.



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"Hamburger Gitter" ist ein interessanter und sehenswerter Film über die Aktualität unserer Demokratie, deren Werte und die Strukturen unseres Staates. Gut recherchiert und unaufgeregt vorgetragen, wird man als Zuschauer viel zu diskutieren haben nach diesem Film, den der Nachhall, den „Hamburger Gitter“ hinterlässt, ist nachhaltig und die Themen sollten uns noch lange beschäftigen.