Face it
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Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus

Face It
„Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus“ // Deutschland-Start: 25. Juli 2019 (Kino)

Das Verhältnis zwischen unserem privaten Leben und unserem öffentlichen Leben hat sich bekanntlich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt – so sehr, dass oft schon gar nicht mehr klar ist, wo das eine aufhört und das andere beginnt. Auf der einen Seite geben wir nur zu gerne unsere persönlichen Daten her, etwa beim Einkauf, posten in den sozialen Medien, was wir tun, wo wir sind, was uns gefällt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Misstrauen, gerade wenn der Staat irgendwie beteiligt ist, werden Demonstrationen organisiert, um vor dem Missbrauch zu warnen, der damit einhergehen kann.

Dieser Widerspruch wird auch in dem Dokumentarfilm Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus angesprochen, der sich eines besonders kontroversen Themas annimmt: das der digitalen Gesichtserkennung. Die Idee dahinter besagt, dass in Datenbanken festgehaltene Gesichter schneller wiedererkannt werden können. Die möglichen Einsatzgebiete sind zahlreich, reichen von einem unkomplizierteren Reisen, wenn Pässe automatisch ausgelesen werden, bis zum Kampf gegen Verbrechen bzw. Terrorismus. Wenn Menschen immer und zu jeder Zeit erkannt werden können, dann soll das beispielsweise allein schon aufgrund der besseren Aufklärungsarbeit Überfälle verhindern.

Das schwierige Abwägen
Das hört sich erst einmal gut an. Doch damit einher geht zwangsläufig auch ein Verlust der Privatsphäre. Nicht nur, dass die Maschinen damit wissen, wo du dich aufhältst. Ein Gesicht ist gleichzeitig auch Ausdruck eines Innenlebens. Wollen wir, dass andere erkennen, ob wir glücklich oder traurig sind, mit dem Ziel, Verbrecher zu fangen? Wie viel ist das eine wert, im Vergleich zum anderen? Gehören wir uns überhaupt noch selbst, wenn wir in der Öffentlichkeit automatisch und kontinuierlich beobachtet werden?

Das sind alles Fragen, die nicht ganz so leicht zu beantworten sind. Die meisten der Menschen, die Gerd Conradt in seinem Film befragt, zögern auch ein wenig, wenn sie Vor- und Nachteile abwägen müssen. Dass es unser Leben einfacher macht, zumindest machen kann, das ist ebenso unstrittig wie die Gefahren, die damit einhergehen. Immer wieder wird China als abschreckendes Beispiel genannt, das schon länger auf dem Weg zu einem dystopischen Überwachungsstaat ist, mit kuriosen bis erschreckenden Ausmaßen. Dass dies niemand hierzulande will, ist klar, selbst die Befürworter von Gesichtserkennung sprechen sich klar dagegen aus.

Viele Fragen, keine echte Antwort
Fast zwangsläufig bleibt Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus dadurch immer im Vagen, stellt viele Fragen, zeigt Tendenzen und Möglichkeiten, ohne jedoch einen eindeutigen Schluss zu finden. Conradt versucht dies jedoch auch gar nicht. Sein Dokumentarfilm ist gleichzeitig Essay, nähert sich dem Thema Gesicht auf viele Weisen an. An einer Stelle zeigt er beispielsweise auf, welchen Einfluss Farbgebung auf die Wirkung eines Gesichtes hat und demonstriert damit indirekt, wie schwierig es sein kann, tatsächlich etwas aus dem Gesicht abzulesen. Denn wo mehrere Möglichkeiten, da auch eine Fehlerquelle.

Das ist insgesamt ganz interessant und zweifelsfrei von einer hohen aktuellen gesellschaftlichen Relevanz. Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus lässt die unterschiedlichsten Leute zu Wort kommen, von Künstlern über Dorothee Bär, die Staatsministerin für Digitalisierung, bis zu Menschen, die sich mit dem technischen Aspekt auseinandersetzen. Durch diese Vielzahl an Stimmen, aber auch Themenbereiche, ergibt sich ein umfassendes Bild, das jedoch immer wieder in die Beliebigkeit abdriftet. Gerade weil es so viel zu sagen gibt, bekommt man das Gefühl, dass irgendwie nichts gesagt wird. Dass wir hier vor etwas stehen, das uns alle angeht, von dem wir aber nicht genau sagen können, was es überhaupt ist.



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Was sagt unser Gesicht über uns aus? Und wie viel Komfort und Sicherheit ist es wert, dass wir unsere Privatsphäre aufgeben? Das sind nur zwei der Kernfragen, welche „Face_It! – Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus“ anspricht. Der Dokumentarfilm nähert sich dem Thema umfassend an, verzichtet jedoch bewusst auf eine eindeutige Festlegung, was einerseits Raum für Debatten öffnet, gleichzeitig aber auch zu Beliebigkeit führt.