Carmine Street Guitars
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Carmine Street Guitars

„Carmine Street Guitars“ // Deutschland-Start: 29. August 2019 (Kino)

„Diese Website ist vorübergehend nicht erreichbar.“ Es überrascht kein bisschen, dass die Homepage von Carmine Street Guitars offensichtlich nicht gepflegt wird. Gitarrenbauer Rick Kelly hat für moderne Technik nichts übrig, dafür umso mehr für handgefertige Gitarren. Seine Manufaktur und Ladengeschäft auf der Carmine Street im hippen New Yorker East Village wirkt selbst wie ein Relikt aus den frühen Tagen von Manhatten. In den 50ern führte Ricks Großvater hier eine Schreinerei, die vom Vater übernommen wurde und Rick zu einem Mekka für Gitarrenfreunde umwandelte. Vielleicht entströmt dieses Flair des alten Manhattans auch dem Holz, das Rick für seine Custom Guitars verwendet: Er holt es von Müllhalden, Baustellen oder von wohlgesonnenen Eigentümern, die ein Stück ihrer Wand als Unikat aus Ricks Händen sehen möchten. Carmine Street Guitars fräsen Rick und seine Auszubildende Cindy aus altem New Yorker Bauholz, das sie auch aus niedergebrannten Ruinen klauen. 

Der Kanadier Ron Mann (Comic Book Confidential, Grass) inszeniert eine Woche in Ricks und Cindys Alltag, in der der Zuschauer bis zum Schluss hofft, bei einer solchen Holzschatzsuche dabei sein zu können. Mann entschied sich gegen das Abenteuer, das eigentlich auch nicht zu seinem Protagonisten passt. Rick ist kein Draufgänger, sondern Handwerker mit Leib und Seele. In den Plaudereien mit Kunden wie Lenny Kaye, der in Patti Smiths Band spielt, Carlie Sexton aus Boby Dylans Tour-Crew oder Jim Jarmusch offenbart sich Ricks Leidenschaft, sein Sinn für Ästhetik und nicht zuletzt sein Sachverstand. Jaime Hince, dem Gitarrist von The Kills, empfiehlt er ein Stück mit breiterem Griffbrett, um seine Hand zu entlasten – Hince hat sich nach einer Entzündung des Mittelfingers antrainiert, nur mit vier Fingern zu greifen. 

Die Doku plätschert für gute eineinviertel Stunden dahin, porträtiert den gemächlichen Rick in ebensolchen Bildern, wirkt aber teilweise sehr inszeniert. Cindy darf ein Verkaufsgespräch führen, ist aber eigentlich nur Nebenfigur, genauso wie die merkwürdige Andeutung der drohenden Gentrifizierung – am Verkauf des Nachbarhauses hat Rick kein Interesse, genauso wenig wie an den Facebook-Likes, die Cindy ihm stolz verkündet. Rick Kelly wird weiter seine Gitarren bauen, egal was passiert – wie der einzelne Baum, der vor seinem Laden wächst. Und das ist, glaubt man den Fans seiner Werke, sehr gut so.



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Eine Doku über den Schöpfer handgemachter Gitarren, die ihrem Gegenstand gerecht wird. Ruhig, beständig, voller Gitarrengegniddel und Gesprächen darüber - wie der Alltag in einer Gitarrenmanufaktur eben abläuft.