Hugh Hefners After Dark

Brigitte Berman [Interview]

Knapp bekleidete Damen und üppige Drinks: Klar, dafür kennen wir Hugh Hefner. Doch der Gründer der umstrittenen oben-ohne-Zeitschrift Playboy hatte auch ganz andere Seiten. So produzierte er in den 1950ern und 1960ern mit Playboy’s Penthouse und Playboy After Dark zwei Fernsehsendungen, in denen schwarze Künstler auftreten konnten – ein absolutes Novum, das auch durchaus für Kontroversen sorgte. Eben diesen beiden Sendungen widmet sich Brigitte Berman in ihrem Dokumentarfilm Hugh Hefner’s After Dark: Speaking Out in America, der beim Filmfest München gezeigt wird. Wir haben die Filmemacherin zu ihrem Film befragt, aber auch, was wir von dem kontroversen Verleger heute noch lernen können.

2009 hast du schon einmal einen Dokumentarfilm über Hugh Hefner gedreht. Warum bist du so viele Jahre später zu dem Thema zurückgekehrt?
Als Victor Solnicki, mein verstorbener Mann und Produzent, und ich unseren ersten Hefner-Film gezeigt haben, war das Publikum, vor allem junge Menschen, fasziniert von den wenigen Clips der frühen Hefner-Shows und wollte mehr sehen. Es war Victors Idee, an Hefner heranzutreten und ihn zu fragen, ob wir Zugang zu diesen Shows bekommen könnten. Nachdem er unser Exposé gelesen und sich mit uns getroffen hatte, willigte Hefner ein. Das war der Anfang einer langen Reise – sechs Jahre – während der wir Nachforschungen betrieben und den Film produziert haben. Leider haben weder Victor noch Mr. Hefner den fertigen Film noch erleben können.

Hugh Hefner war immer ein kontroverser und widersprüchlicher Mann. Wie würdest du ihn beschrieben?
Hugh Hefner war ein sehr komplexer Mann. Her ist für seinen Playboy-Ruf bekannt. Seine Beiträge zur Gesellschaft sind leider sehr viel weniger bekannt, darunter freie Meinungsäußerung, sein Kampf gegen restriktive soziale Normen und der Einsatz für Bürger- und Menschenrechte. Unser Film soll das Publikum ermuntern, ein umfassenderes Bild von Herrn Hefner zu bekommen anstatt der üblichen eindimensionalen Darstellung. Unser Film beleuchtet einen Teil von Hefners Persönlichkeit, die den meisten unbekannt ist.

In Hugh Hefner’s After Dark: Speaking Out in America konzentrierst du dich auf die beiden TV-Produktionen aus den 50ern und 60ern. Warum sind sie deiner Meinung nach noch immer aktuell?
Viele Themen, die in diesen Sendungen ausführlich besprochen wurden, sind noch immer relevant: Bürgerrechte, Menschenrechte, Umwelt, freie Meinungsäußerung. Mehr als 50 Jahre später sind diese Themen immer noch in den Schlagzeilen – besonders in den USA. Die Herausforderungen heute sind auf erschreckende Weise den Herausforderungen ähnlich, die Hefner in den späten 50ern und 60ern angesprochen hat. Bürgerrechte sind noch immer problematisch. Was der Film aufzeigt, ist, dass wir immer wachsam sein müssen und nichts für selbstverständlich nehmen dürfen, um nicht wieder dort zu landen, wo wir nicht sein wollen. Und wir haben noch einen langen Weg vor uns, um komplette Chancengleichheit und Respekt für jeden zu erlangen. Die Bewegung „Black Lives Matter“ bestätigt dies. Afroamerikanische Aktivisten wie Jim Brown, der auch in unserem Film auftritt, sagt, dass es heute immer noch eine sehr lähmende Erfahrung ist in Amerika schwarz zu sein, trotz der großen Fortschritte durch die Bürgerrechtsbewegung.

Wann und wie wurdest du auf diese Fernsehsendungen aufmerksam?
Victor Solnicki und ich wurden auf diese Shows aufmerksam, als wir für unseren anderen Dokumentarfilm Hugh Hefner: Playboy, Activist and Rebel recherchierten. Victor hatte einige der Shows schon gesehen als er jünger war, aber ich hatte noch nie von ihnen gehört und die Sendungen haben mich sehr überrascht. Ich liebte die Musik und die Sänger und Musiker, die in der Show auftraten, und die Tatsache, dass Bürgerrechte so offen in vielen Folgen angesprochen wurden. Victor mochte die politische Beschaffenheit der Sendungen und dass Herr Hefner großen Risiken auf sich nahm durch die Art wie er die Show präsentierte.

Denkst du, dass solche Formate heute noch so funktionieren würden? Wer könnte so eine Show moderieren?
Natürlich würden solche Formate heute funktionieren. Vielleicht kommt Real Time With Bill Maher dem Konzept in seiner Offenheit sehr nahe, genauso wie Last Week Tonight with John Oliver. Beide Moderatoren sind sehr intelligent, sehr politisch und sehr unverblümt. Aber keine dieser beiden aktuellen Sendungen hat Musiknummer – das würde wohl auch die Produktionskosten enorm anheben. Ich, persönlich, bin überrascht, dass es keine Show gibt, in der sich der Moderator frei im Raum bewegt und so ungezwungen mit den Gästen interagiert wie es Herr Hefner getan hat. Vielleicht ist es einfacher, wenn man auf Stühlen oder hinter einem Schreibtisch sitzt. Leider bleibt bei dieser statischen und sterilen Herangehensweise der Fokus auf dem Moderator und die Gäste gehen nur auf und ab von der Bühne, als wären sie eine Art Accessoire für den Moderator. Hefners Sendungen waren nie über ihn oder um ihn herum aufgebaut. Playboy’s Penthouse und Playboy After Dark konzentrierten sich auf die tagesaktuellen Themen und die freizügigen Performer, die bereit waren sie selbst zu sein und es riskierten sich gegen Ungerechtigkeit – die Zensur der freien Meinungsäußerung im amerikanischen Fernsehen miteingeschlossen – auszusprechen.

Während die Musikindustrie schon immer viele afroamerikanische Stars hatte, scheint die Filmindustrie sich in dieser Hinsicht schwer zu tun. Es gibt keine Beyoncé oder Rihanna. Kannst du dir einen Grund dafür vorstellen?
Leider wurden Hollywood und die TV Studios viele Jahre von der weißen Mehrheit dominiert und auch immer wieder „weißer gewaschen“. Und es war sehr schwer diesen Kreislauf zu durchbrechen. Selbst für Frauen hat es lange gedauert sich dort durchzusetzen. Aber auch, wenn schwarze Sänger und Musiker in der Musikindustrie weit gekommen sind und diese auch stark beeinflussen, gibt es trotzdem eine weiße Mehrheit und ein Ungleichgewicht im Machtgefüge zwischen Weißen und Schwarzen in der Musikindustrie. Afroamerikaner machen ungefähr 15 % der Gesamtbevölkerung aus, doch der Prozentsatz der Führungskräfte und Entscheidungsträger in der Musikindustrie liegt weit darunter. Die Dinge ändern sich zwar, aber sie ändern sich nicht so schnell wie sie sollten.

Die Repräsentation von Minderheiten war in den letzten paar Jahren ein großes Thema, siehe die Phänomene Black Panther oder, vielleicht in einem kleineren Ausmaß. Crazy Rich. Warum waren Hefners Sendungen in diesem Sinne einflussreicher? Warum hat das alles so lange gedauert?

Einer der Hauptgründe, warum Herr Hefner diese Shows produzierte, war, dass Dinge in den Vereinigten Staaten passierten, die er als undemokratisch und unamerikanisch ansah, wie das Komitee für unamerikanische Umtriebe, die Zensur freier Meinungsäußerung, rassistische Vorurteile, der Vietnam Krieg und vieles mehr. Und er wollte Aktivisten eine Plattform geben um sich zu diesen Themen zu äußern. Er vermischte das Ernste mit Musikeinlagen, die oft die aktuellen Themen aufgriffen. Leider gab es von Playboy’s Penthouse nur eine Staffel in den späten 1950ern und von Playboy After Dark nur zwei Staffeln in den späten 1960ern. Ich glaube, dass das Amerika aus den Zeiten als Hefners Shows liefen, noch nicht dazu bereit war die Repräsentation von Minderheiten anzunehmen. Und Hefners Sendungen waren – auch wenn sie bei dem Publikum, das sie sah, beliebt waren – nicht teil des Mainstreams. Hefners Shows wurden direkt an private Sender verkauft und waren nicht in jeder amerikanischen Stadt zu sehen, vor allem nicht in den Südstaaten, wo die Sendungen boykottiert wurden und Sponsoren davon abgebracht wurden, das Programm zu unterstützen. Hefner hat selbst für die Programme bezahlt. Zu dieser Zeit war es nicht gern gesehen, im Fernsehen so vielen Streitfragen eine Stimme zu verleihen und Aktivisten so ausführlich sprechen zu lassen – zum Beispiel Joan Baez, die sich gegen den Vietnam Krieg aussprach.

Denkst du, dass wir jemals an dem Punkt ankommen werden, dass Minderheiten angemessen in den Medien repräsentiert sind?
Ich hoffe es auf jeden Fall, auch wenn die Menschheit an sich nicht perfekt ist. Aus dem Grund haben alle Kulturen und Gruppen ihre Stärken und Einschränkungen. Wenn wir das Gute nehmen, das in jeder Minderheitengruppe vorhanden ist, und der vorherrschenden Kultur hinzufügen, wird das die Menschheit insgesamt voranbringen. Künstlerisches Talent ist nur ein Bestandteil dieser Entwicklung. Leider könnte der Anstieg von Populismus auf der ganzen Welt die angemessene Repräsentation von Minderheiten in den Medien beeinflussen. Wo auf den ersten Blick erkennbare „illegale Einwanderer“ als Eindringlinge wahrgenommen werden, die nur wenig Gutes mit sich bringen, kann Populismus leicht von xenophoben Ängsten dominiert werden, die auf die Menschen abzielen, die erkennbar anders sind.

Repräsentation ist nur ein Teil, um das Bewusstsein für Ungleichheiten zu schärfen. Was kann man zusätzlich tun?
Repräsentation ist ein wichtiger erster Schritt. Aber die endgültige Lösung ist, die Ursachen und Folgen von Ungleichheiten direkt anzugehen. Es ist wichtig, die Menschheit als Familie wahrzunehmen (die letztendlich auf diesem Planet nur durch Kollaboration überleben kann) anstatt als Konkurrenten. Es ist wichtig, einen ehrlichen Dialog zu führen, um diese Ungleichheiten anzusprechen, anstatt so zu tun, als gäbe es diese Ungleichheiten nicht mehr, weil unsere Diskriminierung etwas subtiler und ausgefeilter geworden ist. Einfühlungsvermögen und Verständnis sind von höchster Bedeutung. Eine Zivilgesellschaft erfordert einen ehrlichen Dialog, der die Persönlichkeit jedes Individuums respektiert. Ohne diesen ehrlichen Dialog ist Höflichkeit nur eine Fassade, um eine tiefgehende Kultur von Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu verbergen. Hefners Vision war, alles offen anzusprechen und diesen ehrlichen Dialog in Gang zu setzen.

Während sich die Situation von Minderheiten in einigen Bereichen verbessert, scheint sie sich in anderen zu verschlechtern. Insgesamt, wie würdest du die Entwicklung bewerten?
Menschlicher Fortschritt ist nicht immer linear. Manchmal ist ein mutiger Schritt nach vorne von einem Schritt zur Seite oder gar einem Schritt zurück begleitet. Minderheiten haben in Zivilgesellschaften Rechte erhalten, die in den 50ern und 60ern unerhört waren. Dieser Fortschritt kann jedoch ausgebremst werden durch populistische Stimmungsmache gegenüber Einwanderung, porösen Staatsgrenzen, erkennbaren Minderheiten, die den Einheimischen Jobs wegnehmen, usw. In jüngster Zeit haben populistische Bewegungen ultrakonservative Law-and-Order-Regierungen etabliert, die oft die Prinzipien liberaler Demokratie angreifen, weil diese für alle populistischen Ängste verantwortlich gemacht werden. Ich denke, dass der bisherige Fortschritt sehr bedeutend ist und geschützt bzw. ausgebaut werden muss, besonders in unserer herausfordernden Zeit. Meine persönliche Ansicht ist, dass wir noch immer nicht da sind, wo wir sein müssten. Viele von Hefners Befürchtungen erfordern zeitgemäße Antworten. Unsere derzeitige Realität wird auf Dauer so nicht funktionieren. Damit diese nachhaltig funktioniert, braucht es soziale Gerechtigkeit. Solange Minderheiten nicht respektiert werden, wird soziale Gerechtigkeit nicht zu erreichen sein. Einfach ausgedrückt haben die Massen von Flüchtlingen, die durch unsere Staatsgrenzen brechen, eines gemeinsam: Sie fliehen vor einer unannehmbaren Ungerechtigkeit in ihrem Heimatland. Diejenigen, die in unseren eigenen Gesellschaften Ungleichheit und Ungerechtigkeit erfahren, werden vielleicht weniger verzweifelt sein. Aber auch sie werden weiterhin gerechte Behandlung und gleiche Chancen für sich anstreben.

Was ist dein nächstes Projekt?
Ich arbeite an einer australisch-kanadischen Coproduktion über Soul. Außerdem arbeite ich an einem Dokumentarfilm über einen Balletttänzer/Sänger/Songwriter/Kostümbildner und Musical-theater-Künstler und das kreative Genie hinter seiner Kunst.

Zur Person
Brigitte Berman wurde 1952 in Frankfurt am Main geboren. Die Deutsch-Kanadierin studierte Englisch und Film an der Queen’s University in Kingston und begann im Anschluss, an der Canadian Broadcasting Corporation zu arbeiten. Im Laufe der Jahre drehte sie über 100 Dokumentarfilme. Zu den bekanntesten zählen das mit einem Oscar ausgezeichnete Artie Shaw: Time Is All You’ve Got (1986) über den gleichnamigen Jazz-Klarinettisten, und Hugh Hefner: Playboy, Activist and Rebel (2009), der auf über 25 Filmfestivals lief und wie ihr neuester Film Hugh Hefner’s After Dark: Speaking out in America schon einmal das Leben und Wirken des kontroversen Verlegers beleuchtet hat.



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