The Society Netflix
© Netflix

The Society – Staffel 1

The Society Netflix
„The Society – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 10. Mai 2019 (Netflix)

Woher kommt nur dieser eigenartige Gestank? Die Menschen in West Ham sind ratlos, können sich einfach nicht erklären, was es mit dem Geruch auf sich hat oder wie man ihn loswerden könnte. Allein deshalb schon sind die Schüler nicht unbedingt traurig darüber, diesen Schultrip mitzumachen und auf diese Weise die Nase etwas freizubekommen. Als sie zurückkehren, ist der Gestank glücklicherweise verschwunden. Aber auch alle Menschen, West Ham ist wie ausgestorben. Nur, wohin sind sie gegangen? Was ist hier in der Zwischenzeit geschehen? Und weshalb ist die Stadt plötzlich rundherum von Natur bewachsen, sodass es keinen Ausweg mehr gibt?

Und schon wieder eine Teenie-Mystery Serie auf Netflix. Erst ging es in The Order auf Spurensuche bei einem geheimen Orden. Dann musste sich in Chambers eine Jugendliche mit einem fremden Herzen und unangenehmen Erinnerungen auseinandersetzen. Nun also auch The Society über eine Stadt, in der von einem Tag zum nächsten alle Bewohner verschwunden sind. Das ist zwar nicht das frischeste Szenario, lässt sich aber doch immer wieder gut verwenden, auf die unterschiedlichsten Weisen. Ein Universalthema, das beliebig ans eigene Konzept angepasst werden kann.

Von allem ein bisschen
Welches Konzept Christopher Keyser, auf dessen Idee die Serie zurückgeht, dabei verfolgt, wird jedoch nicht ganz klar. Sicher, der Einstieg lässt auf richtig viel Mystery hoffen, schließlich sind plötzliche verlassene Städte und ebenso plötzlicher Florawuchs ein wenig erklärungsbedürftig. The Society kümmert sich jedoch wenig darum. Die anfängliche Verwirrung ist viel zu schnell vorbei, die Serie kostet ihr Szenario auch kaum aus. Vor allem das Geisterstädte-Flair lässt doch sehr zu wünschen übrig. Da bot In My Room doch wesentlich mehr, trotz einer sehr viel kürzeren Länge: In einer nur wenigen Minuten dauernden Sequenz schuf der Film eine beklemmende, einsame Atmosphäre.

Die größte Sorge der Jugendlichen hier betrifft dann eher, wer sich denn nun um das Essen kümmert und wie lange wohl das Internet noch halten mag. Wobei der Vergleich ohnehin hinkt, schließlich sind hier noch ein paar Dutzend Menschen übrig. Die Serie befasst sich daher – der Titel kündigt es an – mit der Frage, wie sich eine Gruppe organisieren lässt, wenn die bisherigen Hierarchien und Regeln außer Kraft gesetzt wurden. Was geschieht, wenn sich eine neue Gesellschaft bildet, die inhaltlich nichts verbindet? Werden sie die vorangegangene imitieren oder etwas völlig Neues erschaffen? Hin und wieder ist dieser philosophische Ansatz durchaus spannend. Denn wer ganz von vorne anfängt, der darf auch alles hinterfragen, was wir in unserem Leben für gegeben nehmen. Wer sich gerne mit ganz grundsätzlichen Überlegungen zum menschlichen Beisammensein befasst, der kann sich doch den einen oder anderen Denkanstoß abholen.

Oh nein, ist das schlimm!
Leider ist The Society aber auch an dieser Stelle nicht konsequent. Die Themen werden zwar immer mal wieder angeschnitten, jedoch nicht übermäßig vertieft. Stattdessen gibt es jede Menge Teeniedrama um die üblichen verletzten Eitelkeiten, Menschen, die aus allem ein Problem machen können. Das bedeutet nicht nur verschwendetes Potenzial: Anstatt etwas tatsächlich Eigenständiges auf die Beine zu stellen, fährt man hier lieber ein bisschen im reglementierten Fahrwasser. Schlimmer noch ist, wie schnell einem die Figuren hier auf die Nerven gehen. Das betrifft nicht nur die obligatorischen Antagonisten, die größtenteils nur deswegen Arschlöcher sind, weil es in der Geschichte Arschlöcher braucht. Auch bei den „Guten“ hält sich die Anteilnahme in Grenzen.

In den besseren Momenten steht die Frage im Raum, was eine solche Ausnahmesituation und eine hohe Verantwortung mit den Menschen macht. Oft zerren die Figuren aber in erster Linie an den Nerven, so sehr, dass man sich wünschen würde, sie wären verschwunden, nicht der Rest der Menschheit. Da auch die darstellerischen Leistungen nicht zu Jubelarien ermuntern – eine unentwegt mit dem gleichen Gesichtsausdruck herumlaufende Hauptfigur macht nicht gerade Lust auf mehr – und die Geschichte zu sehr in die Länge gezogen wird, bleibt The Society doch weit unter dem, was hier möglich gewesen wäre. Lediglich das nach der ersten Staffel noch immer offene Rätsel, was genau eigentlich passiert ist, lässt einen auf eine Fortsetzung schielen. Und die Hoffnung natürlich, dass sich die Serie stärker auf das konzentriert, was sie auszeichnet.



(Anzeige)

Stell dir vor, du kommst von einem Schultrip zurück, und alle anderen Menschen sind weg. Was würdest du tun? „The Society“ verbindet Mystery mit viel persönlichem Drama, stellt dabei eine Reihe spannender Fragen, macht aber zu wenig daraus oder dem Szenario. Stattdessen gibt es eine Ansammlung unsympathischer, nerviger Figuren, die aus allem ein Problem machen, und eine zu sehr um sich selbst drehende Geschichte.
6
von 10